Europarecht. Bernhard Kempen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Europarecht - Bernhard Kempen страница 84

Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

Скачать книгу

des Leistungserbringers aufweisen und nicht über die Grenzen hinausweisen, ist die Dienstleistungsfreiheit dagegen nicht einschlägig (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-97/98 – Jägerskiöld –, Rn. 42).

      548

      Wie im Bereich der Niederlassungsfreiheit sind gem. Art. 62 i.V.m. Art. 51 UAbs. 1 AEUV Tätigkeiten vom Anwendungsbereich ausgenommen, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Die Vorschrift ist eng auszulegen und erfasst nur Tätigkeiten, bei denen der Leistungserbringer über eigene Vollzugs-, Verbots- oder Zwangsbefugnisse gegenüber anderen verfügt. Dagegen fallen Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten für die Ausübung öffentlicher Gewalt ebenso wie Beiträge zur Erfüllung von öffentlichen Aufgaben, die nicht unmittelbar mit Beurteilungs- oder Entscheidungsbefugnissen einhergehen, nicht unter die Bereichsausnahme (EuGH, Urt. v. 17.3.2011, C-372/09 – Penarroja Fa –, Rn. 42).

      DDienstleistungsfreiheit (Michael Rafii) › IV. Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit

      549

      Gem. Art. 56 UAbs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen verboten. Fällt eine Maßnahme der Mitgliedstaaten oder der anderen Verpflichtungsadressaten in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit, ist daher zu prüfen, ob sie eine Beeinträchtigung des Gewährleistungsinhalts darstellt. Wie bei allen Grundfreiheiten (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren) können sich Beeinträchtigungen zum einen aus unmittelbar oder mittelbar diskriminierenden Maßnahmen ergeben (Gleichheitsrecht) und zum anderen aus beschränkenden Maßnahmen (Freiheitsrecht).

      550

      Gem. Art. 57 UAbs. 3 AEUV hat der Dienstleistungserbringer das Recht, seine Dienstleistungen nach denselben Vorgaben erbringen zu dürfen, die für inländische Staatsangehörige bestehen. Damit sind Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten. Das Diskriminierungsverbot umfasst sowohl unmittelbare, direkt an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Ungleichbehandlungen (auch direkte oder offene Diskriminierung genannt) als auch mittelbare Diskriminierungen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (auch indirekte versteckte oder verschleierte Diskriminierung genannt; EuGH, Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 – Josemans –, Rn. 58). Diese Differenzierung ist wegen der unterschiedlichen Anforderungen, die an die Rechtfertigung direkt oder indirekt diskriminierender Maßnahmen gestellt werden, von Bedeutung.

      551

      Eine unmittelbare Diskriminierung bilden etwa nationale Regelungen, die den Zugang zum Beruf des Fremdenführers Staatsangehörigen des Aufnahmestaates vorbehalten oder nach denen lediglich ausländische Studenten in dem Mitgliedstaat Studiengebühren zahlen müssen (EuGH, Urt. v. 22.3.1994, C-375/92 – Kommission/Spanien –, Rn. 10; Urt. v. 13.2.1985, C-293/83 – Gravier –, Rn. 26). Die Forderung nach einem Entgelt lediglich von ausländischen Besuchern staatlicher Museen stellt eine direkte Diskriminierung i.R.d. passiven Dienstleistungsfreiheit dar (EuGH, Urt. v. 15.3.1994, C-45/93 – Kommission/Spanien –, Rn. 10).

      552

      

      Formen mittelbarer Diskriminierung sind insbesondere Maßnahmen, die eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes treffen, da sich dieses Kriterium regelmäßig zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt. Dies traf z.B. auf eine niederländische Regelung zu, die nicht in den Niederlanden ansässigen Personen den Zutritt zu Coffeeshops untersagte (EuGH, Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 – Josemans –, Rn. 59). Eine mittelbare Diskriminierung stellte weiterhin eine italienische Regelung dar, wonach Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen einen Treueeid auf den italienischen Staat und das Staatsoberhaupt in italienischer Sprache schwören mussten (EuGH, Urt. v. 13.12.2007, C-465/05 – Kommission/Italien –, Rn. 48).

      553

      In der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass die Dienstleistungsfreiheit über ein bloßes Diskriminierungsverbot hinaus „die Aufhebung aller Beschränkungen, selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten, verlangt, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“ (EuGH, Urt. v. 25.7.1991, C-76/90 – Säger –, Rn. 12; Urt. v. 12.12.1996, C-3/95 – Broede –, Rn. 25). Die Beeinträchtigung kann sowohl vom Aufnahme- als auch vom Heimatstaat ausgehen (EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93 – Alpine Investments –, Rn. 30).

      554

      Wiederholt wurden vom EuGH Eintragungs- oder Genehmigungserfordernisse vor der Ausübung der Tätigkeit als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit angesehen. In diesem Zusammenhang hat der EuGH etwa die sich aus der deutschen Handwerksordnung ergebende Pflicht beanstandet, wonach sich ein Unternehmen vor Ausübung einer handwerklichen Tätigkeit in die Handwerksrolle eintragen und damit Pflichtmitglied in der Handwerkskammer werden musste. Das Eintragungsverfahren würde bei Unternehmen, die bereits in ihrem Heimatstaat die erforderlichen Voraussetzungen nachgewiesen hätten, die Leistungserbringung unzulässig erschweren und verzögern sowie durch die Zahlung der Kammerbeiträge verteuern (EuGH, Urt. v. 3.10.2000, C-58/98 – Corsten –, Rn. 34, 48; Urt. v. 11.12.2003, C-215/01 – Schnitzer –, Rn. 34). Eine Beschränkung liegt auch vor, wenn die Erteilung einer behördlichen Erlaubnis von einer bestimmten beruflichen Qualifikation abhängig gemacht wird (EuGH, Urt. v. 25.7.1991, C-76/90 – Säger –, Rn. 14; Urt. v. 17.12.2015, C-342/14 – X-Steuerberatungsgesellschaft –, Rn. 49).

      555

      

      Angesichts der Weite des Beschränkungsverbotes wird in der Literatur überwiegend gefordert, die Einschränkung im Bereich der Warenverkehrsfreiheit durch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Keck (EuGH, Urt. v. 24.11.1993, C-267/91 u.a. – Keck –, Rn. 17) auf die Dienstleistungsfreiheit zu übertragen. Damit wären lediglich Beschränkungen des Marktzugangs erfasst, nicht aber den Verkaufsmodalitäten entsprechende Regelungen zu den Modalitäten der Erbringung der Dienstleistungen. Einige Urteilsbegründungen des EuGH deuten darauf hin, dass er seine Rechtsprechung in diesem Sinne auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen will. So hat der EuGH etwa in der Rechtssache Alpine Investments ausdrücklich eine Prüfung anhand der Vorgaben der Keck-Rechtsprechung bejaht, in der Sache allerdings eine Beschränkung des Marktzugangs angenommen (EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93 – Alpine Investments –, Rn. 33 ff.). In der Rechtssache Mobistar wurde eine unterschiedslos anwendbare Maßnahme, die in- und ausländische Anbieter gleichermaßen belastete und die grenzüberschreitende Leistungserbringung gegenüber der Tätigkeit von Inländern nicht erschwerte, als mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar angesehen, ohne aber ausdrücklich die Keck-Rechtsprechung zu übernehmen (EuGH, Urt. v. 8.9.2005, C-544/03 – Mobistar –, Rn. 35). Die Rechtslage ist daher weiterhin offen.

Скачать книгу