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würde mich schlicht und ergreifend mit Georges Liebe zu den Sternen arrangieren. Davon war ich überzeugt. Wenn er nächtelang fortblieb, setzte ich mich eben auch noch mal an den Schreibtisch und bereitete meinen Unterricht besonders akribisch vor. Meiner Lehrerinnenkarriere war das eher zuträglich. Es schien, als sei jeder von uns zufrieden mit seinem Leben und den Freiheiten, die wir uns gegenseitig ließen.

      Bis zu jenem Abend. George hatte mir erzählt, dass dieser der Abend aller Abende sein würde, um den Kometen zu sichten – den C/2006 P1 McNaught.

      Beim Frühstück war George so aufgeregt gewesen, dass er den Kaffee über sein Hemd schlabberte und sich umziehen musste. Essen bekam er gar nicht erst herunter. An der Tür winkte er mir noch einmal zu. Das hatte er zuvor noch nie getan. Alles an seinem Verhalten an diesem Tag konterkarierte sein übliches Verhalten. Und das rührte mich. Sie mögen das jetzt eher offensichtlich finden und nicht der Rede wert. Aber ich bin nun mal nicht der gerührte Typ. Mich lassen die meisten Gesten, Regungen und Menschen eher kalt. Ich würde im Schulalltag sonst wahnsinnig werden. Aber diese Geste an der Tür, rührte mich. Ich wusste selbst nicht genau, warum.

      Sie ließ mich auch während des ganzen Tages nicht los. Und irgendwann nach der Schule und nach dem Mittagessen, das aus einer Suppe bestanden hatte, wusste ich, wie ich damit umgehen würde.

      George hat eine große Schwäche für Thunfisch-Sandwichs. Auf die englische Art. Mit pappigem Toastbrot, ungetoastet selbstverständlich. Der Thunfisch gehört anständig mit Mayonnaise gemischt. Noch Kapern oder Gürkchen drunter und weil George es scharf mag, noch ein wenig getrocknete Chili. Aber nur ein wenig. Dann die Paste zwischen zwei Scheiben von der Mehlpampe gepappt und in zwei hübsche Dreiecke halbiert. Davon bereitete ich an jenem Nachmittag acht vor, also von den Dreiecken. Buk einen Zitronennapfkuchen, den George auch ganz besonders gerne mag. Und kochte schwarzen Tee, den ich in eine Thermoskanne füllte. Das alles packte ich in einen Picknickkorb und machte mich auf den Weg.

      Kapitel 8

      Es war der Spätnachmittag des zehnten Januar 2007 – einem Mittwoch. Georges Praxis war seit dem Nachmittag geschlossen und Komet C/2006 P1 McNaught sollte sich in der Abenddämmerung an unserem Himmel zeigen. Es war viel zu mild für Januar und ich öffnete meinen Mantel, weil ich viel zu dick angezogen war.

      Ich hatte einen Schlüssel zur Praxis. Benutzt hatte ich ihn aber bis dahin noch nie. Ich betrat die Praxis, die bereits komplett im Dunkeln lag. Ich ging durch den Flur hinauf bis zur Tür, die aufs Dach führte. Auch für diese hatte ich einen Schlüssel. Doch sie war nur angelehnt. Da hörte ich Georges Stimme. Sie klang gequält, gedämpft. Ob er Mühe hatte, seinen Kometen zu entdecken? Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, da hörte ich noch eine zweite Stimme. Sie war noch etwas gedämpfter. Weiblich und sie klang wie ein Stöhnen. Ich trat durch die Tür. George saß auf einem Stuhl. Auf seinem Schoß saß eine Frau, die sich in einem ganz bestimmten Rhythmus auf seinem Schoß vor und zurück wiegte. George hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, das konnte ich im Zwielicht des späten Nachmittags erkennen. Auch aus seinem Mund kam jetzt ein Stöhnen. Die beiden Menschen wirkten ein wenig wie Tanzpartner, die im Sitzen einer Melodie Bewegung verliehen, die nur sie hören konnten. Plötzlich hörte ich, wie der Picknick-Korb auf dem Dach aufschlug. Ich hatte ihn einfach losgelassen. Ein Reflex. George riss die Augen auf und starrte mich an. „Was ist?“, fragte Sabine. „Siehst Du ihn schon?“ Sie hatte eine unangenehm hohe Stimme, die mir anschließend noch lange in den Ohren klang. Ich löste mich aus meiner Starre. Machte auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür. Ich weiß nicht, ob sie die Sandwichs gegessen haben. George hat es mir nie erzählt. Eifersüchtig war ich übrigens nicht. Eher angewidert. Außerdem kam ich mir unsäglich dumm vor. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, ihm Picknick vorbeizubringen? George konnte ganz offensichtlich sehr gut für sich selbst sorgen.

