Parallels. Sven Hauth

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Parallels - Sven Hauth страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Parallels - Sven Hauth

Скачать книгу

dem breiten Chromrand des Kühlers thronte das glänzende Oldsmobile Logo. Shane verglich es mit dem Emblem auf den Radkappen. Carpenter hatte recht. Es fehlte der rechteckige Rahmen. Übrig geblieben war eine Art Pfeil mit Flügeln, der senkrecht nach oben zeigte wie ein vertikales Flugzeug.

      „Das ist schon okay“, sagte Shane. Nichts interessierte ihn an diesem Auto gerade weniger als der Zustand der Kühlerfigur.

      Carpenter hob einen warnenden Finger. „Pass nur auf, dass sich niemand daran verletzt.“

      Meinte der Alte das ernst? Shane rang sich ein zustimmendes Lächeln ab, nur für den Fall.

      „Steig ein“, drängte Carpenter und öffnete die Fahrertür. Shane sank tief in das weiche Velourspolster. Eigentlich handelte es sich nicht um einen Sitz, sondern um eine durchgehende Bank, auf der bequem drei Personen Platz finden würden. Sitze, Teppich, Dachhimmel – der komplette Innenraum präsentierte sich in königsblauem Velours. Auch die mit Kunstleder überzogene Armaturentafel trug denselben Blauton, hier und da abgesetzt durch spiegelnde Chromzierleisten und polierte Flächen aus dunkelbraunem Holzimitat. Ein altmodisches Radio dominierte die Mitte des Armaturenbretts. Seine beiden überdimensionalen Drehknöpfe funkelten, als seien sie noch nie benutzt worden. Alles wirkte wie neu.

      Behände glitt der Alte neben Shane auf die Beifahrerseite und steckte gleichzeitig einen Schlüssel ins Zündschloss.

      „Auf geht’s. Fahren wir ein Stück.“ Er klatschte auffordernd in die Hände.

      Shane drehte den Zündschlüssel ein Stück im Uhrzeigersinn. Das Armaturenbrett erwachte zum Leben. Kleine Lichter flammten auf, und ein leiser Gongton mahnte höflich zum Anlegen des Sicherheitsgurts. Den Schlüssel noch eine Stufe weiter gedreht, und aus dem Motorraum erklang ein tiefes Blubbern.

      Fast lautlos rastete der Rückwärtsgang ein. Shane nahm den Fuß von der Bremse und das Oldsmobile setzte sich sanft in Bewegung. Den Vorfall bei Honest Hank noch frisch in Erinnerung, dirigierte er das breite Fahrzeug äußerst sorgsam aus der Garage.

      Unter Mr. Carpenters Führung erkundeten sie die schmalen Vorortstraßen. Das Oldsmobile war nicht ganz so ausladend wie der Cadillac, besaß aber immer noch respektable Maße. Trotzdem ließ es sich buchstäblich mit dem kleinen Finger lenken. Die weiche Federung vermittelte das Gefühl, in einem Boot zu sitzen. Jede Unebenheit der Straße wurde mit einem verzögert gedämpften Schwanken beantwortet. Shane kniff ein Auge zu und peilte über die Spitze der verstümmelten Kühlerfigur den Straßenrand an. Während er sich unbewusst in den Wagen verliebte, redete sein Besitzer unablässig auf ihn ein.

      „..., es war eine schöne Zeit. Aber nun bin ich schon einige Zeit pensioniert. In meinem Alter hat man das meiste schon hinter sich, du verstehst. Die Kinder sind längst aus dem abbezahlten Haus. Keine Verpflichtungen mehr. Da kann man sich ganz auf die schönen Seiten des Lebens konzentrieren. Bisher hatten wir unser Gärtchen und bald haben wir den Süden. Was brauchen wir noch zum Glücklichsein?“

      Shane nickte abwesend. Er hatte nur halb hingehört, zu gefesselt von dem Fahrerlebnis.

      Carpenter zeigte auf ein grünes Straßenschild. „Bieg dort auf den Expressway. Und gib mal ordentlich Gas, sonst merkst du ja nie, wie der Wagen wirklich fährt.“

      Shane folgte dem Befehl, beschleunigte, und das Oldsmobile schoss mit 60 Meilen pro Stunde über den Asphalt. Sie waren bereits 20 Minuten unterwegs. Die Probefahrt wurde allmählich zu einem vollwertigen Ausflug.

