Horak am Ende der Welt. Jan Kossdorff

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Horak am Ende der Welt - Jan Kossdorff

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dann …«

      »Lass mich noch kurz überlegen …«

      »Was denn?«

      »Einen Moment!«

      »Ist es wegen mir?«

      »Wie?«

      »Willst du nicht, dass sie uns zusammen sehen?«

      »Ich … nein … nein!«

      Ich stotterte, wusste gar nicht, was ich empfand. »Natürlich können sie uns zusammen sehen«, sagte ich, »komm, wir gehen zu ihnen!«

      Ich riss Maja an der Hand mit mir und zog sie einige Schritte über den Platz, bis wir vor meiner Ex-Frau und meinem Sohn standen. »Franzi, David, was macht ihr hier?«, rief ich, vielleicht etwas zu enthusiastisch.

      Ich umarmte meine Ex-Frau Franziska, dann meinen Sohn; sie sahen an mir vorbei zu Maja, die lächelnd der Umklammerung meiner Hand zu entkommen versuchte.

      »Du hast ja neulich am Telefon erzählt, dass du hier lesen würdest, und für uns ist es ja nicht so weit«, sagte Franziska ruhig, ihr Blick zwischen mir und meiner Begleitung pendelnd. Jetzt erinnerte ich mich, wir hatten telefoniert, ich war nicht ganz nüchtern gewesen.

      »Das ist Maja«, sagte ich beiläufig.

      Franziska und Maja gaben sich die Hände. Mein Sohn äußerte, es seien ja voll viel Leute da, und ich überlegte, ob es ein geeigneter Augenblick war, die Verwendung von voll als Gradpartikel in Frage zu stellen.

      Franziska zog einen Mann am Ärmel zu uns. »Das ist Simon«, sagte sie, »Simon – Jakob.«

      Simons Bart war grauer und voller als meiner, er war stämmiger als ich, sein Lächeln zeigte große, beeindruckende Zähne.

      »Ich bin schon gespannt, ich hab dein letztes Buch gern gelesen«, sagte er. Wenn das Franziskas neuer Lebensgefährte war, hatte er die richtigen ersten Worte gefunden.

      Von der anderen Seite tauchte eine Dame auf, nahm mich am Arm und zog mich sanft-beharrlich von meiner Gruppe weg.

      »Ich bin die Leiterin der Bücherei, ich organisiere das heute hier. Herzlich willkommen, Herr Horak!«

      Ich begrüßte sie und bedankte mich für ihre Mühe. Sie war in meinem Alter, ihre Haare kurz und rot gefärbt, ihre Brille farblich auf die Frisur abgestimmt, oder anders herum.

      »Es wird sehr voll werden heute«, sagte sie, und es klang so, als wäre das keine gute Nachricht. »Ich bin nicht sicher, ob die Stühle reichen werden.«

      »Besser zu voll als …«, setzte ich an, aber sie unterbrach mich sogleich: »In der Stadt tagt derzeit das Komitee für die Feierlichkeiten zum dreißigsten Jahrestag des Falls des Eisernen Vorhangs zwischen Österreich und Tschechien. Alle Damen und Herren der Arbeitsgruppe werden geschlossen Ihrer Lesung beiwohnen.«

      »Das ist …«, ich suchte nach dem richtigen Wort, »… einschüchternd.«

      »Ich habe für die Herrschaften Plätze in der ersten und zweiten Reihe reserviert, der Akustik wegen, einige sind schon etwas älter. Des Weiteren erwarten wir den Bürgermeister mit Familie und die Literaturbeauftragte des Landeskulturbüros. Ich habe außerdem gesehen, dass die Moruttis hier sind, Sie kennen das Schloss vielleicht?«

      »Sie meinen das Schloss in Feinitz, da wohnt jemand?«

      »Die Familie ist wieder eingezogen. Sie sind sehr … leutselig.«

      Eine schöne Sprache hatte die Bibliothekarin, fiel mir jetzt auf, nur leicht in den Dialekt getaucht, nicht hineingeplumpst und ganz darin ersoffen.

