TEE macht tot. Monika Clayton

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу TEE macht tot - Monika Clayton страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
TEE macht tot - Monika Clayton

Скачать книгу

dem letzten Event dieser Art, dem ein Töpferkurs vorausgegangen war, hatte Esther Friedrichsen ihre Obstschale dem guten Zweck gestiftet. Die glich zwar eher einer Toilettenschüssel als einem Vitaminbehältnis, aber der gute Zweck lässt bekanntlich so manches durchgehen.

      Danach startete der Gipskurs. Den mochte sie fast noch lieber als den Töpferlehrgang. Letzte Woche hatte sie ihre faltige Hand zur Faust geballt und hiervon einen Abdruck gemacht. So wie sich das Esther in ihren schöpferischen Gedanken ausgearbeitet hatte, sollte diese Faust, wegen der hübschen Divergenz, einmal ein getrocknetes Lavendelsträußchen halten. Sein Duft verbreitete eine Stimmung von Gelassenheit und innerer Ausgeglichenheit, was so mancher durchaus vertragen konnte. Davon wollte sie insgesamt zehn Stück herstellen. So etwas würde sich sicherlich verkaufen, wie geschnitten Brot, glaubte sie.

      Besonders gespannt war Esther Friedrichsen aber auf den Abdruck von Lore Lotter. Deren massiger, von der Erdanziehung nicht unbedingt zum Vorteil profitierender Busen, hatte zu einem amüsanten, aber kontroversen Abend veranlasst.

      Esther Friedrichsen hatte sich bereiterklärt, Lore Lotter vom zweiten Stock dabei behilflich zu sein, Lage um Lage Gips aufzulegen. Entgegenkommend boten die Herren des Kurses ihre Hilfe beim Glätten des Gipses an.

      Darüber konnten die frigide Erna und die kupfergefärbte Christine vom ersten Stock jedoch nur den Kopf schütteln. Das frivole Verhalten von Lore Lotter war doch mehr als befremdlich. Peinlich berührt konnten sie aber dennoch den Blick von diesen bammelnden Dingern, nicht abwenden. Es war wie bei einem Unfall, der einem das schicksalhafte Elend schonungslos vor Augen führte.

      Lore ließ das Ganze jedoch kalt und Esther ebenfalls. Die fand, dass man auch mit 75 Jahren durchaus noch seine Reize zeigen durfte, wenn man sie denn hatte oder zu meinen glaubte, dass man sie noch hatte. Außerdem gehe es hier um Kunst, und Kunst liege ja immer im Auge des Betrachters.

      Die Herren hatten dem nichts hinzuzufügen, außer, dass damit bewiesen sei, dass Männer ein besseres Auge für Kunst hätten.

      So war ein regelmäßiger Tag nach dem anderen vergangen, und die schwierigste Jahreszeit für die Rentner war ins Land gezogen. Als Esther Friedrichsen um den Donnerstagstee gebeten wurde, lag ein milchiger Tag vor ihr, der sich auch bis zum Abend nicht bessern sollte.

      Sie stand an ihrem Fenster und beobachtete, wie der Schneeregen auf die Wiese platschte, um mit der Erde zu einer matschigen Brühe zu verschmelzen. Kurz öffnete sie die Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen. Von ihrem Fensterbrett, auf das sie im Winter Meisenknödel und Sonnenblumensamen auslegte, flog erschreckt ein Spatz davon. Das tat Esther leid. Ihn von seinem Futter vertreiben, das wollte sie ganz gewiss nicht. Aber, nachdem nun schon das Fenster geöffnet war, nahm sie ein paar kalte Atemzüge und schaute auf die Wiese. Schlafend lag sie unter einer weißbraunen Decke.

      Esther schloss das Fenster wieder und hinkte zu ihrem Kräuterschränkchen, um die Donnerstagsmischung vorzubereiten. Sie spürte ihr Bein, das bei diesem nassen Wetter stärker schmerzte.

      Ja. Der Winter konnte einem schon mächtig auf die Befindlichkeit schlagen. Das ständige Grau in Grau, die kurzen diesigen Tage und der seltene Sonnenschein ließen den ein oder anderen gerne mal vor Stumpfsinnigkeit sterben. Bei dem Gedanken musste Esther Friedrichsen schmunzeln. Während sie diese Zeit als das hinnahm was es war, nämlich die Zeit, in der der Mensch den Rückzug genauso wie die Natur, plante, fürchtete der Heimleiter Balthasar Sebastian Rohrasch den Winter wie der Teufel das Weihwasser. Brach dann die Schneeschmelze an, die seine Senioren wieder nach draußen lockte, verfiel er regelmäßig in einen Freudentaumel. Sicherlich würde er nicht erfreut sein zu hören, dass er diesen Winter wieder einmal unplanmäßig einen seiner Insassen verlor, aber davon wollte sich Esther Friedrichsen nicht beeinträchtigen lassen.

