Der gläserne Fluch. Thomas Thiemeyer

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Der gläserne Fluch - Thomas Thiemeyer Die Chroniken der Weltensucher

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im Haus zu finden sind. Sie befinden sich an Stellen, die schlecht zugänglich und wo sie nicht gleich zu erkennen sind. Frau Bellheim wies mich darauf hin, konnte aber selbst keine Erklärung dafür finden.«

      »Und was denken Sie?«

      »Ich weiß es nicht. Ich bin noch in der Phase, in der ich Informationen sammle. Tatsache ist, dass diese Schäden erst entstanden sind, nachdem Richard Bellheim von seiner Reise zurückkehrte.« Der Forscher verschränkte seine Arme vor der Brust. »Wie du weißt, habe ich von Frau Bellheim den Auftrag erhalten, Nachforschungen über ihren Mann anzustellen.«

      »Charlotte hat es mir erzählt.«

      »Gut. Dann kannst du dir vorstellen, wie wichtig es für mich wäre, dieses Tagebuch in die Finger zu bekommen. Ich bin sicher, es stehen Sachen darin, die für unseren Fall von großem Interesse sind. Ich habe Frau Bellheim bereits gebeten, mich einen Blick hineinwerfen zu lassen, doch sie hat strikt abgelehnt. Sie möchte nicht, dass irgendwelche privaten Details ans Tageslicht kommen. Wenn ihr mich fragt, ich glaube, sie fürchtet sich vor der Wahrheit.«

      »Und wie kann ich dabei helfen?« Oskar sah in die eisblauen Augen des Forschers. »Moment mal … Sie wollen, dass ich es stehle?«

      »Ich möchte, dass du es ausleihst.« Humboldt lächelte verlegen. »Ich kann es dir nur schwer erklären, aber ich habe ein ganz merkwürdiges Gefühl bei dem Mann. Mein Instinkt sagt mir, dass etwas in Afrika vorgefallen ist. Etwas, von dem wir nicht wissen sollen, was es ist. Bellheim gibt sich größte Mühe, jeden Verdacht bezüglich seiner Person zu zerstreuen. Je mehr er das tut, desto misstrauischer werde ich. Du hättest ihn früher erleben sollen. Er war ein waghalsiger junger Mann, voller unbändiger Energie und Ehrgeiz. Er wusste immer genau, was er wollte und wie er es bekam. Und er hatte Charme. Die Frauen lagen ihm zu Füßen. Dieser Mann dort drüben ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Jemand, der so tut, als wäre er jemand anders.«

      Oskar war weit davon entfernt zu verstehen, auf was sein Vater da anspielte, aber er wusste, was von ihm erwartet wurde.

      »Na gut«, seufzte er. »Das Tagebuch. Wo soll ich suchen und vor allem wann?«

      Humboldt blickte zur Standuhr auf der anderen Seite des Raums. »Es ist jetzt halb zwölf. In einer guten Viertelstunde wird die Kapelle aufhören zu spielen und alle werden nach draußen auf die Straße gehen. Selbst das Dienstpersonal wird das Haus verlassen, um das Feuerwerk zu betrachten. Eine halbe Stunde lang wirst du völlig ungestört sein. Am besten, du durchstöberst zuerst das Schlafzimmer. Dort werden normalerweise die persönlichsten Gegenstände aufbewahrt. Versuch es mit den Nachttischchen und arbeite dich dann durch Vitrinen und Sekretäre. Halte nach einem Buch Ausschau, das alt und abgewetzt wirkt. Wenn es zwei Jahre in Afrika war, dürfte es ziemlich ramponiert sein.«

      »Und wenn ich es habe?«

      »Mich interessieren nur die letzten Einträge. Sieh nach, ob du irgendetwas zum Thema Meteoriten findest. Nimm dir am besten etwas zu schreiben mit und mach dir Notizen. Hier sind ein Stift und ein Blatt Papier.« Er zog beides aus seiner Weste.

      »Was, wenn ich es nicht finde oder erwischt werde?«

      »Lass dir etwas einfallen. Du bist doch ein geschickter Dieb. Und jetzt los. Ich werde mir eine passende Entschuldigung für dich einfallen lassen.«

      11

      Als Oskar den Treppenaufgang betrat, waren draußen bereits die ersten Knallfrösche zu hören. Genau wie von Humboldt vorausgesagt, hatte die Gesellschaft das Haus verlassen und bereitete sich auf den Jahreswechsel vor. Selbst die Mädchen und Hausangestellten waren ins Freie geeilt, um das neue Jahr zusammen mit den Gästen zu begrüßen.

