Horak am Ende der Welt. Jan Kossdorff

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Horak am Ende der Welt - Jan Kossdorff

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den Halbkreis des Fensters nachzeichnete, und sagte: »Ich glaub, das ist ein guter Platz zum Schreiben, vielleicht fällt dir ja was ein.«

      Karin fragte ganz unbekümmert: »Trinken wir einen Schnaps?«

      Wolf nickte, als wäre diese Anregung längst überfällig gewesen, öffnete die Tür einer Anrichte und nahm eine Flasche Obstler und Gläser heraus. Ich sagte, dass ich noch gar kein Frühstück gehabt hatte, er goss ungerührt ein, wir prosteten an und tranken ohne abzusetzen.

      »Gut ist der«, sagte ich, und alles wurde unscharf.

      Wolf gab mir den Schlüssel, dann schlug er vor: »Ich bin ab morgen wieder in Heidenholz, wir können ja mal die Burschen zusammenrufen und ein paar Bier trinken.«

      »Unbedingt!«, rief ich. Dann fiel mir noch etwas ein: »Was ist denn eigentlich aus Marianne geworden?«

      »Marianne? Sie lebt schon lange nicht mehr hier. Sie ist jetzt in Reintal, das ist fünf Kilometer von hier.«

      »Das wäre zur Not ja noch zu erreichen.«

      Als Wolf abgefahren war, setzten Karin und ich uns auf die Stühle im Vorgarten, streckten die Beine aus und lauschten auf die Geräusche dieses Sonntags, das Summen der Insekten, das Rauschen des Bachs, das Knistern der Speichen der Fahrradtouristen.

      »Dass er mir das Haus einfach so gibt …«, sinnierte ich, während langsam meine Sehkraft zurückkehrte.

      »Ihm gehören noch ein paar Häuser in der Gegend, und angeblich hat er viel Geld mit Bitcoins gemacht«, sagte Karin.

      »Mit Bitcoins?«, fragte ich.

      »Hab ich gehört …«

      »Ich hab 2011 das Honorar für eine Lesung in Bitcoins bekommen.«

      »Die wären jetzt aber viel wert.«

      »Ich hab keine Ahnung, wo ich sie hab!« Eine Weile schwiegen wir, dann sagte ich: »Ich hätte Lust, in den Bach zu pinkeln, wie früher.«

      Karin zuckte die Schultern. »Schau halt, ob die Nachbarskinder nicht grad drin spielen.«

      Später spazierten wir zurück ins Stadtzentrum. Karin erzählte mir von der Lesung, die eine Woche davor stattgefunden hatte, und dass weniger los gewesen sei. Ich freute mich ein wenig, weil genau dieser Autor bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Buchhändlerin nach Hause gegangen war, auf die ich selbst ein Auge geworfen hatte (das war noch vor Maja gewesen). Die Sache dürfte aber nicht gut für ihn ausgegangen sein, eine Woche später waren seine Bücher aus ihrer Auslage verschwunden.

      Als uns der kleine Grenzforscher Janisch von gestern Abend entgegenkam, vertieft in eine Unterhaltung mit einem anderen Mann, griff ich nach Karins Arm, zog sie in eine Seitengasse und sagte, ich wolle einmal einen anderen Weg probieren.

      Als ich wieder das Hotelzimmer betrat, war es kurz nach zehn. Ich setzte mich zu Maja ans Bett. »Wir haben das Frühstück verpasst«, sagte ich.

      »Wir haben auf dieser Reise jedes Frühstück verpasst.«

      »Nicht das in Reichenau.«

      »Aber da gab es keine Brötchen mehr!«, rief sie, immer noch verbittert deswegen.

      Sie rieb sich die Augen, zerrte an ihren Haaren, streckte sich, zog die Knie an die Brust und schloss wieder die Augen.

      »Holst du mir einen Himbeersaft mit Bläschen?«, sagte sie mit träumerischem Lächeln.

