Hinweisgebersysteme. Martin Walter
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EGMR NZA 2011, 1269, 1271 ff.
Vgl. etwa BAG NZA 2012, 317, 320; NZA 2015, 245, 251; LAG Berlin-Brandenburg BeckRS 2014, 74315; LAG Düsseldorf BeckRS 2016, 68431; LAG Hamm BeckRS 2013, 69437; LAG Köln BeckRS 2012, 75713; LAG Rheinland-Pfalz BeckRS 2016, 112640; LAG Schleswig-Holstein BeckRS 2012, 68879; OLG Frankfurt NJW 2014, 3376.
Vgl. dazu die Einzelheiten im 3. Kap. Rn. 158 ff.
1. Kapitel Einführung › III. EU-Hinweisgeberrichtlinie und Hinweisgeberschutzgesetz
III. EU-Hinweisgeberrichtlinie und Hinweisgeberschutzgesetz
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Vor diesem Hintergrund hat die Kommission am 23.04.2018 ihren „Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ veröffentlicht. Ziel des Vorschlages war eine Mindestharmonisierung des Schutzes von hinweisgebenden Personen durch eine horizontale Richtlinie mit einem weiten Anwendungsbereich.[1] Erreicht werden sollte eine bessere Rechtsdurchsetzung in der EU sowie ein europaweit geltendes einheitliches hohes Schutzniveau für Hinweisgeber durch eine gesetzgeberische Ausgestaltung des durch den EGMR herausgearbeiteten Grundrechtsschutzes. Der Richtlinienvorschlag wurde von einer Mitteilung flankiert, die weitere Empfehlungen zum Schutz von Hinweisgebern auf EU-Ebene und durch die Mitgliedstaaten enthält.[2] Darin beschreibt die Kommission verschiedene Maßnahmen auf EU-Ebene zum Schutz von Hinweisgebern wie den Schutz von Journalisten, die Förderung des Schutzes von Hinweisgebern im Bereich der Korruptionsbekämpfung sowie die aktive Rolle des europäischen Bürgerbeauftragten beim Schutz von Hinweisgebern.
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Die im Amtsblatt der EU vom 26.11.2019 veröffentlichte und am 16.12.2019 in Kraft getrete EU-Hinweisgeberrichtlinie sieht die Einführung von Hinweisgebersystemen (nur) für die Meldung von Verstößen gegen das Unionsrecht vor und enthält neben Vorgaben zur grundsätzlichen Regelung des einzuführenden Systems vor allem umzusetzende Bestimmungen zum Schutz von Hinweisgebern. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des nationalen Gesetzes werden Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern sofort oder bei 50 bis 249 Mitarbeitern bis spätestens 17.12.2023 verpflichtet sein, ein Hinweisgebersystem einzurichten. Mit der EU-Hinweisgeberrichtlinie werden rechtliche Rahmenbedingungen und EU-weit gemeinsame Mindeststandards geschaffen, die es den Wissensträgern erlauben sollen, Hinweise zu geben, ohne dafür persönliche und wirtschaftliche Nachteile erleiden zu müssen. Ein wesentliches Anliegen der Richtlinie besteht dabei im Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien. Diese werden in Art. 6 Ziff. 11 EU-Hinweisgeberrichtlinie definiert als direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen in einem beruflichen Kontext, die durch eine interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung ausgelöst werden und durch die dem Hinweisgeber ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann. Dementsprechend muss der Hinweis kausal für die Repressalie sein.[3] Entsprechende Repressalien werden in Art. 19 EU-Hinweisgeberrichtlinie untersagt und nicht abschließend aufgezählt.
