Die Putzfrauen meiner Mutter. Katja Pelzer

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Die Putzfrauen meiner Mutter - Katja Pelzer

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wie leid ihm der Verlust ihres Ehemanns tat. Frau Pfeiffer vergaß daraufhin einmal für kurze Zeit ihre sonst recht ruppige Art und dankte ihm mit feuchten Augen und von Herzen für sein Kommen. Damals wurde dann ein Schnaps zusammen gekippt. In diesem Fall kippte jeder zwei. Was der Geschichte möglicherweise im Nachhinein noch ein wenig mehr Farbe verliehen hat, als sie nüchtern betrachtet gehabt hätte.

      Kapitel 4

      „Sonnenhurrikans“, sagt mein Mann, als er am sonntäglichen Frühstückstisch von seiner Zeitung aufblickt. Er lässt das Wort ein wenig wirken, bevor er weiterspricht. Dabei schaut er mich gleichzeitig abwesend und suchend an, als wollte er in meinem Gesicht lesen. Ich denke, dass gleich wieder ein Monolog kommt. Ich denke, jetzt hebt er wieder ab. Richtung Weltall. Und da will ich nicht mit. Kann nicht und will nicht. Dabei war ich ein Star Wars Fan der ersten Stunde. Ich war sechsmal im allerersten Film, der ja mittlerweile nicht mehr der erste Teil ist, aber egal. Ich habe ihn damals im Kino gesehen. Sechsmal. Da war ich Zehn. Luke Skywalker war der Grund. Ich war verliebt in ihn. Ich habe mit ihm gelitten und hätte ihn so gerne gerettet. Damals hatte ich noch jede Menge Kapazität für Schwärmerei und große Gefühle. Das ist jetzt vorbei. Total vorbei. Deswegen schaue ich George nur fragend an, ohne dass sich in meinem Inneren auch nur der leiseste Hauch von Neugierde regt. Was soll mich das tangieren, wenn es auf der Sonne einen Hurrikan gibt? Die Sonne ist ein Stern, so viel weiß ich. Das hat mein Mann mir mal erklärt. Und damals hat es mich zugegebenermaßen zumindest überrascht. Aber Sterne haben mit meinem Alltag nichts zu tun. Das erwähnte ich ja bereits. George holt Luft. Das bedeutet, dass er geistig Anlauf nimmt, für umfangreichere Ausführungen. „Alle Zweitausend Jahre bekommen wir hier auf der Erde so einen Sonnenhurrikan zu spüren“, beginnt er seinen Exkurs. „Aha“, sage ich. Alle Zweitausend Jahre also. Mannomann. Das betrifft mich ja nun vermutlich eher nicht. Oder?

      „Das hat dann dramatische Ausmaße“, sagt George. „Aha“, sage ich noch mal, betrachte erst kritisch meine Fingernägel und dann ein wenig sehnsüchtig das Buch, das ich gerade lese.

      „Wegen der Strahlung und der vielen geladenen Teilchen, die in Lichtgeschwindigkeit auf die Erde treffen.“ Ich schaue auf. Lichtgeschwindigkeit, die kenne ich noch aus Star Wars. Der Millenium Falcon mit Han Solo am Steuerknüppel hat sie immer nur mühsam und auf den letzten Drücker erreicht. Rückblickend würde ich wahrscheinlich Han Solo Luke Skywalker vorziehen. Dabei ist der Darsteller von Luke, Mark Hamill, ein echt netter Typ. Er hat nicht mal das ganze Drehbuch lesen dürfen, bevor er zum Casting ging. Als er es dann lesen durfte, war er komplett verwirrt. Da soll auf der ersten Seite gestanden haben „Dies sind die Abenteuer des Luke Starkiller, so wie sie im Tagebuch der Whills geschrieben stehen.“ Das hat Mark Hamill in einem Interview erzählt. Natürlich alles auf Englisch. Er hätte lieber Darth Vader gespielt, sagte er außerdem. Das wäre allerdings Verschwendung gewesen. Mark Hamill war mal ein echt Hübscher. Und er hat Humor, der Mann. Er nennt sich selbst einen Nerd, weil er immer Dracula imitiert und Comics gelesen hat. Was ich sympathisch finde. Aber egal. Ich bin ja nun mit George verheiratet und der redet unaufhörlich weiter von seinem Sonnenhurrikan. „Wo der Hurrikan auf die Erde prallt, setzt er das Stromnetz außer Kraft.“ Das klingt nicht gut, finde ich jetzt auch. „Wieso?“, frage ich, möglichst desinteressiert. „Die Spannung in den Stromleitungen würde durch den geomagnetischen Sturm zu Spitzenwerten angetrieben. Die Transformatoren würden samt und sonders durchbrennen. Satelliten, Navigationssysteme, Mobilfunk, alles würde mindestens gestört oder sogar zerstört.“

      Das klang auch nicht besser, aber ohne Navi und Mobilfunk käme ich gut klar. Auf Satelliten pfeife ich ohnehin.

