Adler und Leopard Teil 1. Peter Urban

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Adler und Leopard Teil 1 - Peter Urban

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Weg zu weisen, ein politischer Faktor von unbekannter Größe.

      Die Bedrohung Englands durch Bonaparte war offensichtlich. Schon bald würden die beiden Kontrahenten sich nicht mehr nur zur See gegenüber stehen. Der Kriegsminister hatte alle Berichte über Arthurs erfolgreiche militärische Operationen in Indien sorgfältig studiert. Castlereagh hatte bereits nach dem Sturm auf Seringapatam begriffen, dass sein Freund aus Kindertagen eine außergewöhnliche Begabung in militärischen Dingen besaß. Was der Kriegsminister mit noch größerem Interesse studiert hatte, als die rein militärischen Berichte, waren Wellesleys Gedanken zu Strategie, Taktik und der Organisation des militärischen Nachschubwesens. In allen drei Bereichen hatten Englands Landstreitkräfte erhebliche Schwachstellen und ihm gegenüber saß ein Mann, der begriffen hatte, wie man diese Probleme in den Griff bekam. Arthur war dabei auch erfrischend unpolitisch. Das würde ihm möglicherweise dabei helfen, sich bei den Horse Guards und beim Oberkommandierenden der Streitkräfte Gehör zu verschaffen. Dieser, der zweite Sohn von König George, Frederick Herzog von York, war ein fanatischer Liberaler. Jeden Tag machte er seinem konservativen Kriegsminister mit großem Gusto das Leben zur Hölle! Trotz seiner Freundschaft für Arthur, sah Robert Castlereagh in dem gerade aus Indien heimgekehrten General auch ein Instrument der Macht, das England eines Tages gegen Napoleon und seine Marschälle würde einsetzen können. Heute brauchte er dieses Instrument, um die verkalkte und überalterte militärische Führungselite aus den Angeln zu heben. Darum wollte er auch verhindern, dass Arthur sich aus einem unsinnigen Gefühl brüderlicher Loyalität heraus, mit der Ostindischen Kompanie anlegte. Ein solcher Schritt gefährdete seine Zukunft und er riskierte es, sich unnötige Feinde zu schaffen. Dabei würde Mornington es seinem jüngeren Bruder am Ende nicht einmal danken, sondern ihn bei erster Gelegenheit wieder hinters Licht führen. “Arthur“, sagte der Kriegsminister bestimmt, „ich möchte, dass Du den Premierminister triffst. Ich werde für dich einen Termin mit William Pitt vereinbaren. Wo wohnst Du eigentlich, falls ich dich kontaktieren möchte? Bei Deiner Mutter?“ Der General stöhnte. “Gütiger Himmel. Meine Mutter! Was für eine Idee!“ Lady Mornington hatte sich während seiner zehn Jahre in Indien nicht ein einziges Mal die Mühe gemacht, Arthur zu schreiben, um zu erfahren, ob ihr Sohn überhaupt noch lebte. Als er in Plymouth gelandet war, hatte er sich und seine ganze Habe lieber den britischen Landstreitkräften anvertraut, als seiner lieblosen Familie. Man hatte ihm ein recht hübsches Quartier in der Nähe der Horse Guards zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hatte er seit Lady Hollands Ball noch eine Einladung seiner alten Freunde, der Richmonds in der Tasche. Er würde sie annehmen. Ein bisschen Leben und Trubel nach den langen, harten Jahren im Felde konnten nicht schaden: „Lasse mir Nachrichten nach Richmond Palace schicken, Robert! Ich ziehe um!“, erklärte er entschlossen. „Ah, Richmond Palace!“, schmunzelte der Kriegsminister, “Hast Du die Älteste des Herzogs, Lady Sarah schon gesehen. Sie ist reizend!“

      „Sarah hat mich eingeladen ...“

      „Großer Gott.“, Castlereagh grinste, „dann bist Du der einzige Mann im ganzen Königreich, den Zerberus noch nicht gebissen oder verbellt hat. Seit Lady Sarah Lennox vom Kontinent zurück ist, hat sie wenigstens fünf oder sechs Anträge entrüstet abgelehnt … und die jungen Herren kamen aus den allerbesten Familien unseres Landes! Willst Du etwa Dein Glück bei ihr versuchen? Soviel ich weiß, bist Du selbst ja auch noch nicht unter der Haube!“