      Er tat das Seinige, um seinen Leutchen einen angenehmen Lebensabend zu bescheren, was er gut machte, wie sie fand, aber sie wollte das Ihrige tun, um den Senioren, die das wollten, den Auszug zu erleichtern.

       7. Kapitel

      Am Donnerstagabend, als Esther Friedrichsen aus Zimmer Nr. 18 trat und zu Zimmer Nummer 11 schlurfte, hatte sich ihre Nachbarschaft schon in ihre Zimmer zurückgezogen. Ihr schmerzendes Bein zog sie hinter sich her, was sie nicht sonderlich schnell vorwärtskommen ließ.

      „Hallo Maria“, begrüßte Esther die alte Dame im Bett, als sie endlich das Zimmer erreichte.

      „Esther, da bist du ja endlich!“ Ein mattes Lächeln ließ die Falten in dem eingefallenem Gesicht noch tiefer werden.

      „Entschuldige die Verspätung, aber du weißt ja …, meine Beine sind nicht mehr die flottesten.“

      „Ist es wieder so schlimm heute?“ Langsam drehte Maria Loibl ihren Kopf in Richtung Fenster. Der Wind hatte sich gedreht und ließ die matschigen Flocken nun gegen die Scheibe klatschen. „Ja, ja, das Wetter kann einem schon ganz schön zusetzten“, fuhr sie fort. Mit müden Augen blickte sie Esther an. „Möchtest du es lieber verschieben?“

      „Ach, es gab schon schlimmere Tage“, wiegelte Esther ab. „Jetzt bin ich doch hier.“

      Maria Loibl sah Esther dankbar dabei zu, wie sie das Teewasser aufsetzte und sieben bis zehn Blüten der Leichenblume in eine Tasse legte. Gerade der Samen war für den Donnerstagstee sehr wichtig. Darüber ließ sie weitere Kräuter rieseln und goss diese mit dem heiß gewordenen Wasser auf. Der würzige Duft von Pfefferminz überdeckte den grasartigen Geruch der Leichenblume fast vollständig, und den bitteren Geschmack milderte Esther durch sechs Kandiszucker. Die ordentliche Gabe von Kamille, die Esther Friedrichsen ebenfalls beimengte, entspannte den Bauch, was bei einer Vergiftung durchaus von Vorteil war.

      Der Aufguss war stark, das musste Esther Friedrichsen zugeben, aber dafür umso wirkungsvoller. Wie immer hatte sie, als sie um den Tee gebeten wurde, daran nichts Verwerfliches finden können. Wenn man, wie die Loibl, mit 93 Jahren des Lebens überdrüssig war und sich endlich in Frieden hinlegen wollte, konnte man doch etwas nachbarschaftliche Hilfe erwarten.

      Ihr Jubiläum, zehn Jahre Altenheim, hatte die alte Dame eben nicht vor zu feiern, denn im letzten halben Jahr hatte das Alter seinen Tribut gefordert. Und so traten, trotz bester Fürsorge, unterschiedlichste Zipperlein in gehäuftem Ausmaß auf. Ihre alten Glieder wollten einfach nicht mehr, weshalb sie auch kaum das Bett verlassen konnte. Der Urinbeutel war der Loibl zutiefst peinlich, und die täglichen Waschungen ihres Körpers widerstrebten ihr. Sicherlich, es war nichts, wegen dessen man unbedingt starb, aber, und das war der entscheidende Punkt, sie konnte ihre Entscheidung noch selbst treffen. Und solange sie das noch konnte, wollte sie dies auch selbst tun. Es gab nun mal eine Zeit des Lebens und eine Zeit des Sterbens, und letztere war ihrer Meinung nach jetzt angebrochen. Dagegen konnte auch ein Rohrasch nichts unternehmen.

      In kleinen Zügen trank die Loibl den von Esther zubereiteten Tee. Dankbar nahm sie einen Schluck nach dem anderen. Anschließend legte sie ihren Kopf ins Kissen zurück und wartete. Ein seltsames Hochgefühl erfasste sie. Es war getan! Nach 93 Jahren hier auf Erden, in denen sie viel gesehen, erlebt und überwunden hatte, freute sie sich jetzt auf die ihr bevorstehende Unendlichkeit.

      Esther Friedrichsen setzte sich zu ihr ans Bett und hielt noch ein Pläuschchen.

      „Du bist eine wahre Freundin“, ächzte die Loibl in ihren letzten Momenten.

      „Ach, nicht der Rede wert!“, bedankte sich Esther für die netten Worte. „Wer, wenn nicht du, hat es verdient, in Frieden gehen zu dürfen?“ Ein schlechtes Gewissen hatte Esther Friedrichsen nicht. Für ihre Hilfsbereitschaft, die Loibl in

Скачать книгу