Horak am Ende der Welt. Jan Kossdorff

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Horak am Ende der Welt - Jan Kossdorff

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Übereinkunft wieder heraus.

      »Ich werde darüber schlafen«, sagte ich, »vielleicht lasse ich mich ja überzeugen.«

      »Hätten Sie denn schon eine Idee, wie Sie es anlegen würden?«, fragte Nemec, worauf Janisch rief, »Geduld, Jaromir!«, um sich dann entschuldigend an mich zu wenden: »Er glaubt, Literatur zieht man fertig aus der Lade und klebt nur einen Preiszettel drauf, verzeihen Sie.«

      Bibliothe-Karin flüsterte mir ins Ohr: »Falls Sie morgen mit Janisch in die Heide gehen, lassen Sie sich erzählen, wie er Anfang der Neunziger mit Salman Rushdie im Waldviertel auf Fahrradtour war, Sie werden niederbrechen vor Lachen.«

      Als ich das Wirtshaus betrat, das seit meinen Jugendjahren renoviert und radikal entmieft worden war, bemerkte ich sofort den winkenden Simon, der »Meister!« rief und mich zu dem Tisch weit hinten im Lokal lotste, an dem er mit Maja, Franzi und meinem Sohn saß. Er war zweifellos ein Mann der großen Gesten und des Überschwangs, Eigenschaften, die er jedenfalls nicht mit mir gemein hatte, und die Franziska gewiss als interessanten Kontrast zu mir erlebte, falls sie überhaupt noch andere Männer mit mir verglich, oder das je getan hatte.

      Ich grüßte in die Runde und setzte mich neben Maja, während ich zugleich ein Bier bestellte. Von den Nachbartischen wurde ich mit neugierigen Blicken bedacht, von der großen Tafel beim Kamin winkte mir ein graubärtiges Runzelgesicht zu, das ich zuerst für den Bürgermeister hielt, kurz darauf aber als den Alten identifizierte, der neben Maja und mir im Pub Whisky getrunken hatte, was nicht bedeuten musste, dass er nicht doch der Bürgermeister war. Ich winkte zurück.

      »Wo warst du so lange?«, fragte Maja leise und mit einem angespannten Unterton.

      »Ich habe Bücher signiert, eine Großcousine getroffen, und dann wurde ich gebeten, ein literarisches Statement zum Fall des Eisernen Vorhangs zu verfassen.«

      »So spontan und im Stehen?«

      »Nein, ich glaube, ich habe etwas Zeit dafür.«

      »Es ist nur«, flüsterte sie, »weil wir nämlich seit einer Stunde hier sitzen, und das Gespräch nicht eben wie geschmiert läuft, was angesichts unseres Bekanntschaftsverhältnisses ja auch nicht weiter überrascht.«

      »Maja ist übrigens auch Autorin«, sagte ich in die Runde, um das Gespräch in Gang zu bringen, »sie hat schon einen Preis gewonnen!«

      »Ach, wirklich, was für einen Preis?«, fragte Franziska.

      Maja sah mich kurz etwas unglücklich an, dann sagte sie aber tapfer und erhobenen Hauptes: »Den 1. Preis bei der Nacht der schlechten Texte

      Es entstand ein Moment der Stille.

      »Das ist ein ernsthafter Preis!«, erklärte ich, und Maja erwiderte gedämpft: »Warum sollten wir auch sonst darüber reden?«

      Maja begann, das Konzept des Literaturpreises zu erläutern, und alle hörten ihr aufmerksam zu, sogar mein Sohn David. Kunst interessierte ihn, vor allem Musik, aber auch Literatur und Film. Wie er da neben seiner Mutter saß, mit seinen etwas längeren Haaren, der fast abgeheilten Akne und der dicken Brille, die ohne sein Zutun im Laufe der letzten Jahre cool geworden war, konnte ich mühelos alles Mögliche in ihm sehen, den Indie-Rock-Musiker, den Autor schräger Short-Storys, den besessenen Filmemacher, aber bei herabgeschraubter Erwartungshaltung auch den Redaktionsassistenten in einem Fernsehsender oder Junior-Texter einer Werbeagentur. Seine Lehrer sahen leider fast nur den Faulpelz und Leistungsverweigerer in ihm, aber bei mir war es mit siebzehn nicht anders gewesen, kein Stück.