      »Wollen wir uns den Saal ansehen? Vielleicht möchten Sie noch das Mikrofon und die Leselampe für sich einstellen?«

      Sie führte mich in den Rathaussaal, ein langer, weiß getünchter Raum mit Steinboden, frei gelegten Holzbalken und modernem Lichtdesign. Ein Heer schwarzer Sessel vermittelte mir die Erwartungen und die Ernsthaftigkeit, mit denen man an diesem Ort meiner Lesung entgegensah. Auf einem Büchertisch rechts vom Eingang des Saals waren alle meine Romane aufgereiht, sogar mein dritter, der bei einem kleinen Schweizer Verlag erschienen war, nachdem ihn ein paar Dutzend größere Häuser abgelehnt hatten.

      »Wir freuen uns alle sehr auf Ihre Lesung«, sagte die Bibliothekarin, bevor sie mich auf die Bühne bat.

      Ich dachte: Seid ihr eigentlich noch bei Trost? Mein neuer Roman geht schleppend, schon der vorige lief nicht besonders, ich habe mein Publikum, das ich mit meinen frühen Romanen gewonnen habe, verspielt, ich war nie ein Fall für Stipendien und Preise, ich habe einen Allerweltsnamen, den sich niemand merkt, und ich nehme nicht am öffentlichen Diskurs in den sozialen Medien teil. Mein Agent ist ein Nebenerwerbsbauer im Burgenland, der mich innerlich längst aufgegeben hat, mein Verlag betrachtet mich als eine Art Altlast, und die Filmrechte für meinen Erstling werden jedes Jahr neu vergeben, ohne dass es je zu einer Verfilmung käme. Und jetzt lasst ihr mich hier vor einem Komitee von tschechischen und österreichischen Denkern aus Wissenschaft und Politik, vor dem Bürgermeister, der Kulturreferentin und dem Grafen aus dem Märchenschloss auftreten, als wäre ich die logische Wahl für den nächsten Nobelpreis!

      Auf der Bühne richtete ich das Mikrofon ein, verrückte die Leselampe um einen Zentimeter, dann sagte ich: »Alles perfekt. Nein, wirklich, perfekt. Nur eine Frage …«

      »Ja?«, sagte die Bibliothekarin freundlich.

      »Haben Sie mein Buch gelesen? Also das aktuelle?«

      »Natürlich!«

      »Hat es Ihnen gefallen?«

      »Ja, doch. Es ist ganz anders als Ihre ersten Bücher, aber das scheint ja jetzt Ihr Markenzeichen zu sein. Jeder Roman ganz anders als der davor.«

      »Wissen Sie, das geschieht nicht mit Absicht, ein Thema fliegt einem einfach irgendwie zu, und dann macht man sich an die Arbeit, erst später blickt man auf die Gesamtheit der Bücher, das Werk, haha, und sucht einen Zusammenhang, der aber vielleicht gar nicht vorhanden ist.«

      »Aber sicher ist er das. Es sind ja alles Ihre Geschichten. Ihre Worte.«

      »Ja, schon möglich … Aber glauben Sie, dass mein letztes Buch wirklich gut hier aufgehoben ist? Denken Sie, es wird den Leuten gefallen?«

      »Aber dies ist doch der letzte Termin Ihrer Lesetour, Sie müssen doch viele Eindrücke gesammelt haben, viele Reaktionen bekommen haben.«

      »Wissen Sie, jeder Ort ist anders, und heute kommen mir die Erwartungen so, wie soll ich sagen, hochgeschraubt vor, ich weiß nicht, ob ich dem entsprechen kann.«

      »Sie müssen doch nur vorlesen, Herr Horak. Lesen Sie, die Arbeit haben Sie doch längst gemacht.«

      Sie lachte, aber leichter fühlte ich mich nicht.

      Die Bibliothekarin brachte mich in einen Raum hinter der Bühne, wo sich eine Couch und ein Tisch mit Wasser und Wein befanden, außerdem, aus welchem Grunde auch immer, ein Buch mit Garfield-Cartoons. Sie ließ mich alleine, meinte, sie werde mich in zehn Minuten auf die Bühne bitten, und deutete im Gehen auf die Toilette. Ich dachte, danke, vielleicht würde ich mich wirklich übergeben müssen.

      Ich

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