      Natürlich haben wir an einem der nächsten Tage über das Gesehene gesprochen. Und natürlich betonte George, dass Sabine gar keine Bedeutung außer einer sexuellen für ihn hatte. Aber was bedeutete das denn bitte? Machte sie das denn nicht gerade bedeutend? Ich hatte schließlich nicht wirklich eine sexuelle Bedeutung für ihn. Wir hatten seit sechs Jahren nicht mehr miteinander geschlafen. Das wusste ich so genau, wegen September 11th. In jenem Winter war unsere Sexualität eingeschlafen. Und das weiß ich aus anderen Gründen noch ganz genau.

      Kapitel 9

      Die sexuelle Bedeutung von Sabine trieb mich um, ob ich wollte oder nicht. Sie trieb außerdem einen Stachel in mein Herz. Denn hätte ich eine sexuelle Bedeutung für George gehabt und er für mich, dann wären wir vermutlich nicht so kinderlos geblieben, wie wir das geblieben sind.

      Glaube ich zumindest. George war tatsächlich, abgesehen von seinem sexuellen Desinteresse an mir, auch generell nicht wirklich daran interessiert, Kinder zu zeugen. Ach der Plural ist eigentlich schon wieder übertrieben. Ein Kind zu zeugen, sagt es eigentlich bereits. Er hatte nie einen Kinderwunsch. Ich dagegen schon.

      Es hat eine Zeit in Georges und meinem Eheleben gegeben, in der ich daher zu verzweifelten Mitteln griff. Diese verzweifelten Mittel nahmen in aufreizender Reizwäsche Form an – in Strapsen, Korsetten, Tangaslips und solchen, die an entscheidenden Stellen Löcher hatten. Was soll ich sagen? Anfangs hob George noch mäßig interessiert den Kopf von seinem Buch, wenn ich mich in solcher Aufmachung im Schlafzimmertürrahmen fläzte und ihn wie ich dachte verrucht anblitzte. (Vermutlich eine Täuschung, da ich mich überhaupt nicht verrucht fühlte, sondern komplett lächerlich und eine Spur verunsichert durch seinen britisch-blasierten Blick.) Später dann blickte er erst auf, wenn ich in kühner Verkleidung geschmeidig (auch so eine Selbstüberschätzung) neben ihm ins Bett glitt. Aber auch nur kurz. Sekundenlang möglicherweise. Dann tätschelte er meinen ihm zugewandten Oberschenkel, sagte etwas wie „Gute Nacht, Darling“. Und wendete sich wieder seinem Buch zu. Nicht mal ein Kuss. Also tat ich das einzig Richtige, mit meinem Stolz vereinbare – ich unterließ die nackte Verbiegung. Stattdessen versuchte ich es mit einem sachlichen Gespräch über eine mögliche Fortpflanzung unsererseits.

      „Noch nicht jetzt, Sweet“, hieß es anfangs – „Erst muss ich mit der Praxis auf einen grünen Zweig kommen.“

      Das Bild fand ich schon damals schief. Heute erst recht. Ein grüner Zweig würde unter einer Praxis wohl abbrechen. Und genau das geschah mit meiner Hoffnung auf Mutterschaft irgendwann, nach ungezählten weiteren kommunikativen Anläufen und nachdem ich deutlich meinen Wunsch, Mutter zu werden, formuliert hatte. Zu hören bekam ich daraufhin nämlich ein dezidiertes „Nein“ und „wie stellst du dir das denn vor? Wir müssen unsere Wohnung abbezahlen, die teuren Geräte in der Praxis. Wenn Dein Gehalt wegfällt, ist das schwer zu schaffen.“

      Ich habe mich 2001 kurz nach September 11th in mein Schicksal ergeben. Und von da an zog ich meinen Körper zurück. Er würde George nie mehr gehören. George meldete keinen Verlust an und versuchte nie mich umzustimmen. Und dann kam Sabine und bewies, dass es in George sehr wohl so etwas gab, wie sexuelle Energie. Nur eben nicht für mich.

      Kapitel 10

      Mir war damals niemand Anderes eingefallen, dem ich empört von diesem Tornado namens Sabine berichten konnte, als meine Mutter. Also rief ich sie an. Sie ließ mich zunächst nicht zu Wort kommen. Es war gerade wieder eine neue Putzkraft in ihr Leben getreten und meine Mutter kannte daher nur ein Thema. „Sie ist einfach wunderbar“, schwärmte sie ausnahmsweise ausgelassen. „Sie macht alles genauso wie ich es ihr sage. Und hat dann noch immer Zeit übrig, um außer der Reihe Schubladen auszuputzen und die Terrasse zu fegen.“ Meine Mutter war ganz aus dem Häuschen und kaum zu beruhigen. Als ich endlich dazwischenkam, herrschte am anderen Ende zunächst Stille.

      „Mama?“,

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