TEE macht tot. Monika Clayton

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Beichttagen war es ihrer Meinung nach nicht angebracht, die Konzentration auf etwas anderes als auf den Herrn zu richten.

      Wie dem auch sei! Esther blieb gelassen. Die Leichenblume würde auch noch in der nächsten Woche blühen. Deswegen durfte man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, das wäre reine Zeitverschwendung. Und dass ihr jemand zuvorkam und alles wegpflückte, erwartete sie ebenfalls nicht. Hier war so viel zu finden, damit hätte man glatt das gesamte Seniorenheim auslöschen können.

      Daran hatte Esther Friedrichsen aber freilich kein Interesse, empfand sie doch St. Benedikta samt seinen Bewohnern als überaus angenehm.

      Steif streckte sie ihre alten Glieder wieder in aufrechte Position und stemmte ihre Hände in die runden Hüften. Sie beugte sich einmal nach rechts und einmal nach links, um ihre Gelenke wieder zu lockern. Dann zog sie ihren fliederfarbenen geblümten Rock und die dazu passende Bluse zurecht. Flieder trug sie am liebsten. Diese Farbe meinte sie, wirke im Winter so gemütsbelebend, dass man sich an den Frühling erinnert fühlte. Im Sommer hingegen hatte diese Farbe so etwas leicht Kühlendes und Beruhigendes.

      Als alles wieder so saß, wie es sich gehörte, machte sie sich mit sorgsamen Schritten, ihren Schirm als Gehstock in der Hand haltend, querfeldein auf den Rückweg nach St. Benedikta.

      Idyllisch lag es da, das Altendomizil, in welchem sie ihre letzten Jahre, wie viele es auch noch sein mochten, genießen wollte. Dass sich gegenüber davon, auf der anderen Straßenseite, ein Friedhof befand, störte sie nicht. Menschen starben nun mal, und irgendwo mussten sie zur letzten Ruhe gebettet werden. Es störte Esther Friedrichsen ebenfalls nicht, dass hier auch Menschen begraben lagen, die von ihrer Teemischung getrunken hatten. Im Gegenteil, regelmäßig besuchte sie deren Gräber und wünschte den Herrschaften ihren wohlverdienten Frieden. Natürlich wünschte sie das den anderen, die hier lagen, auch, aber diese besondere Beziehung hatte sie eben nur zu ihren Teetrinkern.

      Angekommen in ihrem Zimmer, arrangierte Esther Friedrichsen die Wiesenblumen liebevoll in einer Vase und platzierte diese auf ihrem Couchtisch. Sie rutschte die Vase hin und her, solange, bis sie meinte, dass sie adäquat stand. Danach schaltete sie ihren kleinen Backofen an und legte das sich darin befindende Backblech bedächtig mit Papier aus. Sie breitete die gesammelten Blüten der Leichenblume darauf aus, wobei sie größte Sorgfalt walten ließ. Alle Blütenköpfe sahen in eine Richtung. Das Baumwolltuch, das gerade noch die Leichenblumen von den Wiesenblumen getrennt hatte, legte sie faltenfrei darüber, damit sich die verdampfende Feuchtigkeit darin sammeln konnte. So angerichtet, schob sie das Blech in den Ofen zurück. Die nächsten zwei bis drei Stunden würde es nun dauern, bis sie ihr getrocknetes Bukett abfüllen konnte.

      Sie hielt sich das Glas vor ihre Augen, um besser hineinsehen zu können. Es war wirklich an der Zeit gewesen, dass sie den Donnerstagstee, der so hieß, weil sie ihn nur donnerstags ausschenkte, auffüllen konnte. Der Bedarf bestand zwar nur hin und wieder, doch die Restkrümel, würden maximal noch Bauchschmerzen einbringen, was für den Donnerstagstee keinesfalls ausreichend war.

      Rein willkürlich schenkte sie ihren Tee allerdings nie aus, das wäre in ihren Augen nicht rechtens gewesen. Das tat sie nur, wenn es sich, wie sie glaubte, um einen hoffnungslosen Fall handelte. Und hoffnungslos war ein Fall nur, wenn der- oder diejenige von selbst nach Tee verlangte. Lediglich dann brühte sie ihre Mischung, mit diesen nur im Herbst blühenden Pflänzchen, auf. Hübsch sahen sie aus, wie Krokusse. Aber die pflückte sie nicht für heute Abend, schließlich war nicht Donnerstag, sondern Mittwoch. Und Mittwochabend fand die reguläre Teeparty statt. Jeden Mittwochabend, da war Esther Friedrichsen sehr akkurat. Später würde sie auch hierfür noch die Kräuter vorbereiten müssen, aber das hatte noch etwas Zeit.

      Um sich die Zeit des Wartens zu vertreiben, schenkte sie ihren alten Beinen eine Pause und ließ sich, in Gesellschaft eines Buches, ächzend auf ihrer Couch nieder. Ihre geschwollenen Beine benötigten unbedingt etwas Ruhe. Auch ein kleines Nickerchen würde sicherlich nicht schaden.

