Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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auf dem Gebiet des Verkehrs gelten gem. Art. 58 Abs. 1 AEUV die speziellen Bestimmungen der Art. 90 ff. AEUV.

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      Aus dem Erfordernis der Entgeltlichkeit ergibt sich, dass die Dienstleistung einen wirtschaftlichen Charakter aufweisen muss. Der Erbringer der Dienstleistung muss für die Tätigkeit eine wirtschaftliche Gegenleistung erhalten, die aber weder in Geld geleistet werden noch die Kosten der Leistungserbringung vollständig decken muss (EuGH, Urt. v. 5.10.1988, 196/87 – Steymann –, Rn. 11 f.). Das Entgelt kann auch von einem Dritten gezahlt werden, dem die Leistung nicht zugutekommt (EuGH, Urt. v. 26.4.1988, 352/85 – Bond van Adverteerders –, Rn. 16; Urt. v. 23.2.2016, C-179/14 – Erzsebet-Gutscheine –, Rn. 155). Weitgehend für die Nutzer kostenfrei erbrachte Leistungen, etwa staatliche Bildungsleistungen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit (EuGH, Urt. v. 27.9.1988, 263/86 – Humbel und Edel –, Rn. 18 ff.; Urt. v. 24.3.1994, C-275/92 – Schindler –, Rn. 33).

      bb) Abgrenzung und Verhältnis zu anderen Grundfreiheiten

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      Aus Art. 57 UAbs. 3 AEUV ergibt sich in Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit, dass die Tätigkeiten in dem Aufnahmemitgliedstaat lediglich vorübergehend ausgeübt werden sollen und damit keine dauerhafte Integration in die Volkswirtschaft des Aufnahmestaates angestrebt wird. Typischerweise unterfallen der Dienstleistungsfreiheit damit Leistungen, deren Erbringung auf wenige Monate angelegt ist und die nicht kontinuierlich wiederkehrend angeboten werden sollen. Es können aber auch Tätigkeiten, die sich über einen längeren Zeitraum bis hin zu mehreren Jahren erstrecken, unter den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit fallen, wenn der vorübergehende Charakter überwiegt (EuGH, Urt. v. 11.12.2003, C-215/01 – Schnitzer –, Rn. 30).

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      Abzugrenzen ist die Dienstleistungsfreiheit weiterhin von der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Entscheidend ist das Element der selbständigen Erbringung der Dienstleistung. Die Entsendung von Arbeitnehmern in einen anderen Mitgliedstaat zur Erbringung einer Dienstleistung ist daher der Dienstleistungsfreiheit zuzuordnen (EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-341/05 – Laval –, Rn. 85; Urt. v. 19.6.2014, C-53/13 – Strojirny Prostejov –, Rn. 25 f.). Die Dienstleistungsfreiheit ist auch für die Arbeitnehmerüberlassung einschlägig, bei der ein Unternehmen einem anderen Unternehmen entgeltlich bei ihm angestellte Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, ohne dass die Arbeitnehmer mit dem Entleihunternehmen einen Arbeitsvertrag abschließen (EuGH, Urt. v. 10.2.2011, C-307/09 – Vicoplus –, Rn. 27). Die Leistungserbringung von Spitzensportlern unterfällt der Arbeitnehmerfreizügigkeit, wenn die Sportler bei Vereinen angestellt sind, dagegen der Dienstleistungsfreiheit, wenn sich die Sportler über Preisgelder und Sponsorenverträge finanzieren (EuGH, Urt. v. 11.4.2000, C-51/96 – Deliege –, Rn. 56 ff.).

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      Im Einzelfall kann zudem die Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit problematisch sein. Der Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit ist eröffnet, wenn die Tätigkeit auf die Produktion und den Absatz körperlicher Gegenstände gerichtet ist. Von dem Begriff der Dienstleistungen werden Tätigkeiten erfasst, die eine personenbezogene, also insbesondere eine geistig-schöpferische Leistung beinhalten. Lassen sich die produktbezogenen und die personenbezogenen Leistungen trennen, können beide Grundfreiheiten nebeneinander angewandt werden (EuGH, Urt. v. 30.4.1974, 155/73 – Sacchi –, Rn. 6 ff.). Bei untrennbaren Leistungen ist nach dem Schwerpunkt der Tätigkeit zu unterscheiden. So wird etwa bei einer Bewirtungstätigkeit in einem Gasthaus häufig das Dienstleistungselement gegenüber dem Verkauf der Waren überwiegen (EuGH, Urt. v. 10.3.2005, C-491/03 – Hermann –, Rn. 26 ff.; Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 – Josemans –, Rn. 49).