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Flankierend dazu sind in der EU-Hinweisgeberrichtlinie Vorgaben für unterstützende Maßnahmen (Art. 20) sowie Maßnahmen zum Schutz vor Repressalien (Art. 21) enthalten. Zu den Unterstützungsmaßnahmen insbesondere ein einfacher und kostenloser Zugang zu umfassender sowie unabhängiger Information und Beratung über die verfügbaren Abhilfemöglichkeiten und Verfahren gegen Repressalien.[4] Dem praxisrelevanten Umstand, dass etwaige Repressalien gegenüber Hinweisgebern jedenfalls nicht offenkundig aufgrund eines Hinweises erfolgen, sondern für eine insoweit nachteilhafte Behandlung andere – oftmals nur vermeintlich bestehende – Gründe bemüht werden, soll durch eine in Art. 21 Abs. 5 EU-Hinweisgeberrichtlinie vorgesehene weitreichende prozessuale Beweislastumkehr Rechnung getragen werden. Danach wird in Verfahren vor einem Gericht oder einer anderen Behörde, die sich auf eine vom Hinweisgeber erlittene Benachteiligung beziehen und in denen der Hinweisgeber geltend macht, diese Benachteiligung infolge seiner Meldung oder der Offenlegung erlitten zu haben, vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung war. In diesen Fällen obliegt es der Person, welche die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, zu beweisen, dass diese Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte.[5]
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In Deutschland hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im November 2020 den Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden („Hinweisgeberschutzgesetz“ – HinSchG-E) fertig gestellt und zur Abstimmung an die anderen Ressorts versandt.[6] Mit dem HinSchG-E soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz von Hinweisgebern ausgebaut und zugleich die Vorgaben der EU-Hinweisgeberrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Neben der Einführung des HinSchG-E als Kernstück erfordert die Umsetzung der EU-Hinweisgeberrichtlinie Anpassungen im Bundesbeamtengesetz sowie Beamtenrechtsrahmengesetz, um die obligatorische Einbeziehung der Beamten in den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes sicherzustellen. Das HinSchG-E gliedert sich in Regelungen zum Anwendungsbereich (§§ 1 und 2 HinSchG-E), zum Verhältnis zu sonstigem geltenden Recht (§§ 4–6 HinSchG-E), zu internen und externen Meldesystemen (§§ 7–30 HinSchG-E), zur Offenlegung (§ 31 HinSchG-E), zu Schutzmaßnahmen (§§ 32–38 HinSchG-E) sowie zu Sanktionen (§ 39 HinSchG-E).
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Hervorgehoben werden soll an dieser Stelle die in § 4 Abs. 1 HinSchG-E enthaltene Aufzählung bereits bestehender Meldesysteme für Verstöße, die unionsrechtlich vorgegeben wurden und entweder unmittelbar gelten oder bereits für bestimmte Sektoren in nationales Recht umgesetzt wurden. Diese bereits eingerichteten Meldesysteme sollen durch das neue horizontale Instrument nicht abgeschafft werden, sondern mit ihrer jeweiligen Sonderzuständigkeit weiterhin bestehen bleiben. Neben diesen Systemen soll auch keine zusätzliche neue Zuständigkeit für bereits erfasste Sachverhalte eingerichtet werden. Soweit bereits ein Meldesystem greift, auf das § 4 Abs. 1 HinSchG-E verweist, geht dieses vor und das HinSchG soll nicht angewendet werden.[7] Ungeachtet dessen wurde der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG-E zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und zur Schaffung von praktikablen Regelungen die in der EU-Hinweisgeberrichtlinie angelegten Rechtsbereiche in begrenztem Umfang auf nationales, korrespondierendes Recht ausgeweitet. Dabei wurden insbesondere das Strafrecht und das Recht der Ordnungswidrigkeiten einbezogen.[8]
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Die EU-Hinweisgeberrichtlinie verfolgt nicht nur das Ziel, die Hinweisgeber sondern auch die von den Hinweisen betroffenen Personen zu schützen. Dabei hat ein Hinweisgeber Anspruch auf Schutz im Rahmen der EU-Hinweisgeberrichtlinie, wenn er „hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung der Wahrheit entsprachen und in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen“.[9] Schutzbedürftig