Europarecht. Bernhard Kempen

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Europarecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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      Folglich markierte der Vertrag von Maastricht den Abschluss der Herausbildung der EZ als eigenständig geregeltes unionales Rechtsgebiet, das in den Art. 130 Buchst. u)–y) EGV ausgestaltet wurde. Darüber hinaus wurde dem Art. 3 des EWG-Vertrages in dessen Buchst. r) die Gemeinschaftsaufgabe der „Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit“ hinzugefügt. Dieses Rechtsgebiet ist seit dem Vertrag von Lissabon nunmehr normiert in den Art. 208–211 AEUV, deren systematische Stellung darauf schließen lässt, dass die EZ als Teil der Außenpolitik der Union angesehen wird. Währenddessen bleiben auch heute GHP und EZ noch eng miteinander verknüpft, worauf u.a. Art. 21 Abs. 2 Buchst. e) EUV hinweist, der Handelsliberalisierungen als wesentliche Entwicklungsstrategie definiert.

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      Die strategische Ausrichtung der Entwicklungspolitik der Union wird maßgeblich durch die → Europäische Kommission gewährleistet, welche ihre Zielsetzung regelmäßig bzw. grundsätzlich alle zehn Jahre in sog. Memoranden festhält. Erstmals im Dezember 2005 formulierten Rat, Kommission und Mitgliedstaaten eine gemeinsame Vision für die EZ, der in dem sog. Konsens über die Entwicklungspolitik festgehalten wurde. Er baut auf der Erklärung von Paris aus demselben Jahr auf, welche zum Zwecke der Erhöhung der Wirksamkeit der EZ fünf konkrete Partnerschaftsverpflichtungen vorsah. So soll den Entwicklungsländern in der EU-EZ eine stärkere Eigenverantwortung zukommen, u.a. sollen sie die gemeinsam verfolgten Entwicklungsstrategien maßgeblich selbst bestimmen. Dies geht einher mit dem Grundsatz der Partnerausrichtung der EU. Ferner bekennt sich die EU zur Harmonisierung ihrer Maßnahmen, einem ergebnisorientierten Management sowie gemeinsam mit den Entwicklungsländern zu verstärkten Rechenschaftspflichten.

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      Ebenfalls Teil des Konsenses war die Zielsetzung, verstärkt auf Budgethilfe als Instrument der EZ zurückzugreifen. Jene wurde maßgeblich anhand eines Grünbuchs der Kommission aus dem Jahre 2010 (COM[2010],629 final) einer Reform unterzogen und sodann in ihrer modifizierten Form in einem nächsten Grundsatzdokument der EU-EZ, der sog. Agenda für den Wandel (COM[2011],637 final) verankert.

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      Die Agenda für den Wandel benennt zwei zentrale Zielsetzungen der EU-EZ: zum einen die Förderung der „Menschenrechte, Demokratie und andere Schlüsselelemente verantwortungsvoller Staatsführung“, zum anderen „breitenwirksames und nachhaltiges Wachstum für die menschliche Entwicklung“. Zur Steigerung von Effektivität und Effizienz der EU-EZ soll diese Prioritätensetzung einhergehen mit „differenzierte[n] Entwicklungspartnerschaften, [der] Koordination der EU-Maßnahmen und [einer] Erhöhung der Kohärenz zwischen den EU-Politiken“. Die Anstrengungen sind hierbei insbesondere auf die „bedürftigsten Länder“, einschließlich „fragiler Staaten“, zu konzentrieren. Die Agenda hat die Hilfsprogramme der EU im Zeitraum 2014–2020 maßgeblich mitgeprägt.

