Horak am Ende der Welt. Jan Kossdorff

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Horak am Ende der Welt - Jan Kossdorff

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Anwesenden zu sagen, kam aber wieder einmal mit den Namen durcheinander, worauf mich Maja mit den Worten »Und Vorhang!« beiseitenahm und kurzerhand in Richtung Bar abführte. Als wir mit zwei Bier zur Gruppe zurückkehrten, hatte sich mein Sentiment beruhigt und wir stiegen in die allgemeine Plauderei ein. Nach einiger Zeit verlautbarten Simon und Franziska, sie hätten vor, ein paar Tage in Heidenholz zu bleiben. Ich rief: »Großartig, wir bleiben auch!« Der junge Graf sagte, dann müssten wir auch zu ihnen aufs Schloss kommen, Karin hatte auch noch ein paar Ideen, was man unternehmen könnte, und so war innerhalb einiger Minuten ein Plan für das ganze Wochenende erstellt.

      »Bist du sicher, dass du das morgen auch noch willst?«, fragte mich Maja etwas später, und ich sagte: »Natürlich, wieso auch nicht?«

      »Weil die Pläne deiner Nächte das Bedauern deiner Tage sind.«

      Einen Moment schwieg ich, weil das so erschreckend zutreffend war. Dann sagte ich: »Niemand mag Autoren, die so hochgestochen reden, verhalte dich wie ein normaler Mensch!«

      Als wir das Pub um zwei Uhr Früh verließen, sangen wir den Song weiter, der zuletzt gespielt worden war, es war Heal the World, und wir hielten uns dabei an den Händen.

      3

      Ich erwachte im Bett mit Maja. Ihre Füße lagen neben meinem Kopf, sie hatte sich also in der Nacht umgedreht, was vermutlich bedeutete, ich hatte geschnarcht.

      Jemand klopfte an die Tür. Ich band mir meine Bettdecke um die Mitte, wankte durch das verdunkelte Zimmer und öffnete.

      Karin stand draußen und fragte, ob sie mich auch nicht geweckt hätte. Ich sagte, ich sei schon munter gewesen, aber meiner Hose noch nicht begegnet. Warum sah sie so frisch aus? Sie war eigentlich hübsch, hätte sie nicht den schrecklichen unsymmetrischen Kurzhaarschnitt mit der roten Tönung gehabt. Landfriseure waren Verbrecher.

      »Was gibt es denn?«, fragte ich.

      »Möchtest du das Haus deiner Großeltern sehen?«

      Seit gestern gegen ein Uhr dreißig sagten wir Du zueinander.

      »Jetzt gleich?«

      »Der Vermieter hätte gerade Zeit, er muss später nach Wien. Es ist ja jetzt ein Ferienhaus und es ist frei. Ich glaube, er will es dir umsonst geben.«

      Ich sah ins Zimmer hinein, wie es um Maja stand: Sie schlief immer noch, auf dem Bauch liegend, das Kissen über ihrem Kopf.

      »Ich bin in zehn Minuten unten«, sagte ich.

      Ich nahm ein Kopfwehmittel, trank einen halben Liter Wasser aus der Flasche, putzte mir die Zähne und schlüpfte in mein Tennisdress. Ich hatte es gekauft, weil Maja und ich beschlossen hatten, sportlich zu werden, wozu es während unserer Reise aber noch nicht gekommen war. Als ich unten in meinen kurzen weißen Shorts und dem weißen Poloshirt erschien, sah mich Karin an, hob interessiert eine Augenbraue und sagte: »Hübsche Wadeln …«

      Bevor ich erklären konnte, dass ich nur eine beschränkte Sommergarderobe dabeihatte, ging sie schon los und erzählte mir von dem Haus:

      »Als es deine Großeltern verkauft haben, wurde es nur noch für ein paar Wochen im Sommer genutzt. Der jetzige Besitzer hat es dann renoviert und als Ferienhaus adaptiert. Es steht ziemlich gut da!«

      Wir kamen am Gasthaus vorbei. Der Schanigarten war offen, Gäste frühstückten in der Sonne. Ich erkannte ein paar Gesichter vom Abend davor und grüßte.

