.

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу - страница 4

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
 -

Скачать книгу

Morgen vielleicht schon nicht mehr. Wir sind für unser Schicksal ganz allein verantwortlich. Sterne sehen wirklich toll aus, wenn man sie in der Stadt auch kaum je sieht. Dafür auf dem Land umso deutlicher. Aber am Ende mache ich mir da nichts vor. Sie können mir im Alltag nicht helfen. Den muss ich schon ganz alleine wuppen. Noch dazu ohne Putzhilfe. Ja, ich weiß, das habe ich selbst zu verantworten. Die Sterne jedenfalls haben außer schön auszusehen für mich tatsächlich keinen weiteren Nutzen. Und ob schön auszusehen als Nutzen ausreicht, sei hier auch mal dahin gestellt.

      Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Mein Mann, also. Mit deutschen Männern habe ich nie so recht etwas anfangen können. (Verzeihung, deutsche Männer!) Sie sind mir einfach immer entweder ein Stück zu selbstgefällig oder zu ungehobelt. Daher habe ich mir dann diesen Engländer ausgesucht. Er entspricht so ziemlich allen Klischees, die einem bei einem Engländer einfallen könnten. Er ist höflich, reserviert, sagt kaum je etwas, wenn er nicht angesprochen wird, er steht vorbildlich Schlange, weil er auch darüberhinaus noch sehr geduldig ist, nur für den britischen Humor hat es bei ihm nicht ausgereicht mit dem Britisch sein. Das mag an seiner ernsten Kindheit liegen. Er war das jüngste von zehn Kindern einer Bauernfamilie mit eher bescheidenem Auskommen. Als er noch ein kleiner Junge war, hat seine Mutter ihm die Ohren mit Hansaplast an den Kopf geklebt, wegen der Segelohren. Es hat aber nichts genutzt. Georges Ohren stehen noch immer in aller Schönheit ab.

      Meine Schwiegereltern starben lange, bevor ich ihre Bekanntschaft hätte machen können. Das finde ich aus erwähntem Grund gar nicht so bedauerlich. Welche Mutter klebt Segelohren an einen Kinderkopf?

      Mein Mann war immer so hervorragend in der Schule, dass er sich von Stipendium zu Stipendium hangeln konnte und schließlich sogar in Oxford studierte, mit einem Gastsemester in Heidelberg, wo wir uns auf einer Party bei Freunden kennenlernten und wo aus seinem Gastsemester zwei wurden und er hier schließlich sein Studium abschloss.

      Seine Leidenschaft bin jedoch nicht ich. Sondern ein Stern, oder besser ein Komet. Der C/2006 P1 McNaught. Entdeckt hat diesen Kometen ein Australier, der hieß natürlich McNaught, das habe sogar ich kapiert. Geht man das Risiko ein, George auf dieses Himmelsphänomen anzusprechen, kann man sich auf einen Vortrag gefasst machen, bei dem seine Augen leuchten und der sich in die Länge zieht, wie der gekrümmte Staubschweif des Kometen, der meinen Mann 2007 komplett in seinen Bann zog. So sehr, wie ich es nie vermochte. Ehrlich gesagt aber auch nie vorhatte. Dazu hat aber auch noch etwas anderes beigetragen. Ein weiteres Phänomen. Aber davon später, sonst verfranse ich mich.

      Mir liegt ein ruhiges Leben. Die Kinder fordern mich schon genug. Nicht meine Kinder. Eigene haben wir nicht. Die Blagen in der Schule meine ich. Ich bin Lehrerin. Für Deutsch, Englisch und Kunst.

      Mein Mann ist sympathisch, er ist freundlich. Aber eigentlich weiß ich manchmal gar nicht so genau, was ihn bewegt. Ich meine, abgesehen von seiner Leidenschaft für das Funkeln da oben. Ich kenne seinen Namen. Ich weiß, wo er herkommt. Er hat mir das Kaff seiner Kindheit mal während des Studiums gezeigt. In England heißt auf dem Land ja noch etwas. Da gibt es auf dem Land wirklich nichts als Land. Die nächste Stadt ist mehrere Stunden entfernt.

      Ich weiß auch, was er gerne isst. Und was er gar nicht mag. Ich denke auch, dass er mir zugetan ist. Wir kommen wunderbar miteinander aus. Streit gibt es zwischen uns nie. Nein, wirklich nicht. Nie! Langweilig? Überhaupt nicht. Ich glaube nicht daran, dass Streit zu einer Beziehung gehört. Es erhöht die Spannung, sagt meine Kollegin Judith. Reibung sei nun mal nötig, damit Funken fliegen. Das mag ja sein, aber was, wenn ich überhaupt keine Spannung will? Spannung kostet doch Energie. Und als Lehrerin brauche ich all meine Energie für die Arbeit. Und mein Mann braucht ohnehin alles, was ihm an Energie nach der Arbeit übrig bleibt, für seine Sternen-Guckerei, von unserer Dachterrasse aus, die er sich eigens dafür zugelegt und mit einem Teleskop ausgestattet hat. Selbst ich finde es im übrigen einigermaßen beeindruckend, dass das erste Teleskop bereits im 16. Jahrhundert entwickelt worden ist und dass es heute sogar im Weltall eines gibt – Hubble, nach seinem Erfinder benannt.

