Der gläserne Fluch. Thomas Thiemeyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der gläserne Fluch - Thomas Thiemeyer страница 18

Der gläserne Fluch - Thomas Thiemeyer Die Chroniken der Weltensucher

Скачать книгу

Sekunden darauf, dann richtete er seine Augen wieder auf Oskar. »Verstehe«, sagte er. »Mein Tagebuch.«

      Oskar wich langsam zurück. »Es … es ist nicht so, wie Sie denken.«

      »Oh doch. Ich fürchte, es ist genau so. Pech für dich, mein Junge …« Der Satz brach ab.

      Ganz unvermutet.

      Bellheim stand in der Mitte des Raums. Stocksteif wie ein Holzpfahl hielt er sein Gesicht zur Decke gerichtet, die Hände zu Fäusten geballt. Die Knöchel traten weiß hervor. Zwischen den zusammengepressten Zähnen kam ein unartikuliertes Zischen hervor. Oskar bekam es mit der Angst zu tun. Hier stimmte etwas nicht. Hatte er einen Krampf oder Anfall?

      Er wollte gerade zur Tür rennen, als eine Veränderung mit Bellheim vonstatten ging. Sein Oberkörper zuckte nach vorn, krümmte sich und schnellte dann wieder zurück. Das Gesicht des Völkerkundlers war aufs Äußerste angespannt. Er öffnete seinen Mund zu einem Schrei, aber es kam kein Laut heraus.

      Mit Entsetzen sah Oskar, wie der Forscher nach Luft rang. Ein merkwürdiges Rascheln und Knacken war zu hören, als würde irgendwo etwas verbrennen. Die Luft war erfüllt vom Geruch elektrischer Entladungen. Dann riss der Forscher seinen Mund noch weiter auf. Seine Hände umklammerten seinen Unterkiefer und zogen ihn nach unten. So weit, wie kein normaler Mensch es jemals vermocht hätte.

      Oskar war wie gelähmt. Dann schrie er.

      * * *

      Charlotte hörte den Schrei. Alle hörten ihn.

      Es war ein Laut, wie ihn nur jemand ausstoßen konnte, der in größter Panik war.

      Die Gespräche erstarben. Irgendwo fiel klirrend ein Glas zu Boden. Alle Blicke zuckten in Richtung Haus.

      Hinter der Scheibe im ersten Stock waren tanzende Bewegungen zu sehen. Zwei Personen, die miteinander kämpften.

      Humboldt war der Erste, der reagierte.

      »Oskar!«

      Er packte seinen Gehstock und stürmte durch den Garten zurück in Richtung Haus. Charlotte und Eliza folgten ihm auf dem Fuß. Zu dritt rannten sie die Treppen zum ersten Stock empor. Noch einmal rief er den Namen des Jungen. Keine Antwort. Alles, was sie hörten, war ein Poltern, das aus dem letzten Zimmer am Ende des Flurs drang. Sie eilten in die betreffende Richtung, doch die Tür war verschlossen. Humboldt erhob seine Stimme. »Mach die Tür auf!«

      »Ich … kann … nicht.«

      Oskars Stimme.

      Humboldt fackelte nicht lange. Mit einem vehementen Fußtritt trat er die Tür ein und stürmte in den Raum.

      Charlotte folgte ihm.

      Der Völkerkundler hatte seine Hände um den Hals des Jungen gelegt. Dessen Füße berührten kaum noch den Boden. Oskar wand sich und zappelte, aber er konnte dem mörderischen Griff nicht entfliehen. Welche Kraft war wohl dazu nötig, einen sechzehn Jahre alten Jungen mit gestreckten Armen vom Boden zu heben?

      Eliza hielt ein Feuerzeug an die Lampe. Es gab einen Funken, dann entzündete sich das Gas.

      »Beim Jupiter!«

      Humboldt wich einen Schritt zurück.

      Charlotte schlug die Hände vor den Mund. Eliza stieß einen kleinen Schrei aus.

      Was sich im fahlen Schein der Gaslaterne abspielte, war mit Worten kaum zu beschreiben. Bellheims Unterkiefer war heruntergeklappt und hatte etwas freigelegt, das nur mit viel Wohlwollen als Zunge beschrieben werden konnte. Dick wie ein Unterarm und lang wie eine Schlange züngelte das Ding genau auf Oskars Gesicht zu. Es glänzte und glitzerte, als bestünde es aus Glas. An seiner Spitze befanden sich zwei dünne, tastende Borsten, die genau auf Oskars Nasenlöcher zielten. Zu welchem Zweck war völlig unklar. Klar war jedoch, dass eine fremde Kreatur Besitz von Bellheim ergriffen hatte. Und jetzt stand sie im Begriff, Oskar zu übernehmen.