      Als Seniorin konnte sie sich das durchaus erlauben. Und solange es ihre regelmäßigen Beschäftigungen nicht beeinträchtigte, gönnte sie sich das auch.

       6. Kapitel

      Wie die meisten Bewohner des Seniorenheims St. Benedikta, war auch Esther Friedrichsen eine Seniorin mit Gewohnheiten. Und diese Regelmäßigkeiten hatte sie vor, bis zu ihrem Lebensende weiterhin so zu handhaben.

      Jeden ungeraden Samstag im Monat ging sie zur Beichte. Den ersten und dritten Freitagnachmittag ließ sie sich deswegen auch die Haare legen. So konnte sie am Samstagmorgen mit frisch gewickeltem Haar auf die Straße hinaustreten, diese überqueren, den Friedhof passieren und in der kleinen Kapelle vor Pfarrer Johann ihre Beichte ablegen.

      Damit dies auch weiterhin so blieb, kam die rollende Friseurmeisterin Helena Jakubitsch mit ihrem Koffer voller Wickler, Kämmen und Scheren eigens ins Haus.

      Esther Friedrichsen plauderte gerne mit Helena; diese war aufgrund ihrer polnischen Herkunft zwar sprachlich etwas unsicher, dafür aber umso herzlicher und was noch wichtiger war, diskret. Vertrauten ihr doch viele Menschen ihre kleineren und größeren Geheimnisse an, die es sicher zu verwahren galt. Esthers Hilfsbereitschaft, für jedes Zipperlein das passende Kraut zuzubereiten, kannte sie ebenfalls. Gerne ließ sich Helena auch die eine oder andere Teemischung servieren, während sie Wickler um Wickler in das graue Haar ihrer alten Kundin drehte. Nur von dem Donnerstagstee hielt sie verständlicherweise Abstand.

      So wichtig wie Esther ihre Beichtfrisur war, so wichtig war ihr aber auch ihr mittwöchlicher Teeabend, den sie ebenfalls regelmäßig im Gemeinschaftsraum des dritten Stockes abhielt, und gleichermaßen der Dienstagskurs um 15:30 Uhr. „Qi Gong im Alter“ war eine Leibesertüchtigung mit dem erklärten Ziel, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Was half denn ein fitter Geist, wenn die Hände oder die Beine, oder gar beides, nicht mehr ihre Arbeit verrichten wollten? Dagegen, was half ein fitter Körper, wenn man so senil war, dass der Löffel den Mund nicht mehr fand? Der Einklang von Körper und Geist hatte so seine Vorteile, wie Esther feststellte; dieser Vorteil mündete in einen anderen Vorteil, den sie gerne, ebenfalls regelmäßig, in der Seniorenwerkstatt im Keller von St. Benedikta auslebte. Immer am Freitagabend.

      Aus der Einheit von Körper und Geist entsprang die Kreativität, die dank ihres gesunden Körpers und des fitten Geistes so manch kunterbuntes Erzeugnis hervorbrachte, welches wiederum für den guten Zweck auf dem Seniorenflohmarkt angeboten wurde. Drei Mal jährlich wurde die Eingangshalle zu diesem Zweck mit Tischen bestückt. Immer in Viererreihen, da genügend Platz für eventuelle Notfälle freibleiben musste. Da ließ der Rohrasch keine Diskussionen zu. Dafür spendierte er aber ein Kuchenbuffet, das vom Starnberger Konditormeister R. Müller geliefert wurde und sich allgemeiner Beliebtheit erfreute. An Nichtflohmarkttagen bekam man schließlich nur Kuchen, der mit weniger Zucker, mit weniger Sahne, mit weniger Glasur vom Küchenpersonal gezaubert wurde. Alles in allem nicht schlecht, aber was eine richtige Sahnetorte sein wollte, brauchte schon etwas mehr - von allem.

      Der Rohrasch wäre aber nicht der Rohrasch gewesen, wenn er die erhöhte Süßspeisenaufnahme nicht genau durchdacht hätte. Ein klein wenig mehr Zucker, und schon zückte der Senior seinen Geldbeutel deutlich lieber. Das eingenommene Geld wurde dann dem zur Verfügung gestellt, dessen finanzielle Mittel nicht ausreichten, um sich die kleinen medizinischen Freuden zu leisten, die man gerne hätte. Wer sich beispielsweise einen elektrischen Rollstuhl wünschte, dem aber die Krankenkasse nur einen mechanischen zur Verfügung stellen wollte, konnte damit den Eigenanteil eines elektrischen bezahlen.

      Balthasar Sebastian Rohrasch war der Meinung, dass sich gegenseitige Hilfe günstig auf das Miteinander auswirke. Das positive Glücksgefühl, das mit dieser Geste ausgelöst wurde, hatte wiederum Konsequenzen für die Verweildauer, die bekanntlich

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