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      Jenseits dieser unionsinternen Prioritäten ist die EU-EZ im Kontext mit der im September 2015 von den Vereinten Nationen beschlossenen Agenda „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, welche die SDGs enthält sowie der Addis Ababa Action Agenda (AAAA; beschlossen: 27.7.2015), welche die hierzu erforderlichen Finanzierungsstrategien festhält, zu begreifen. Die anhand von SDGs sowie AAAA erfolgte aktuelle Ausrichtung der EU-EZ wurde im New European Consensus on Development festgehalten, der im Juni 2017 unterzeichnet wurde. Der New Consensus legt die ganzheitlichen Lösungsansätze dar, die zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung mitsamt ihrer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Komponenten erforderlich sind.

      EEntwicklungszusammenarbeit (Maximilian Oehl) › III. Ziele und Grundprinzipien der EZ

III. Ziele und Grundprinzipien der EZ

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      Die EU-EZ verfolgt eine große Bandbreite an Entwicklungszielen, die zudem von sog. Querschnittsthemen wie bspw. Jugendförderung, Gleichstellung der Geschlechter, Mobilität und Migration, nachhaltiger Energieerzeugung und Bekämpfung des Klimawandels (vgl. insbesondere New European Consensus on Development) ergänzt werden. Im Folgenden werden die zentralen Zielsetzungen der EU-EZ dargestellt.

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      Wie bereits erwähnt, verfolgt die EU-EZ das Hauptziel der Armutsbeseitigung, Art. 208 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 AEUV. Auch der New Consensus bezeichnet diese als Herzstück der EU-EZ. Im Rahmen des sog. mainstreaming soll die als Querschnittsaufgabe verstandene Armutsbekämpfung nach Möglichkeit alle Bereiche der EZ durchziehen. Die Armutsbeseitigung ist auch in den Zielen der Union gem. Art. 3 Abs. 5 sowie Art. 21 Abs. 2 Buchst. d) EUV enthalten. Die Zielsetzung korrespondiert mit dem Millenium Development Goal (MDG) Nr. 1, welches in Gestalt von SDG Nr. 1 seinen Nachfolger gefunden hat.

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      Ferner verfolgt die Union mit ihrer Entwicklungspolitik das Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Es ist in Art. 21 Abs. 2 Buchst. d) EUV festgehalten und wird hier explizit noch einmal in den Kontext einer effektiven Armutsbekämpfung gesetzt. Darüber hinaus ist es auch in Art. 21 Abs. 2 Buchst. f) EUV mit Blick auf eine nachhaltige Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen normiert.

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      Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) entstammt dem Umweltvölkerrecht (sog. Brundtland-Bericht, 1987). Er kann definiert werden als eine Entwicklung, welche die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen von Wirtschaftswachstum auf eine Weise berücksichtigt, die es auch zukünftigen Generationen ermöglichen wird, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Anhand der SDGs hat die Agenda der nachhaltigen Entwicklung erstmals ihre Ausgestaltung in dieser Form konkreter Zielsetzungen gefunden. Die EU, deren EZ bereits seit Art. 177 Abs. 1 des EG-Vertrages in der Fassung des Vertrags von Nizza (Inkrafttreten: 1.2.2003) das Ziel des sustainable development verfolgte, war an der Ausarbeitung der SDGs umfassend beteiligt.

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      Zentrale Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung bestehen insbesondere im Bereich der Verantwortung multinationaler Unternehmen für ökologische und soziale Folgen ihrer Geschäftstätigkeit. Die EU-EZ ist bestrebt, die corporate social responsibility weiter zu stärken, sich für die Einhaltung internationaler Arbeits-, Menschenrechts- und Umweltstandards einzusetzen und dabei über geeignete Handelsmaßnahmen ein wirtschaftliches Wachstum in den geförderten Entwicklungsländern hervorzurufen, das mit diesen Maßgaben in Einklang zu bringen ist. Eine weitere Zielsetzung hierbei ist ein möglichst umfassender Einbezug der betroffenen Zivilgesellschaft, die anhand von sog. Multistakeholder-Prozessen die Zukunft ihrer Lebenswelten im Dialog mit dem öffentlichen und privaten Sektor nach Möglichkeit entscheidend mitgestalten soll.

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