      »Macht, dass ihr hinter mich kommt!« Humboldt zog sein verborgenes Rapier aus dem Spazierstock. Mit einem mächtigen Hieb drang er auf den Gegner ein. Die Klinge sauste nieder und hieb die gläserne Schlange in zwei Teile. Mit einem Geräusch, als würde man Wasser auf eine glühende Herdplatte spritzen, fiel das zappelnde Ding zu Boden. Ein unerträglicher Gestank breitete sich aus.

      Ein wenig krümmte und zuckte das Ding am Boden herum, dann löste es sich in einer Rauchwolke auf. Nur eine Handvoll Sand blieb übrig.

      Bellheim taumelte zurück. Die Hände lockerten ihren Griff, und der Junge plumpste hustend und keuchend zu Boden. Eine Weile rang er nach Atem, dann kroch er aus der Gefahrenzone. Bellheim stand wie angewurzelt auf dem Fleck, dann ging er auf Humboldt los. Sein Gesicht war zu einer furchterregenden Maske verzerrt. Der Mund stand offen, seine Hände waren vorgereckt.

      »Lass den Unsinn, Richard«, sagte Humboldt. »Es ist vorbei. Ich habe den Parasiten getötet.«

      Doch der Völkerkundler hörte ihn nicht. In seinen Augen leuchtete ein irrsinniges Feuer, während er unbarmherzig auf den Forscher eindrang.

      »Bleib stehen. Keinen Schritt weiter.« Humboldt hielt sein Rapier ausgestreckt auf Bellheim gerichtet. Die Spitze berührte dessen Brust. »Richard, bitte.«

      Mit Entsetzen sah Charlotte, dass Bellheims Haut sich zu verändern begann. Erst wurde sie blass, dann weiß, schließlich durchscheinend. Nur wenige Sekunden waren verstrichen und der ganze Mann sah aus, als bestünde er aus Glas.

      Ein schreckliches Lachen drang aus seiner Kehle. Ein Lachen, das eindeutig nicht menschlich war.

      Dann trat er einen Schritt nach vorn.

      Die Spitze des Rapiers drang in seine Brust.

      Charlotte wollte den Blick abwenden, doch sie konnte nicht. Ihr Entsetzen war so groß, dass sie einfach hinsehen musste. Die Klinge kam mit einem quietschenden Geräusch aus dem Rücken des Mannes wieder heraus.

      Und noch immer lachte er.

      »Wer bist du?«, stammelte Humboldt. »Was bist du?«

      »Ich werde euch anpassen«, stieß das Wesen glucksend hervor, während es sich zentimeterweise durch die stählerne Klinge vorwärtsarbeitete. »Es wird euch gefallen. Schon bald werden wir alle zusammen singen. Versteht ihr? SIIIN…GEN!« Seine Stimme steigerte sich zu einem hellen, gläsernen Kreischen.

      Humboldt stieß einen Fluch aus. In einer Mischung aus Wut und Verzweiflung stemmte er sich nach vorn und drängte den Gegner in Richtung der Fenster. Bellheim, immer noch kichernd und glucksend, hob seine Hände zum Angriff. Charlotte konnte sehen, dass an den Fingerspitzen neue Fühler entstanden, die auf Nase und Ohren des Forschers zu zielen schienen. Humboldt reagierte nicht darauf. Stattdessen schob er mit unverminderter Härte weiter. Mittlerweile waren sie auf der anderen Seite des Raums angekommen. Es gab ein Bersten und Klirren, dann zersprang die Scheibe. Der Forscher legte seine ganze Kraft in den Stoß. Einen wütenden Schrei ausstoßend, drängte er seinen Gegner nach draußen. Doch noch war es nicht vorbei. Bellheim hielt ihn so fest umklammert, dass er mitgerissen wurde. Ineinandergeklammert und verzweifelt miteinander ringend, stürzten die beiden Kontrahenten in den verschneiten Garten. Es gab einen schweren Schlag, dann eilten alle ans Fenster.

      Charlotte beugte sich vor und blickte

Скачать книгу