Parallels. Sven Hauth

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Parallels - Sven Hauth

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Tastatur, Telefon, Büroklammern, Locher, Bleistifte, Kugelschreiber, Radiergummis.

      Durch die neuartige Situation ohnehin mit einer irritierenden Unruhe vorbelastet, suchten meine Blicke Halt im Chaos, einen einzelnen Fixpunkt, irgendetwas. Ich entschied mich für die Fotorahmen.

      Mrs. Norris bemerkte meinen starren Blick und verwechselte ihn mit Neugier.

      „Meine Kinder.“

      Wie zum Beweis drehte sie einen Jungen und ein Mädchen um, typische Jahrbuchfotos typischer Teenager. „Daddy hat sich schon vor einer Weile aus dem Staub gemacht. Gott sei Dank.“

      So unvermittelt wie der Ton ihrer Stimme von mütterlichem Stolz zu zynischer Verachtung wechselte, wurden aus den typischen Teenagern Scheidungsopfer. Mehr als ein verlegenes Nicken fiel mir zu dieser unerwartet persönlichen Information nicht ein.

      „Wie auch immer...“ Mrs. Norris lehnte sich zurück und schaute leicht amüsiert. „...du willst also wirklich hier arbeiten?“ Irgendwie schaffte sie es, die Wörter ’wirklich’, ’hier’ und ’arbeiten’ gleichermaßen zu betonen.

      Ich nickte ein zweites Mal, doch diesmal war es ein entschlossenes Nicken, keines der Wortlosigkeit.

      „Ich hoffe, dir ist klar, dass diese Stelle ziemlich schlecht bezahlt wird? Nur der Mindestlohn. Und der Job ist nicht besonders aufregend.“

      Nicht besonders aufregend. Das klang gut.

      „Das macht nichts, Mrs. Norris, ich ...“

      „Nenn mich Pat, wenn du mit mir klarkommen willst.“

      Sie zeigte auf die geöffnete Tür zu ihrem Büro. Darauf klebte ein kopiertes DIN A4–Blatt mit der comichaften Zeichnung eines Mannes. Mit weit aufgerissenen Augen und abstehenden Haaren saß er vor einer Kaffeetasse, aus der ein Blitz direkt in seine Nase fuhr. „Kaffee ist meine Liebingsdroge“, stand in großen Blockbuchstaben unter dem Bild.

      „Das ist die Wahrheit“, sagte Pat, nur halb im Spaß. „Ich hoffe also, du bist Kaffeetrinker, sonst kann ich mit dir nicht viel anfangen.“

      Ich war keiner. War nicht einmal im Besitz einer Kaffeemaschine. Würde es meine Chance auf den Job reduzieren, wenn ich es zugeben würde?

      „Um ehrlich zu sein...“

      „Kein Problem. Ich bringe dich schon auf den Geschmack.“ Sie prostete mir mit einem der Becher zu. „Ohne Kaffee geht hier gar nichts.“

      Ich versuchte, das Gespräch wieder auf Kurs zu bringen und lieferte eine Schnellfassung meines bisherigen Werdegangs, der hauptsächlich aus einem abgebrochenen Studium der Kunstgeschichte bestand.

      „Und eine anspruchslose Aufgabe würde dich nicht langweilen?“

      „Im Gegenteil.“

      „Dann habe ich vielleicht genau das Richtige für dich. Ich brauche jemanden dafür“. Sie deutete mit dem Daumen rechts neben sich, wo sich nur die Wand mit dem Wochenplaner befand. Suchte Pat jemanden, der ihre Termine organisierte? In die kurzzeitige Stille trat ein gedämpftes Rumpeln, wie ein weit entferntes Gewitter. Dann verstand ich, dass sie den Raum auf der anderen Seite der Wand meinte. Den Raum schräg gegenüber ihres Büros, aus dem ich bei meiner Ankunft die mechanischen Geräusche gehört hatte.

      „Der Kopierraum“, sagte Pat, und löste das Rätsel um die Geräuschquelle. „Hier ist das Problem. Offiziell bin ich für die Kopierer da drin verantwortlich. Gleichzeitig muss ich aber meine Schreibjobs abarbeiten. Und du kannst wetten, sobald ich anfange, was zu schreiben, geht einer der blöden Maschinen das Papier oder der Toner aus. Dann darf ich hier alles stehen und liegen lassen und den Mechaniker spielen.“

      Pat pausierte kurz, als eine Studentin mit einem Stapel Papier unter dem Arm auf dem Gang vorbeiging. Nur wenig leiser fuhr sie fort.

