TEE macht tot. Monika Clayton

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу TEE macht tot - Monika Clayton страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
TEE macht tot - Monika Clayton

Скачать книгу

…“ Um zu Atem zu kommen, machte die Frau eine Pause; sowohl im Gehen als auch im Sprechen. „Schon bald werden Sie sich hier … sehr wohl fühlen.“ Mit Esthers Hilfe, ließ sie sich kraftlos auf die braungeblümte Couch sinken. Sie stellte sich als Martha Scholz vor. 98 Jahre weile sie mittlerweile auf Erden, und wenn es nach dem Rohrasch geht, würden es hundert werden. Bedenklich wackelte ihr Kopf bei diesen Worten. „Sie trinken Tee?“, fragte sie unvermittelt mit einem Blick auf Esthers Kräutergläser.

      „Ja, ausschließlich. Und Wasser. Und Orangensaft. Und Kümmelschnaps nach dem Essen. Aber keinen Kaffee.“

      „Kaffee trinke ich auch nicht, eigentlich trinke ich gar nichts von alledem.“ Martha schob ihren Morgenrock beiseite und ließ Esther einen Beutel sehen, der mit dem Schlauch in ihrer Nase verbunden war. Das sei ihre Verbindung zum Leben, erklärte Martha in Seelenruhe. Durch die Demenz vergesse sie ständig das Essen und Trinken. Der Rohrasch tue aber alles, um sie auch den hundertsten Geburtstag noch feiern zu lassen. Manchmal freue sie sich darauf, aber manchmal auch nicht, gestand Martha.

      Esther fiel es schwer, den Blick von dem Beutel, der mit milchigtrüben, fast braunem Brei gefüllt war, abzuwenden. Mitfühlend vergaß sie bei diesem Anblick sogar ihren eigenen Kummer. Betroffen sank sie neben Martha auf die Couch. Dass man das Essen vergessen konnte, war für Esther eine erschreckende Vorstellung, wo sie doch so gerne aß.

      „Ist es denn nicht schrecklich, die Selbstverständlichkeiten des Lebens zu vergessen?“, fragte Esther unverblümt. „Wenn ich in Ihre Augen sehe, machen Sie nicht den Eindruck, als hätten Sie je das Leben vergessen.“

      „Heute so, morgen so. Aber keine Sorge!“, wackelte Martha mit ihrem Kopf, „heute ist ein guter Tag. Meine Erinnerungen an gestern sind zwar weg, aber dann waren sie auch nicht so wichtig. Die Lücke kann ich mit den heutigen Erlebnissen füllen.“

      „Mit welcher Gelassenheit Sie das sagen! Dabei hätten Sie doch allen Grund, zu klagen“, meinte Esther einfühlsam.

      „Ach Kindchen!“, dabei tätschelte Martha Esthers Hand, „man muss mit dem arbeiten, was einem das Leben beschert.“

      Das klang so weise, fand Esther und nahm sich vor, diesen Spruch nie zu vergessen.

      In den folgenden Wochen und Monaten besuchte Esther Friedrichsen die Dame, die mit ihrem Schicksal so klaglos umging, regelmäßig. Manchmal ging es gut, manchmal aber auch nicht. Wenn es gut ging, lachten sie gemeinsam, wenn nicht, kauerte Martha vor dem Fenster auf einem Stuhl und konnte sich nicht erinnern, dass sie Esther überhaupt kennengelernt hatte.

      Doch dann kam der Tag, an dem der tapferen Martha Scholz, trotz ihres Willens, die Kraft ausging. Sie fragte Esther, ob in ihrem Kräuterschränkchen nicht etwas sei, was Erleichterung verschaffen würde. 99 Jahre seien doch wirklich genug, oder etwa nicht?

      Zaghaft nickte Esther und hoffte, dass dies nun nicht allzu pietätlos sei.

      „Nein Kindchen, … das war es nicht“, beruhigte Martha schwach. „Würdelos … wäre es, wenn ein weiterer Apparat mich, … zum Weiterleben zwingen würde.“ Das Atmen fiel ihr zunehmend schwerer. „Und solange ich noch in irgendeinem Herzen ein Plätzchen habe, weile ich doch auch nach meinem 100ten auf Erden.“

      Esther versprach, solange sie lebe, werde Martha ebenfalls leben, in ihrem Herzen.

      Es war ein Donnerstag, als Esther Friedrichsen die tapfere Frau ein letztes Mal besuchte.

      Wie versprochen, besuchte sie regelmäßig, immer montags, das Grab von Martha Scholz. An ihrem hundertsten Geburtstag brachte Esther Kuchen mit und zündete ein extra Licht an.

       5. Kapitel

      Wie Säulen standen die Kastanien rechts und links neben dem Haus. Pflichtbewusst kehrte der Hausmeister herabfallende Blätter zusammen. Er rieb sich den Kopf, als eine Kastanie herabplumpste.