      „Läuft gut, nicht wahr?“

      Der Wagen lief nicht nur gut, vor allem fühlte er sich gut an. Er fühlte sich richtig an. Den Blick über der kleinen Pfeilspitze auf der Motorhaube schweifend, das gepolsterte Lenkrad in den Händen und das beruhigende Geräusch des Achtzylinders in den Ohren glitten sie dahin. Aus den Polstern strömte der süße Duft der Vergangenheit. Das Oldsmobile belegte sämtliche Sinne, ließ vergessen und versprach Geborgenheit. Für den Hauch einer Sekunde blitzte ein tiefes Gefühl verlorenen Glücks auf. Von einem weit entfernten Ort konnte Shane beobachten, wie er den Wagen durch den Verkehr dirigierte. Er beschleunigte, überholte, bremste, lenkte, ohne sich darüber bewusst zu sein, kontrollierte das Fahrzeug rein intuitiv wie ein Rockstar seine langjährig gespielte Gitarre, verwachsen zu einer harmonischen Symbiose aus Mensch und Maschine. Alles im Fluss, alles Intuition, ein weißer Rausch.

      Die Stimme von Mr. Carpenter fügte ihn wieder zusammen.

      „Fahr da vorn raus. Wir müssen tanken.“

      Das Oldsmobile kam gemächlich neben einer Zapfsäule zu stehen. Während sich Carpenter am Tankdeckel zu schaffen machte, strich Shane ehrfürchtig über das narbige Kunstleder und traf eine Entscheidung. Er hatte das passende Transportmittel gefunden. Oder es ihn. Es war mehr Wissen als bewusste Entscheidung – der große Weiße sollte seiner sein.

      „Hat ein Weilchen gedauert“, entschuldigte sich der Alte, als er sich wieder in den Wagen schwang. „Großer Tank. Ideal für lange Fahrten“, fügte er zwinkernd hinzu.

      Nach zehn Minuten, in denen Carpenter unablässig die Vorzügen des Olds angepriesen und gleichzeitig bedauert hatte, dass er es verkaufen musste, waren sie wieder bei ihm zu Hause angekommen.

      Shane stellte den Motor ab. Als wäre dies ein Signal, verwandelte sich Matthew Carpenter in einen abgebrühten Geschäftsmann. Sein Gesicht nahm den verschmitzten Ausdruck eines Fuchses an. Nichts war mehr übrig von der kumpelhaften Großvaterfigur.

      „Kommen wir zum Geschäftlichen. 1000 $, wie es in der Anzeige stand.“

      Anscheinend war es keine Option, dass Shane den Wagen gar nicht kaufen wollte. Trotzdem schien es in solchen Fällen angebracht, noch etwas zu handeln.

      „Wie wäre es mit 800?“

      „Nein. Der Wagen ist 1000 $ wert. Nicht weniger.“

      „900 $?“

      „1000 $“

      Handeln gehörte sicher nicht zu Shanes Stärken, und dass der Alte in dieser Beziehung so stur sein würde, hatte er nicht erwartet. Er wollte das Oldsmobile haben. Es war die richtige Entscheidung. Erwartungsvoll sah Mr. Carpenter ihn an.

      „Also gut. Einverstanden.“

      „Wunderbar“, rief Carpenter, klatschte erfreut in die Hände und zog gleich darauf einen vorbereiteten Kaufvertrag aus dem Handschuhfach. „Ist schon alles vorbereitet. Bitte hier unterschreiben.“

      Shane schrieb seinen Namen auf die gestrichelte Linie. Aus seiner Tasche kramte er die 1000 $, die er die ganze Zeit bei sich getragen hatte, und übergab sie an Mr. Carpenter, der das Geld gewissenhaft zählte. Das Oldsmobile gehörte ihm.

      „Das Oldsmobile gehört dir“, bemerkte Carpenter, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Hier ist alles, was du brauchst“

      Mit diesen Worten überreichte er den Fahrzeugbrief und ein Schlüsselbund, an dem neben drei unterschiedlichen Schlüsseln auch noch ein kleines Oldsmobile–Emblem hing.

      „Einen für die Türen, einen für das Zündschloss und einen für den Tankdeckel. Und jetzt zeig ich dir mal was!“

      Carpenter stieg aus und kniete sich vor dem linken Vorderrad auf den Boden.

      „Fühl mal, hier hinter dem Kotflügel.“

      Shane

Скачать книгу