      Arthur seufzte traurig. Der Freund hatte einen wunden Punkt getroffen: In Indien war er mit einer wunderbaren, jungen Frau verlobt, ja fast verheiratet gewesen. Ein unbarmherziges Schicksal hatte ihm Charlotte und ihr ungeborenes Kind genommen und er war bis zu diesem Tag nicht über den Schmerz dieses Verlustes hinweggekommen. Er war sich nicht sicher, ob er schon bereit war, das Blatt zu wenden und einen neuen Anfang zu versuchen, obwohl der Geist seiner geliebten Charlotte ihm immer und immer wieder zuflüsterte, das fünf Jahre der Trauer eine endlos lange Zeit waren. Arthur hatte während der neunmonatigen Überfahrt nach Europa genug Zeit zum Nachdenken gehabt. Er hatte sich eingestehen müssen, dass er nicht nur kreuzunglücklich war, sondern sich auch schrecklich einsam fühlte. “Habe ich etwas Falsches gesagt, Arthur?“, fragte der Kriegsminister mit besorgtem Blick. Er hatte Gerüchte darüber gehört, was in Seringapatam geschehen war. Er kannte auch die Geschichte eines gebrochenen Herzens, dass unter einer Zypresse in einem Garten, unweit des Palastes der Sultans von Mysore begraben lag. Arthur atmete tief durch und versuchte seine Fassung wieder zu finden.“ Vielleicht ist Deine Idee gar nicht so dumm, Robert! Sarah Lennox ist eine bemerkenswerte Frau.“ Er erhob sich und verabschiedete sich von Lord Castlereagh. Dann holte er sein Pferd aus den Stallungen des Kriegsministeriums. Er konnte einen ganzen Nachmittag vertrödeln. Das Wetter war leidlich gut. Seine Schonfrist war fast vorbei. Die nächste Woche kündigte sich anstrengend und arbeitsreich an. Der Oberkommandierende der Streitkräfte, der Herzog von York, wollte ihn sehen. Er musste sich offiziell in den Horse Guards zurückmelden. Castlereagh wollte ihn zu Pitt zu schicken. Und er musste einen Termin mit seinem Armeeagenten machen, denn er wollte endlich dafür sorgen, dass die restlichen Schulden seines Vaters getilgt wurden. Nachdem Richard sich geweigert hatte, zusammen mit dem Titel auch die finanziellen Probleme der Familie zu übernehmen, war die Restschuld Arthur zugefallen. Sozusagen als einziges Erbe. Doch dank seiner Preisgeldern aus Indien war es endlich möglich geworden, sich von diesem Übel zu befreien und die Ehre des alten Lord Mornington wiederherzustellen. Was übrig blieb, war für ihn ausreichend. Er würde vielleicht sogar seine eigene Familie gründen können und wenn auch nicht reich, so doch sorgenfrei leben. Zufrieden beschloss Arthur ein paar Stunden zu vertrödeln und die Hauptstadt zu erkunden.

      London war ins Endlose gewachsen. Die Anzahl der Menschen, die hier lebten, hatte sich in den letzten zehn Jahren erheblich vergrößert. Es war an manchen Stellen kaum mehr möglich, durch das Gedränge zu reiten. Kutschen und Fuhrwerke verstopften die Straßen. Oft musste Arthur sogar absteigen und sein nervöses Pferd an einem Engpass vorbeiführen. Irgendwann merkte der Offizier, dass er den Stadtkern verlassen hatte. Die Häuser sahen zunehmend bescheidener aus und die Leute waren schlechter gekleidet. Doch es war nicht diese schreckliche Armut, die er in Indien kennengelernt hatte.

      Vor einem kleinen Gasthof stieg er ab, um sich zu erkundigen, wo er denn überhaupt sei. Man erklärte ihm, dies sei Lambeth und wenn er weiter geradeaus reiten würde, käme er zum Frachthafen von London. Da Sarah ihm erzählt hatte, sie praktiziere als Arzt in einem Armenhospital dieses Stadtteils, fragte er den Wirt auf gut Glück nach dem Weg. Nach kurzem Gespräch stellte sich heraus, dass das Hospital nur wenige Straßen von der Taverne entfernt war und Arthur beschloss, der Tochter des Herzogs von Richmond einen Überraschungsbesuch abzustatten. Er war bereits auf dem Ball von Lady Holland neugierig geworden und hatte Lust, die junge Frau wiederzusehen. Es war nicht schwer das Hospital zu finden. Der solide Steinbau überragte alle anderen Häuser. Ein alter Mann mit einem Holzbein versah das Amt des Türstehers. Freundlich fragte er, ob der feine, junge Herr sich verlaufen habe. Ebenso freundlich antwortete Wellesley ihm, dass er gekommen sei, um Dr.Lennox zu besuchen. Der alte Mann zwinkerte ihm zu und klopfte auf das Holzbein: "Ein guter Mensch, unsere Lady Sarah! Hat mir die Haut gerettet, als alle anderen Ärzte schon aufgegeben hatten. Gehen Sie nur nach oben. Im zweiten Stock müssen Sie dann eine der Schwestern fragen. Die führt sie zu Dr.Lennox.“ Er bot Arthur an, sein Pferd in den Stall hinter das Hospital zu bringen.

      Das Innere des Gebäudes war einfach, aber sehr sauber. Alle Wände waren weiß getüncht und es roch streng nach Kampferessig. Ordensschwestern in schwarzen Kleidern und mit absonderlichen Kopfbedeckungen, die an Kuhhörner erinnerten, liefen geschäftig durch die Gänge. Der Krankensaal war groß, aber mit Decken unterteilt und jeder Patient hatte ein eigenes Bett, ähnlich dem Feldbett, das er in Indien gehabt hatte. Aus einem Zimmer am Ende eines Ganges im zweiten Stock kam Sarah im weißen Kittel. Neben ihr ging ein anderer Arzt. Er war älter und trug einen eindrucksvollen Backenbart und eine Hornbrille. Die junge Frau bemerkte Arthur und winkte ihm munter zu. Sie schien sich über seinen Besuch zu freuen. Dann stellte sie ihn ihrem Kollegen vor: " Sir James, das ist General Sir Arthur Wellesley, ein alter Freund der Familie. Er ist erst vor kurzem aus Indien zurückgekehrt.“ Der Schotte Sir James McGrigor war der führende Professor für Chirurgie an der Londoner Universität und ein bekannter Philanthrop, der

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