      Franziska wirkte Maja gegenüber ganz unvoreingenommen, und ich glaube, es kümmerte sie nicht sonderlich, ob sie vielleicht zu jung für mich war. Ich hätte ihr auch erzählen können, ich lebte nun mit einem Koalabären und dem Geist von Harald Juhnke zusammen, und sie hätte nur gelächelt und gesagt: Schön, wenn du glücklich bist, und vergiss nicht auf Davids Geburtstag! In den vier Jahren seit unserer Trennung war sie zufriedener, autonomer und selbstbewusster geworden, als sie es mit mir je hatte sein können, während ich alle Stadien der Orientierungslosigkeit und emotionalen Unsicherheit durchlaufen hatte, die für solche Anlässe vorgesehen waren. Heute führte sie einen Bio-Lebensmittelladen in Linz und fuhr das Saab-Cabrio, das ich ihr einst versprochen, aber nie geschenkt hatte, und ich … na ja, ich war ein Stück Arbeit.

      Nachdem wir das Essen bestellt hatten, begann Simon wieder von dem Mönch aus meinem Roman zu schwärmen: »Eine richtige Kultfigur hast du da geschaffen.«

      »Danke schön, aber er beruht ja auf einem realen Menschen.«

      »Weißt du denn, wer er war?«, fragte Simon fasziniert.

      »Ich kenne seinen Namen nicht, aber ich konnte aufgrund seiner Aufzeichnungen darauf schließen, in welchem Kloster er gelebt hat.«

      Simon fragte mich nach dem Tagebuch, und ich erzählte, wie ich es auf einem Flohmarkt in Graz entdeckt hatte und wie fasziniert ich von der Lektüre gewesen war.

      »Hast du in dem Kloster recherchiert?«, fragte Simon.

      »Nein, ich wollte die Geschichte nicht mit noch mehr Realität zuspachteln, ich habe eher versucht, Fiktion zu untermischen.«

      Das Essen kam, und das Gespräch begann sich unzusammenhängend um Beruf und Biografie zu drehen. Simon war Apotheker, und er führte den Traditionsbetrieb seiner Familie inzwischen in sechster Generation, allerdings, sagte er, zog er alles ein bisschen anders und unkonventioneller auf. Er war geschieden und hatte zwei erwachsene Kinder.

      Während des Gesprächs schlich sich Bibliothe-Karin an mich heran und bat mich, nach dem Essen doch für einen Moment zu ihr an den Tisch zu kommen, wo der »Graf« und seine Schwester säßen und darauf hofften, mich kennenzulernen.

      Ich dachte mir, bringe es gleich hinter dich, und wechselte mit meinem Teller mit Schokoladepalatschinken den Tisch. Der Graf war etwa Anfang dreißig, trug einen modischen Vollbart, Jeans und einen Trachtenjanker, und erschien mir wie ein vifer Bursche, jedenfalls gänzlich ohne Standesdünkel. Seine Schwester war etwas jünger, hübsch gelangweilt, und paffte uns mit ihrer E-Zigarette ein.

      Der Graf stellte sich mir als Tassilo vor. Er beglückwünschte mich zu meiner Lesung, und sprach von seiner Hoffnung, dass sich etwas mehr Kultur in die Region verirre. Dann stellte er fest, eine Passage des Buchs habe ihn an Philippe Djian erinnert, was mich positiv verblüffte. Ich plapperte los, dass mir bei der Liebesbeziehung zwischen dem Mönch und der labilen Supermarktverkäuferin tatsächlich hin und wieder das Paar aus Betty Blue vor Augen gestanden hatte und Tassilo unbedingt die Abschnitte in der Originalversion lesen musste, die nicht für Provinzlesungen entschärft worden war (ich formulierte es etwas anders).

      Um elf Uhr schloss das Wirtshaus, und wir wechselten ins Pub die Straße hinunter. Wir waren zu acht: meine Ex-Frau und ihr Simon, Bibliothe-Karin mit Mann, der Graf und sein Schwesterchen, Maja und ich. David war bereits ins Hotel zurückgegangen.

      Ich bestellte eine Runde Averna Sour, die ich von dem Honorar für die Lesung aus der Hosentasche bezahlte. Bibliothe-Karin hatte mir das Geld im Nebenzimmer des Wirtshauses gegeben und gesagt: »Ich heiße übrigens Silvia.«

      Ich hatte geantwortet: »Ich fürchte, Karin, dafür ist es jetzt zu spät …«

      Ich hielt – inzwischen relativ angetrunken – eine kleine Ansprache über das Ende meiner Lesetour, die Rückkehr ins Dorf meiner Jugend, meine Ex-Frau, die eine neue Liebe gefunden hatte, meinen Sohn, dem ich wünschte, mehr von seiner Mutter

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