      Ich entspanne mich wieder. George ist einfach in anderen Sphären unterwegs.

      „Tja, da kann man wohl nur abwarten und Tee trinken und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht, nicht wahr“, das sage ich nur, um zu signalisieren, dass ich meinem Mann zuhöre und daran teilhabe, was ihn bewegt. Ich hoffe, ich kann jetzt weiter lesen. Das Buch ist gerade so spannend.

      „Ein Schutzschirm könnte die Erde retten“, sagt George und seine Augen leuchten.

      Hmhm. Ich nicke und lächele ihn an. „Magst Du noch einen Orangensaft?“, frage ich ihn dann. Denn so ein Orangensaft ist gesund und er hat zumindest die gleiche Farbe wie die Sonne und mit meinem freundlichen Angebot gebe ich meinem Mann zu verstehen, dass das Gespräch für mich beendet ist. Ja, so harmonisch geht es bei uns zu.

      Kapitel 5

      Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass mein Leben mit George nicht immer so friedlich verlaufen ist. Es hat auch bei uns stürmische Wasser gegeben, durch die wir das Schiff unserer Ehe manövrieren mussten. Okay, das ist möglicherweise kein besonders originelles Bild. Aber ich glaube die meisten Menschen können mit diesem Vergleich etwas anfangen.

      Unser Sturm war ein Tornado gewesen. Sein Name war Sabine. Sabine war eine von Georges Sprechstundenhilfen. Eine schüchterne Kindfrau, zerbrechlich, mit Puppengesicht und einem hinreißend-erstaunten Augenaufschlag in mitternachtshimmelblau. Sie war fleißig, hatte Ambitionen, ohne dabei die hellste unter der Sonne zu sein. Doch das war nebensächlich. Denn vor allem liebte sie die Sterne. Vielleicht ein wenig weniger als mein Mann und auch ein wenig weniger als meinen Mann, aber immerhin teilten sie diese Leidenschaft – also die Sterne. Und auch jene für die Medizin. Sie hatten also allerlei zu teilen. Allemal mehr als George und ich. So kam dann eins zum Anderen.

      Das Teleskop stand zunächst gar nicht auf unserer Dachterrasse, weil es die damals noch nicht gegeben hat. Es stand auf dem Dach des Hauses, in dem Georges Praxis ist. Im Nachhinein stellte sich dann auch heraus, dass George auf dem Dach nicht nur sein Teleskop aufgestellt hatte, sondern auch einen Esstisch. Den deckte er für Sabine und sich mit Tellern, Gläsern, Kerzen und allem anderen, was man braucht für ein romantisches Dinner zu zweit. Das tat er nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer wieder. Um die Zeit zwischen dem Ende der Sprechstunde und dem Einbruch der Dunkelheit bestmöglich zu füllen.

      Und das, obwohl ich George nie als romantischen Mann erlebt habe. Nicht am Anfang unserer Beziehung und jetzt erst recht nicht.

      War ich eifersüchtig? Nein! Das glaubt jetzt natürlich wieder niemand. Worauf hätte ich denn eifersüchtig sein sollen? Ich war doch völlig ahnungslos! Ich hätte natürlich auf das Anhimmeln von Sternen eifersüchtig sein können. Aber wie lächerlich wäre das bitte gewesen? Ich kümmerte mich um meine Dinge, während George auf seinem Dach Liebe machte. Mit den Sternen, wie ich dachte. Mit Sabine, wie sich herausstellte. Aber das war eben ein Missverständnis. Mir fehlte also objektiv betrachtet nichts. Zumindest nichts, von dem ich mir bewusst war, dass es fehlte. Es kam möglicherweise daher, dass George und ich einander zwar sehr zugetan sind, aber nicht leidenschaftlich ineinander verliebt. Es gab keine Zeit, in der wir nicht die Hände voneinander hätten lassen können. Das kenne ich offen gestanden vor allem aus Romanen. Es reichte mir aber auch immer völlig aus, darüber zu lesen. Schmetterlinge flatterten durch meinen Bauch, wenn er sie galant umgarnte, verführte, liebte. In dieser Dichte, gab es das eben im wahren Leben nicht. Und es war völlig ungefährlich darüber zu lesen. Nur keine Verwicklungen, bitte! Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, dass die Liebe schon die Stärksten zu Fall gebracht hat. Wer wollte schon so enden, wie Catherine aus Die Sturmhöhe oder gar Madame Bovary?

      Da passt man doch automatisch gut auf sich auf, damit einem dieses Schicksal erspart bleibt. Nun, George, passte da ein bisschen weniger gut auf sich auf. Ich bin mir bis heute sicher: Die Sterne sind schuld. Diese Schwärmerei hat ihn schwach werden lassen. Wie einen angesägten Baum. Es fehlte nur noch ein leichter Wind. Und dann kam gleich ein ganzer Tornado. War es da ein Wunder, dass er umkippte?

      Kapitel 6

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