      »Die freuen sich, dich zu sehen«, sagte Karin, »du bist gut angekommen gestern.«

      »Na ja, sie rechnen mit einem Sonderling, weil ihnen Schreiben als Beruf sonderlich vorkommt, und dann kriegen sie einen ganz normalen Kerl.«

      »Es ist ja auch ein ungewöhnlicher Beruf, wie viele können denn vom Schreiben leben …«

      »Die meisten Schriftsteller leben dafür, nicht davon

      Karin lächelte und sagte: »Das hast du bestimmt schon oft gesagt.«

      Ich zwinkerte ihr zu, dann sah ich das Haus am Ende der Straße, bevor der Wald begann.

      »Da ist es. Da ist es wirklich!«

      »Ich sage ja, eine zu früh abgebogen.«

      Wir folgten der Straße – jene, die tatsächlich Richtung Grenze führte – bis zum Haus meiner Großeltern. Es sah von außen nahezu unverändert aus, nur schöner, neu hellgrün gestrichen, der Garten gepflegt. Ich öffnete die kleine Tür im Holzzaun und betrat den Vorgarten. Über der aufgearbeiteten Holztür war ein kleines, weiß gestrichenes Kupferdach, neben der Tür zwei Säulen mit Blumentöpfen – genau wie vor dreißig Jahren. Auf einem Kiesbett im Vorgarten standen ein alter Holztisch und zwei Stühle, auf dem Boden Töpfe mit Basilikum und Thymian. Die Sonne schien auf die Hausfront, die runden Fenster und das nach der Renovierung bereits wieder Moos ansetzende Dach, und ich stand ganz still und lauschte, ob die Geräuschkulisse noch dieselbe war wie früher. »Der Bach«, sagte ich, »man hört sogar noch den Bach!«

      Karin winkte einem Mann zu, der gerade aus seinem Geländewagen stieg, den er an der Straße gegenüber geparkt hatte.

      Er kam zu uns herüber und schüttelte mir die Hand. Er war etwa so alt wie ich und kam mir bekannt vor. Er war drahtig, seine Schläfen begannen grau zu werden, seine Nase war scharf geschnitten.

      »Wolf, weißt noch? Meine Eltern haben den Laden im Ort geführt.«

      Jetzt fiel es mir ein, er war der Ladenbursche, der vormittags immer beim Einschlichten der Lebensmittel geholfen hatte und manchmal, da waren wir schon älter, ein paar Bier und eine Neue Revue oder ein anderes Schmuddelheftchen aus dem Geschäft abzweigte.

      »Oh Gott, natürlich erinnere ich mich an dich«, sagte ich, und fast hätte ich ihn für die Freigiebigkeit seiner Jugend umarmt.

      »Ihr bleibt eine Weile?«, fragte er.

      »Ein paar Tage, dachten wir.«

      »So lange könnt ihr gern hier wohnen, war ja mal dein Haus. Übernimmst dann nur die Reinigung.«

      Ich sagte: »Nein, das geht nicht, das ist verrückt. Ich erklär dir, wie das geht, du musst mich wie einen alten Freund behandeln, auf einen Kaffee einladen, aber nach dem Urlaub eine gesalzene Rechnung schicken, auch über den Kaffee. Das macht man so im Gastgewerbe, ich kenn mich da aus.«

      »Siehst, ich weiß so was gar nicht, ich mach das ja nur als Hobby. Komm, ich zeig dir das Haus, wie’s jetzt ist.«

      Wir bückten uns und betraten das Vorzimmer durch die niedrige Tür. Er führte mich durch die Räume: die Stube, das kleine Schlafzimmer, das Bad, dann kletterten wir über die schmale Stiege in den zweiten Stock. Die meisten alten Holzmöbel hatte er behalten und aufgearbeitet, Küche und Bad, Böden und Fenster waren neu. Er wies mich auf Materialien hin, sprach über die Dämmung, die Heizung, Herausforderungen bei der Renovierung.

      Ich erzählte, wie einfach alles gewesen war, wie es gerochen hatte. Wolf nickte bloß und verschränkte die Arme, und da begriff ich, dass er das alles ja gekannt hatte und wusste, wie es früher gewesen war, aber einfach völlig ohne Nostalgie auf die Zustände von früher zurücksah.

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