      Ich seufzte. »Und wenn sie kein Kracherl haben?«

      »Einen Almdudler. Aber bitte mach, dass sie ein Kracherl haben.«

      Am Morgen nach unserer ersten gemeinsamen Nacht wollte sie auch ein Kracherl haben. Ich lief im Regen durch den südburgenländischen Ort, in dem ich mein Schreibseminar abhielt, und klapperte die zwei Gasthäuser und die Tankstelle auf der Suche nach Himbeersoda ab.

      Meine erste Begegnung mit Maja: Ich stand an der Bushaltestelle von Hasendorf, es war Ende Oktober vor eineinhalb Jahren, und ich erwartete die ersten drei von insgesamt sechs Seminarteilnehmern. Ich hatte alle, die sich mit einer Arbeitsprobe beworben hatten, angenommen, denn ich war abgebrannt und brauchte ihre Seminargebühren, um zwei Kronen im Mund und ein paar Termine beim Osteopathen bezahlen zu können. Aber die Texte von Maja, die gefielen mir, sie waren böse und ungezwungen, und ich war neugierig auf die Frau.

      Sie stieg aus dem Bus, groß und dünn, enge grün-schwarz gestreifte Röhrenhosen, ein Wollschal, den sie zehnmal um ihren Hals geschlungen hatte, die blonden Haare verwuschelt, überladen mit Rucksack, Reisetasche und Laptopbeutel. Sie knallte die Tasche auf den Boden, ließ sich darauf nieder und zündete sich eine Zigarette an, während sie mit ihren hellblauen Augen wenig begeistert die Atmosphäre von Hasendorf einsog. Damals wusste ich noch nicht, dass die Provinz unser Schicksal war, dass wir am Dorf am glücklichsten waren und in der Stadt einfach nicht miteinander klarkamen.

      Ich stellte mich vor ihr auf, fragte: »Maja?«

      Sie sah zu mir hoch, blinzelte, reichte mir die Hand.

      Ich sagte: »Herzlich willkommen in der Literaturgemeinde Hasendorf!«

      Sie sah mich an, als sei das ein Witz, und das war es ja auch.

      »Bin ich die Einzige hier, und es kommt auch niemand mehr, und du brauchst bloß jemanden für deinen Bauernhof?«

      »Ich rechne mit fünf weiteren Literaturnarren, und wir werden an diesem Wochenende viel über das Schreiben, uns selbst, und ein Leben ohne Pizzalieferanten lernen.«

      »Na, mal sehen«, sagte sie und hievte sich hoch.

      »Bist du aus Bayern?«, fragte ich.

      »Saarland«, sagte sie.

      »Aha«, sagte ich, denn dazu fiel mir nichts ein.

      »Wieso findet das eigentlich hier statt und nicht in Wien, wo du ja auch wohnst, wenn das Internet da nicht lügt …?«, fragte sie.

      Die Antwort auf Majas Frage war: Mein Freund Manfred, der auch mein Agent war, stellte mir den Seminarraum seines Hofs zur Verfügung, und so günstig und komfortabel war so etwas in Wien natürlich nicht zu bekommen. Plus wir bekamen eine nette Förderung vom Land Burgenland.

      Stattdessen sagte ich: »Der Hasendorf-Spirit. Wegen dem. Komm, ich zeig dir das Rückhaltebecken. Ist jetzt aber leer.«

      »Sollten wir nicht noch auf die anderen warten?«

      Jetzt fiel mir auf, dass noch zwei weitere Menschen unentschlossen auf der Verkehrsinsel standen, ein junger Mann in Lederjacke und eine Frau Mitte fünfzig, die einen Poncho trug. Ich fragte sie, ob sie zu mir gehörten, und schließlich stiegen wir zu viert in meinen Volvo und fuhren die achthundert Meter zum Hof meines Freundes.

      Am ersten Abend unseres Seminars saßen wir zusammen in Manfreds riesiger Bauernstube, und er kochte für alle. Nach dem Essen tranken wir Rotwein und plauderten, und erst gegen Mitternacht verabschiedeten sich die Leute, um zur Pension zu marschieren, die zehn Minuten entfernt war und in der außer meinen Schülern nur ungarische Motorradtouristen übernachteten. Alle gingen, bis auf Maja. Sie blieb bei uns sitzen, die

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