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      Im Verhältnis zur Kapitalverkehrsfreiheit ergibt sich aus Art. 58 Abs. 2 AEUV, dass beide Freiheiten nebeneinander Anwendung finden können. Die Dienstleistungsfreiheit ist trotz des Wortlauts in Art. 57 UAbs. 1 AEUV nicht subsidiär. Erfasst eine der beiden Grundfreiheiten den zu beurteilenden Sachverhalt weit überwiegend, ist nur anhand dieser Freiheit die Prüfung vorzunehmen. Behindert z.B. eine nationale Regelung vorrangig die Möglichkeit für ausländische Finanzdienstleister, ihre Tätigkeiten auf dem nationalen Markt anbieten zu können, tritt die damit einhergehende Reduzierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs danach zurück (EuGH, Urt. v. 3.10.2006, C-452/04 – Fidium Finanz AG –, Rn. 34; Urt. v. 8.6.2017, C-580/15 – Van der Weegen –, Rn. 25).

      cc) Gewährleistungsdimensionen

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      Gemäß dem Wortlaut in Art. 56 UAbs. 1 und Art. 57 UAbs. 3 AEUV gewährleistet die Dienstleistungsfreiheit das Recht eines Dienstleistungserbringers, seine Tätigkeit vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Heimatstaat unter denselben Voraussetzungen auszuüben, die der Aufnahmestaat für seine Angehörigen vorsieht (sog. aktive Dienstleistungsfreiheit). Unerheblich ist hierbei, wenn der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistung dieselbe Nationalität besitzen (EuGH, Urt. v. 26.2.1991, C-180/89 – Fremdenführer –, Rn. 8). Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich als zweite Fallgruppe darüber hinaus, dass das Recht der Dienstleistungsempfänger gewährleistet ist, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort die Dienstleistung entgegenzunehmen bzw. die in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte Dienstleistung im eigenen Heimatstaat nutzen zu dürfen (sog. passive Dienstleistungsfreiheit; EuGH, Urt. v. 31.1.1984, 286/82 – Luisi und Carbone –, Rn. 16). Allerdings berechtigt die passive Dienstleistungsfreiheit nicht zu einem Ortswechsel auf unbestimmte Dauer (EuGH, Urt. v. 5.10.1988, 196/87 – Steymann –, Rn. 17). Die dritte Fallgruppe bilden die sog. Korrespondenzdienstleistungen. Bei diesen überschreitet nur die Dienstleistung die Grenze, während der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistung in ihren Heimatstaaten verbleiben. Typische Anwendungsbeispiele sind die Dienstleistungen von Banken und Versicherungen sowie Rundfunk und Internet (EuGH, Urt. v. 30.4.1974, 155/73 – Sacchi –, Rn. 6; Urt. v. 24.10.1978, 15/78 – Koestler –, Rn. 3).

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      Damit diese Rechte wirksam ausgeübt werden können, stehen dem Dienstleistungserbringer und dem Dienstleistungsempfänger einige Begleitrechte zur Verfügung, wie insbesondere das Recht zur vorübergehenden Einreise und zum vorübergehenden Aufenthalt zur Erbringung bzw. zum Empfang der Dienstleistung. Dieses Recht erstreckt sich auch auf die Angestellten des Leistungserbringers (EuGH, Urt. v. 9.8.1994, C-43/93 – Vander Elst –, Rn. 26). Da die Dienstleistungsfreiheit zudem nicht die Existenz eines bestimmten Leistungsempfängers voraussetzt, sind Tätigkeiten im Vorfeld der Leistungserbringung, wie z.B. die Werbung und Kontaktaufnahme zu potentiellen Kunden, ebenfalls vom Gewährleistungsumfang erfasst (EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93 – Alpine Investments –, Rn. 28). Hierzu zählt auch das Recht der Dienstleistungserbringer, Immobilien zu erwerben oder zu nutzen, soweit dies der Leistungserbringung dient (EuGH, Urt. v. 30.5.1989, C-305/87 – Kommission/Griechenland –, Rn. 24 ff.).

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      Die Gewährleistungen der Dienstleistungsfreiheit setzen wie alle Grundfreiheiten einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren). Hinsichtlich des Vorliegens der grenzüberschreitenden Erbringung einer Dienstleistung ist zu unterscheiden zwischen der aktiven Dienstleistungsfreiheit, der passiven Dienstleistungsfreiheit und der Korrespondenzdienstleistung

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