Predigten durch ein Jahr. Martin Luther
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Читать онлайн книгу Predigten durch ein Jahr - Martin Luther страница 11
Hier sieht man aber, was für ein Unterschied zwischen den Sündern ist. In diesem sind alle Sünder gleich, daß sie dem Teufel zu Dienste gegen Gottes Gehorsam sind. Danach aber werden sie ungleich und. Denn etliche unter meiste Teil, man predige und sage Ihnen, was man will, bleiben sie nach wie vor in ihren Sünden, und bessern sich auch nicht, trösten sich selber, und denken: Ei, es hat nicht Not, Gott ist ledig, er wird immer über dich froh sein, du kommst und begehrst Gnade, wenn du es willst; ich will mich vorher aber noch zu der Welt halten, will vorher noch ein wenig der Früchte genießen, danach will ich auch zur Kirche gehen, Predigt hören und Fromm werden. Diese Schafe hören des Hirten Stimme wohl, aber sie wollen sich nicht finden lassen. Was geschieht dann? Nichts anderes, denn daß sie von Tag zu Tag, je länger je mehr in die Irre geraten, und in des Teufels Stricke kommen, daß sie allein nicht mehr daraus kommen können. Wie man sieht, daß es in der Welt geht, und die Leute im Geiz, Unzucht, Schwelgerei und anderen Sünden ganz ersaufen, daß ihre Natur so wird, daß sie denken, sie können gar nicht anders leben wie sie tun. Davor sollen wir uns hüten, und wenn wir des Hirten Stimme hören, sollen wir bald zu ihm finden, das ist, wir sollen tun, nicht in den Sünden bleiben und fortfahren, sondern umkehren, uns bessern, und glauben, unser Hirte Jesus Christus wird uns nicht in der ihre lassen, sondern in allen Gnaden wieder annehmen und uns mit seinem Vater versöhnen.
Denn Buße heißt nicht allein, des äußerlichen Lebens wegen frömmer werden; sondern durch Christum auf Gottes Güte trauen und Vergebung der Sünden glauben. Solche Sünder will Christus annehmen. Die andern nähme er auch wohl gerne an, sie wollen aber Christus nicht: so muß er sie auch fahren lassen. Denn weil sie sich nicht finden lassen wollen, bleiben sie in der Irre, solange sie wollen, und sehen, wie es ihnen endlich gehen wird.
Also tröstet nicht allein dies Evangelium die armen Sünder, daß ihr Hirte, Christus, sie, als die irrenden Schäflein, suchen und annehmen will; sondern lehrt auch, wie wir uns gegen diesen Hirten schicken sollen, nämlich, daß wir seine Stimme hören und derselben nachlaufen sollen. Wie uns die Geschichte des Evangeliums auch meldet, daß diese Leute Zöllner und Sünder gewesen, aber doch dem Herrn Christus darum nachgelaufen sind, als sie ihn hörten. Was hört man aber von Christus? Anderes nicht, denn das Gott den Sündern durch Christus gnädig sein will und sie selig machen; allein das sich locken lassen und nicht ferner in die Irre laufen, sondern wenn sie des Hirten Stimme hören, umkehren, und sich von dem Herrn Christus tragen lassen, der schon ist für ihre Sünde bezahlt und genug getan, und sie mit Gott versöhnt hat. Denn es ist nicht gut, weil Gott so viel an uns gewendet und seine Gnade so reichlich uns bewiesen hat, daß wir seinen Befehl verachten, und uns an seinen Wort nicht halten wollten und ihm auch etwas zu gefallen tun.
Deswegen laßt uns auf diese Lehrer merken, auf das wir wieder den Teufel und unser eigenes Herz uns wehren, etwas gegen die Verzweiflung haben, als wäre Gott ein solcher Gott, der mit Sündern keine Geduld hat und sie verdammen will. Denn dieser Gedanke steckt in aller Menschen Herzen. Dagegen muß man mit Gottes Wort gefaßt sein, und dies Bild, daß der Herr Christus selbst uns vorgestellt, in das Herz drücken, daß er ein Hirte sei, und sein Wort darum lasse in die ganze Welt schallen, daß die verirrten Schäflein es hören und zu ihm finden sollen.