      Oskar hatte sich unauffällig hinter einer Standuhr verborgen und eilte nun die Treppe hinauf. Leise wie eine Katze schlich er nach oben. Nicht das geringste Knarren war zu hören.

      Oben angekommen sondierte er erst mal die Lage. Vor ihm lag ein Flur, von dem sechs Zimmer abgingen. Er war von gedämpftem Gaslicht erleuchtet und wirkte verlassen. Oskar blieb einen Moment stehen und lauschte angestrengt.

      Nein, niemand hier.

      Kurz entschlossen wählte er die erste Tür auf der linken Seite und drückte die Klinke. Das Zimmer dahinter lag im Dunkeln. Durch die Fensterscheiben waren bereits die ersten Raketen zu sehen. Die Dächer der gegenüberliegenden Häuser hoben sich scherenschnittartig gegen den Nachthimmel ab. In den Fenstern brannte Licht. Menschen bewegten sich dahinter oder standen an den Balkonen. Oskar ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen. Ein Ankleidezimmer. Ein riesiger Wandschrank, ein Spiegel sowie zwei gepolsterte Stühle nebst Schminktischchen. Nichts, worin man persönliche Unterlagen aufbewahren konnte. Falsches Zimmer. Er wandte sich der nächsten Tür zu. Hier war das Bad. Groß, luxuriös und sauber. Das nächste Zimmer sah interessanter aus. Offensichtlich das Schlafzimmer der Bellheims. Hier gab es definitiv ein paar Möbelstücke, in denen man persönliche Dinge aufbewahren konnte. Oskar schlüpfte hinein und zog die Tür hinter sich zu. Er musste jetzt sehr vorsichtig sein. Wenn er die Leute auf der anderen Seite sehen konnte, so konnten sie ihn auch sehen. Nichts wäre schlimmer, als an einem solchen Abend erwischt zu werden. Mit einem kurzen Blick auf die Häuser der anderen Straßenseite vergewisserte er sich, dass niemand Verdacht geschöpft hatte. Dann begann er, systematisch die Schränke und Nachttische zu durchsuchen.

      * * *

      »Wo steckt eigentlich Oskar? Es ist gleich Mitternacht.« Charlotte hielt ihre Tasse mit heißem Punsch umklammert und blickte ungeduldig in Richtung Haus. »Wenn er sich nicht beeilt, verpasst er das ganze Spektakel.«

      »Ich glaube, dem Jungen war etwas schwindelig nach den vielen Runden, die du auf dem Parkett mit ihm gedreht hast«, sagte Humboldt. »Lass ihm ein paar Minuten Zeit.«

      »Soll ich mal nach ihm sehen?«

      »Er kommt schon klar.«

      Charlotte warf einen Blick in Richtung Kirchturmuhr. Noch etwa zwei Minuten. Wenn er nicht bald kam, würde der große Moment ohne ihn verstreichen. Und dabei hatte sie sich so darauf gefreut, mit ihm anzustoßen. Ob er es wohl wagen würde, ihr einen Kuss zu geben …?

      Sie bemerkte, dass der Forscher sie aufmerksam beobachtete. In seinen Augen lag etwas, das sie innehalten ließ. »Ist irgendwas?«, fragte sie mit klopfendem Herzen.

      »Du magst Oskar sehr, habe ich recht?«

      Charlotte spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »Natürlich«, entgegnete sie. »Er ist mein Cousin.«

      »Ganz genau.« Mehr sagte er nicht. Nur diese zwei Worte.

      Charlotte wich seinem Blick aus. Worauf wollte er hinaus? Glaubte er etwa, dass sie etwas für Oskar empfand? Unmöglich, sie wusste es doch selbst nicht genau.

      Sie wollte noch etwas erwidern, doch in diesem Augenblick fingen alle an zu zählen.

      »Fünf … vier … drei … zwei … eins …«

      * * *

      Bunte Raketen brachten den Himmel über Berlin zum Leuchten. Funkenkaskaden überzogen den Himmel, gefolgt von ohrenbetäubenden Kanonenschlägen. Es prasselte und knatterte, dann stiegen weitere Raketen in den Himmel. Über das Knallen hinweg setzten das Läuten der Glocken ein. Hochrufe und Gelächter vermischten sich mit dem Knistern und Dröhnen von Schwärmern und Böllern.

      Es

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