      Esther Friedrichsen konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Nicht ungefährlich, der Herbst!

      Einen Moment lang blieb sie stehen und guckte ihm bei der Arbeit zu, danach stapfte sie weiter. In ihrer drallen Armbeuge baumelte ihr grauer Regenschirm mit dem Holzgriff. Den hatte sie immer dabei, wenn sie das Haus verließ. Nicht nur wegen des Vorteils, weil er bei Regen zu schützen vermochte, sondern auch deswegen, weil er bei zu viel Sonne ausreichend Schatten spendete. Außerdem ließ er sich prima als Spazierstock verwenden. Mit dem Schirm konnte sie zudem auf der großen Wiese, die sich hinter St. Benedikta bis in den Wald hinein erstreckte, das Gras auseinanderdrücken, ohne sich bücken zu müssen.

      Gemächlichen Schrittes schlenderte sie die Zufahrt entlang, vorbei an den Parklätzen bis zum Haupttor. Dort bog sie an der wenig befahrenen Straße rechts ab und hatte von da, nur noch ein kleines Stück zurückzulegen. Bald hatte sie den kleinen Feldweg erreicht, der sich parallel zur Grundstücksmauer entlangschlängelte und sie bis zu der Wiese führte. Immer mittwochs, während des Vormittags, kam sie hierher, sofern es das Wetter erlaubte.

      Am Morgen, als sie aus ihrem Fenster schaute, hatte es zwar noch trüb ausgesehen, doch nun hatte die Sonne die Überhand gewinnen können. Jetzt vertrieb sie übrig gebliebene Nebelschwaden; sanft blies der Wind um Esthers Nase.

      „Nun denn!“, sprach sie zu sich, als sie die Stelle, zu der sie wollte, erreicht hatte. Ein lilafarbener Blütenteppich breitete sich vor ihr aus, der auch allerlei Getier angezogen hatte.

      „Husch, husch!“, scheuchte sie mit ihrem Schirm ein paar Bienen von den Blütenköpfen. Mit ihren mit Blütenstaub beladenen Beinchen flogen sie davon. Ein Lächeln huschte über Esthers pausbäckiges Gesicht, dann beugte sich ihr müder Rücken hinab, und ihre von Altersflecken übersäten Hände zupften zielsicher so viel von der Leichenblume, bis ihr mitgebrachtes Weidenkörbchen halb voll war. Darüber legte sie behutsam, um nur kein Blütenköpfchen zu beschädigen, ein Baumwolltuch. Ein weiteres Mal beugte sie sich hinab, pflückte jetzt jedoch kunterbunte Wiesenblumen, die sie über das Tuch schichtete. Zu einem Sträußchen gebunden würden sie sich wieder hübsch auf ihrem Tisch machen.

      Die stämmige Esther Friedrichsen liebte den Herbst. Wenn die Natur noch einmal so richtig schön bunt wurde und die Herbstsonne ihr mit Falten durchzogenes Gesicht erwärmte, fühlte sie sich jung. So jung, wie man sich eben mit 83 Jahren noch fühlen konnte.

      Aber sie liebte auch den Frühling, denn jede Jahreszeit brachte so ihre eigenen Pflänzchen zum Vorschein; im Frühling war es der Löwenzahn, den Esther Friedrichsen sammelte. Seine Kräfte galten bei Leber-, Nieren- und Gallenleiden als besonders hilfreich. Gerade alte Menschen hatten mit ihren Nieren ja so ihre Problemchen. Im Sommer begann dann die Zeit der Kamille. Das Gute an Kamille war, dass sie sich in ihrer Donnerstagsmischung überaus gut machte. Die beruhigenden und entkrampfenden Wirkstoffe taten jedem gut.

      Einen Augenblick dachte Esther Friedrichsen darüber nach, ob sie dieses Jahr vielleicht etwas mehr von der Leichenblume pflücken sollte. Sie entschied jedoch, die Wiese morgen noch einmal aufzusuchen, wenn es ihre Beine denn erlaubten. Durch die Arthrose machten nämlich Esther Friedrichsens Beine gelegentlich nicht mehr das, was sie von ihnen erwartete. Das war natürlich an den Tagen besonders ärgerlich, an denen sie deswegen ihrem geregeltem Tagesablauf nur unter erschwerten Bedingungen nachgehen konnte. Manchmal waren selbst ein paar Meter eine Qual, aber seine Gebrechen konnte man sich nicht aussuchen. Ja, ja, nickte sie vor sich hin, die tapfere Martha hatte schon Recht gehabt mit dem, was sie einmal gesagt hatte; man musste mit dem arbeiten, was das Leben einem auferlegte.

      Wenn also nicht morgen, überlegte Esther weiter,

Скачать книгу