      „Schlimmer noch, die Leute wissen nicht mal, wie man einen Kopierer bedient. Trotz der übergroßen Schilder, die ich da drinnen aufgestellt habe. Aber lesen scheint bei denen nicht beliebt. Resultat: Sie kommen bei mir angejammert, und ich muss sie an die Hand nehmen und ihre Kopien für sie machen. Statt mein Budget für Bürokrempel auszugeben“ – sie deutete auf ihren Schreibtisch –, „stelle ich dieses Jahr lieber jemanden ein, der mir die Idioten vom Hals hält. Einen Babysitter für die Kopierer und vor allem für ihre Benutzer.“

      Kopierer also. Warum nicht.

      „Wie gesagt, reich wirst du davon nicht, aber wenn du trotzdem Lust hast – also ehrlich gesagt wäre ich sehr froh, wenn mir das jemand abnimmt.“

      Sie zog ein zerknautschtes Päckchen Marlboros aus ihrer Gesäßtasche.

      „Ich geh mal nach unten, eine rauchen. Inzwischen passt du auf mein Büro auf und überlegst, ob du den Job wirklich willst.“

      Pat stand auf und gab den Blick frei auf einen sich sanft wiegenden Baumwipfel, den die Jahreszeit mit prächtigen weißen Blüten verwöhnt hatte. Ich überlegte, aber nicht sehr lange. Mindestlohn hin oder her, so wie Pat die Arbeit beschrieben hatte, schien sie wie geschaffen für mich, und das war es, was zählte. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich mit Pat gut klarkommen würde. Als sie nach fünf Minuten wiederkam, teilte ich ihr meine Entscheidung mit.

      „Sehr gut. Dann sehe ich dich morgen, 9 Uhr.“

      „Brauchen Sie nichts Schriftliches?“

      Sie lachte auf. „Scheiße, nein. Schriftliches habe ich schon viel zu viel.“

      Ein formloser Händedruck besiegelte meinen neuen Lebensabschnitt. Mrs. Norris, die lieber Pat genannt werden wollte, verschwand wieder hinter ihrem Monitor.

      – 5 –

      Über eine Stunde und viele Meilen hatte sich das Radio an den Heimatsender geklammert. Jetzt musste es sich der wachsenden Distanz geschlagen geben. Fremde Töne schlichen sich in die Lieder, durchlöcherten die Musik mit Knacken und Knistern, bis nichts übrig blieb außer einem weißen Rauschen. Ein eindeutiges Zeichen, dass Shane sich bereits weit von zu Hause entfernt hatte. Zu weit zum Umkehren.

      Er drehte den dicken Chromknopf der Sendersuche. Das Rauschen wich einer rauchige Männerstimme, die einer gewissen Sandy von Feuerwerk und Jahrmarkt vorsang.

      Ein bernsteinfarbenes Licht im Armaturenbrett leuchtete auf, erinnerte daran, dass das Benzin zur Neige ging und lenkte gleichzeitig Shanes Aufmerksamkeit von dem vorbeirauschenden bunten Straßenschild ab. „Willkommen in...,“ konnte er gerade noch aus dem Augenwinkel erkennen. Genug, um sein mulmiges Gefühl zu bestätigen, dass er irgendwo auf den letzten Meilen die richtige Abfahrt verpasst haben musste. Dies war nicht der Weg in den Westen.

      Inzwischen unterschied sich die Farbe des Himmels nur noch wenig vom Grau des Asphalts, und im Gegenverkehr fanden sich mehr und mehr Fahrzeuge mit eingeschalteten Scheinwerfern. Er sah auf die kleine Uhr neben der Geschwindigkeitsanzeige. Es war nicht nur höchste Zeit, das Oldsmobile zu füttern, sondern auch, einen Schlafplatz für die erste Nacht zu suchen. Morgen, im Tageslicht, würde es viel einfacher sein, den Highway Richtung Westen zu finden.

      Er bog in die nächste Tankstelle ein und hielt unter einem Schild, das Full Service versicherte. Prompt erschien am Seitenfenster ein tabakkauendes

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