      Weil das Sternengucken mit einem passenden Teleskop natürlich viel mehr Freude macht, so etwas aber teuer ist und ja auch immer wieder nachgerüstet werden muss, hat mir mein Mann noch nie Schmuck geschenkt. Aber was will ich auch mit dem ganzen Tand? Ich will ja schließlich nicht das ganze Jahr behängt wie ein Weihnachtsbaum herumlaufen. In der Schule wäre das ohnehin nicht angebracht.

      Kapitel 3

      Die erste Putzhilfe, an die ich mich erinnere, ist die meiner Oma mütterlicherseits. Wenn meine Geschwister und ich übers Wochenende bei meiner Oma waren, wurden wir montags früh vom ziegenartigen Tremolo der Putzhilfe geweckt. Sie hieß Frau Pfeiffer, war groß und hager und führte, dirigiert von meiner Oma, ein strenges Putzregiment. Ursprünglich stammte sie aus Stuttgart, war aber ihrem Mann zuliebe ins Rheinland emigriert.

      Alles roch mit einem Mal frisch nach Citrus und glänzte und über allem kreischte die Stimme von Frau Pfeiffer. Sie war flink und energisch und ich glaube, sie mochte Kinder sehr, auch wenn sie es nicht so recht zeigen konnte und selbst keine hatte. Auf ruppige Weise freute sie sich immer uns zu sehen. Trotzdem mussten wir drei Kinder immer in den Keller, wenn geputzt wurde. Dort lag die Waschküche. Mein großer Bruder Benedikt wurde mit Töpfen versorgt und hatte so sein improvisiertes Schlagzeug. Meine jüngere Schwester Claudia und ich durften bügeln. Claudia auf dem Minibrett, das zum Hemdsärmel bügeln diente und ich mit einem Bänkchen auf dem großen Bügelbrett. Das machte mir viel Spaß und war vermutlich mein Schlüsselerlebnis in Sachen instant gratification. Bis heute gibt es für mich kaum etwas Entspannenderes als zu bügeln. Ich möchte mich ungern als die Queen unter den Büglerinnen bezeichnen, aber ich bin es wohl!

      Wenn früher bei meiner Oma alles fertig geputzt war, durften wir aus dem Keller nach oben kommen und es gab Mittagessen. Frau Pfeiffer aß mit uns. Und zwar so schnell, dass sie immer schon lange vor uns fertig war mit dem Essen. Ich habe sie dann einmal gefragt, warum sie so schnell essen würde und sie antwortete: „Wie ma esset, so schaffet ma“. Sie arbeitete tatsächlich rasend schnell.

      Gleichzeitig nahm sie alles sehr genau. Wenn der Teppich unter dem schwarzen Flügel meiner Großeltern eine Welle schlug, schob sie die Schulter unter das wuchtige Instrument, stemmte es mal eben nach oben und zog den Teppich mit einem Fuß gerade. Wann immer ich das zu Gesicht bekam, war ich fast ohnmächtig vor Bewunderung. Sie war dermaßen hager und trotzdem hatte sie so viel Kraft.

      Die brauchte sie auch, denn ihr Leben ging nicht gerade zart mit ihr um. Sie war kaum fünfzig gewesen, da kam ihr Mann bei einem Motorradunfall ums Leben.

      Mein Opa hat uns immer wieder die Geschichte erzählt, wie Oma ihn zum Kondolieren zu Frau Pfeiffer geschickt hat. Frau Pfeiffer bewohnte eine Ein-Zimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus. Sie hatte einen grüngelben Wellensittich, der frei herumfliegen durfte.

      Mein Großvater stand in diesem Zimmer und wollte Frau Pfeiffer sein Beileid aussprechen, da landete der Wellensittich auf seinem Kopf. Es schien meinem Opa unmöglich, dem Ernst der Lage gerecht zu werden, während auf seinem Kopf ein Vogel saß. An dieser Stelle prustete ich als kleines Mädchen immer heraus. Das Bild in meinem Kopf war wirklich zu absurd. Es schien mir beinahe zu albern um wahr zu sein. Scheint es mir heute noch. Wäre die Geschichte nicht so ernst, hätte ich meinem Großvater unterstellt, er hätte sie erfunden.

      Mein Opa fand das Ganze erst einmal gar nicht lustig und dachte krampfhaft darüber nach, was er tun könnte, um die Situation zu retten. Also machte er eine formvollendete Verbeugung vor Frau Pfeiffer, in der Hoffnung, der Vogel würde dann auffliegen. Aber der Wellensittich ergriff die Gunst des Augenblicks, lief den Hinterkopf meines Großvaters hinunter bis in den Nacken, so dass mein Opa sich nun nicht mehr traute, sich wieder aufzurichten. Da kam ihm Frau Pfeiffer zur Hilfe. Sie scheuchte den Vogel mit der Hand und einem vorwurfsvollen „Piet, was soll der Unsinn?“, fort.

Скачать книгу