Deswegen erkennst du dich auch, daß du auch irrig Schäflein bist, welches der Teufel weit vom Wege getrieben und abgeführt hat, so nimm nun diese Predigt von Christus an. Denn um deinetwillen wird es gepredigt, daß du also zur Buße kommst, das ist, daß du dich des Herrn Jesus Christus und seiner Gnade tröstest, und aus des Teufels Stricke kommst und frömmer werdest. Und hüte dich davor, als vor dem Teufel selbst, daß du solche Stimme nicht vorüber läßt, sondern bald umkehrst und dem Hirten nachläufst: so bist du genesen, und hast den Engeln im Himmel eine sonderliche großer Freude angerichtet, die der Nacht gerne um dich sind und dich vor aller Gefahr des Teufels, behüten und schützen werden. Dagegen aber die unbußfertigen Sünder nur Leid, Unmut und Ärger machen, sind sie in ewiger Gefahr jeden Augenblick.
Aber unser Heiland Jesus Christus setzt diesem Gleichnis vom Hirten und dem Schäflein noch dazu, von einem Weibe, das einen Groschen verloren hat: dieses geschieht darum, daß er will, daß seinem Beispiel auch andere folgen, und die Sünder nicht verwerfen, sondern sie auch suchen und zur Buße bringen soll. Denn das erste Gleichnis geht allein auf unseren lieben Herrn und Erlöser Jesus Christus; der ist der einzige und richtige Hirte, der den Schäflein nicht feind ist, sondern läßt sein Leben für sie, daß sie beschützt und vor dem Teufel Frieden haben. Das andere Gleichnis aber von dem Weibe geht auf die christliche Kirche, die darum das Predigtamt führt, auf das die armen Sünder zur Buße gelockt, vom ewigen Tode und von Verdammnis gerettet und selig werden sollen. Da freut sich auch, gleich wie der Hirte, wenn sie den Groschen findet, zündet ein Licht an, daß Wort Gottes, und kehrt das Haus, das ist, sie lehrt, wie man Fromm sein und sich der Gnade Gottes durch Christum vor Gott und seinem Gericht trösten soll. Mit dieser Predigt findet sie den verlorenen Groschen.
Dieses heißt Gottes Wort hoch rühmen und preisen, als den einzigen Schatz, der die Sünde und allen Jammer, welches aus der Sünder folgt, als da ist, Tod, Verdammnis, Teufel und die Hölle, wegnimmt, daß wir nicht mehr Sünder und Feinde Gottes, sondern den lieben Engeln im Himmel rund allen Heiligen auf Erden eine besondere Freude sind. Deswegen sollten wir es in allen Ehren und Würden halten, es gern und mit Herzen hören, die es so predigen, lieb und Wert halten; auf das wir zu solcher seligen Frucht auch kommen, aus der Irre und aller Gefahr des leidigen Teufels ledig und los, könnten ewig selig werden. Das verleihe uns allen der Liebe und Treue Hirte unserer Seelen, unser lieber Herr Christus, durch den Heiligen Geist, Amen.
Am vierten Sonntag nach Trinitatis
Lukas 6,36 bis 42
Darum seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr auch nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, da ihr messet, wird man euch wieder messen. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Mag auch ein Blinder einen Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? Der Jünger ist nicht über seinen Meister; wenn der Jünger ist wie sein Meister, so ist er vollkommen. Was siehst du aber einen Splitter in deines Bruders Auge, und des Balken in deinem Auge wirst du nicht gewahr? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: halte still, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen; und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuvor den Balken aus deinem Auge und besiehe dann, daß du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest.
Im heutigen Evangelium lehrt uns unser lieber Herr Christus seine Jünger und uns alle, wie wir uns gegeneinander verhalten und christlich leben sollen. Denn wenn wir gläubig geworden sind, und nun den Namen haben, daß wir Christen heißen, die durch den Herrn Christum von Sünde, Tod und allem Unglück er rettet sind: da soll danach ein neues Leben folgen, daß wir tun, was er von uns begehrt. Dieses neue Leben faßt er in das einige Wort, da er spricht: «Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.»
Nun weiß aber jeder Mann wohl, was barmherzig heißt, nämlich, ein solcher Mensch, der gegen seinen Nächsten ein freundlich, gütig Herz trägt, Mitleid mit ihm hat, und sich seiner Not und Unglückes, es betreffe seine Seele, Leib und Gut, mit Ernst annimmt, und sich so zu Herzen gehen läßt, daß er denkt,