Predigten durch ein Jahr. Martin Luther

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Predigten durch ein Jahr - Martin Luther

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du nicht dazwischen schlagen, sondern sagst: Es ist mir leid, ich wollte, du hättest es nicht getan. Solches heißt ein Gebet für deinen Nächsten getan. Danach kannst du hingehen, und dem sagen, der die Macht hat es strafen, daß er es bessern und ändern soll, und den Befehl hat, daß er als tun soll. Denn Gott hat Leute genug dazu verordnet, nämlich, Richter, Herren, Vater, Mutter, Pastoren, und zuletzt auch die Henker, die sollen die Untugend strafen. Die anderen, so in diesen Ämtern nicht sind, sollen es ungestraft lassen und Barmherzigkeit beweisen, das ist, beraten und helfen, womit sie können.

      So sollen wir nun wohl merken, daß dieser Befehl hier geht gegen gleiche Personen, wo keiner über den anderen Macht oder Befehl hat. Wo aber ungleiche Personen sind, ist einer Vater, der andere Richter, der dritte Amtmann, die sollen gegen ihres Gleichen auch Barmherzigkeit beweisen; aber nicht gegen die Untertanen. Denn da steht der sonderliche Befehl, daß sie das Übel an den Kindern, Volk und Untertanen strafen sollen. Aber wo gleiche Personen sind, die sollen gegen einander ein freundlich, gütig, mitleidendes Herz tragen, helfen, vermahnen, ansagen; das heißt christlich gelebt. Ob man dich aber darüber schimpfen würden, wie die Kinder und das Volk pflegen, und dich einen Verräter heißen, das schadet nicht. Denke du, daß du ein Feigenbaum oder guter Weinstock bleibst, und las dich nur nicht zu einem Dornstrauch machen. Also tut die liebe Sonne auch: die sieht jetzt manchen Menschen an, der die vergangenen Nacht gestohlen hat, wo er die Ehe gebrochen hat, und dennoch bleibt sie eine schöne Sonne, ob du gleich ein schwarzer Teufel, und einer Sünde wegen nicht wert bist, daß sie ansehen solltest. Denn Sie denkt so: Wenn ich doch auch deine Bosheit sehen mußte, so will ich doch einmal auch zu sehen, daß man dich an den Galgen hänge. Jetzt lachst du meiner und ich muß dir zu deiner Bosheit leuchten; aber was gilt es, wenn du dich nicht besserst, ich werde dir auch einmal zu deiner Strafe leuchten?

      Die Erfahrung lehrt uns, daß keine Untugend und Bosheit von Gott ungestraft bleibt. Denn wer Vater und Mutter entläuft, der entläuft doch den Henker nicht. Du mußt entweder büßen und dich bessern, oder gewiß auf die Strafe warten; denn Gott will nichts ungestraft lassen, wo nicht Besserung folgt. Mancher Mörder und Dieb wird nicht gefaßt, zieht aus dem Lande, und entgeht so eine Zeitlang der Strafe; wo aber keine Besserung folgt, so findet es sich letztlich wunderbarer Weise, daß er doch der Obrigkeit in die Hände läuft und seinen Lohn empfängt. Denn das Sprichwort fehlt nicht: Den Eltern können böse Buben entlaufen, aber dem Henker können sie nicht entlaufen. Darum was der Vater nicht zwingen kann mit der Rute, daß soll des Henkers Strick und Schwert zwingen. Willst du dich an die Lebensstrafe nicht kehren, so leide die Todesstrafe, die ist dein verdienter Lohn.

      Also wollte der Herr Christus gern, in das wir ein gutes Leben führten, und gute Werke unter einander täten, die rechtschaffen, und nicht ein schlechter Schein wären. Er befiehlt deswegen, wir sollen barmherzig sein, nicht wie die Heiden, die barmherzig sind gegen die, von welchem sie wieder eine Hilfe erwarten, daß also eine Hand die andere wasche. Nicht so, sondern wie der Vater im Himmel, der schüttet mit Haufen herunter, was wir bedürfen, daß die ganze Welt genug hat zu nehmen: nicht allein die Frommen, die hätte er an einem Tage alle bezahlt; sondern auch den Bösen. Darum läßt er seine Güte nicht versiegen, obwohl der meiste Teil böse und undankbar ist, ja, die Bösen bekommen dabei sogar noch den besseren Teil.

      Diesen, spricht Christus, setze ich euch, die ihr meine Christen seid, zum Exempel, daß ihr nicht allein euren Freunden helfet; solche Frömmigkeit will ich wohl unter den Heiden bekommen: sondern auch Feinden, wie ihr seht, daß euer Vater die Sonne jedermann leuchten läßt, auch den Mördern, Dieben, Ehebrechern, bösen Buben, Bürgern und Bauern, die es wohl wert wären, daß sie mit den Augen die liebe Sonne nicht sehen sollten. Er tut es aber nicht, er will seine Gnade nicht um der Leute Bosheit willen nicht versiegen lassen.

      Also, spricht er, tut ihr auch, laßt euch nicht erzürnen, zieht die Hand nicht zurück, wie die Welt pflegt, und sagt: Ja, es ist alles verloren, was man den Menschen tut. Das ist falsch geredet. Freunden dienen, ist nichts besonderes, denn die Heiden selbst sind so lange freundlich und hilfreich, solange sie wieder auf eine Hilfe hoffen und spüren. Wenn aber die Hilfe nicht kommt, so versiegt auch die Wohltat. Da sieht man es dann öffentlich, daß es nicht ein Quell oder ein lebendiger Brunnen der Liebe, sondern nur Wasser in den Sand getragen und eine heidnische Hilfe. Ihr Christen müßt schon mehr tun, und unverdrossen sein zu helfen, auch euren Feinden, obwohl ihr Undank verdient, und denken: Wollen sie undankbar sein, nun gut, da ist Gott, der hat noch so viel Teufel, so viel böser Buben auf Erden, so viel Wasser, Feuer, Pest und andere Plagen, damit er strafen kann; der wird das rechte Maß dazu finden. Weil ich nun weiß, daß es nicht ungestraft bleiben kann, so will ich ein süßes, mitleidiges Herz, daß zu raten und zu helfen bereit ist, behalten. Dieses heißt dann ein christliches Herz und christliche Liebe, welche die Heiden nicht haben, denn sie helfen nur dann, wenn sie dadurch Dank und wieder eine Hilfe erwarten. Die Christen aber sollen ein solches Herz und Liebe haben, die, wie eine lebendige Quelle, nicht auszuschöpfen ist, noch versiege, obwohl sich die Wohltat, wie das Wasser in den Sand verliert und umsonst ist. Nun geht unser Heiland weiter, und teilt solche Barmherzigkeit in einige Stücke, und spricht: Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.

      Der Herr wollte gern, daß wir rechtschaffene Christen würden, die nicht mit Worten den Glauben und das Evangelium rühmen; wie die Leute jetzt tun, die evangelisch sein wollen und viel von Christus sagen und wissen, aber wenn man es recht besieht, ist nichts dahinter. Täuscht also der meiste Teil, auch die, welche das Evangelium haben und hören, sich selbst und fahren zum Teufel mit ihrem falschen Glauben. Solchen Unrat wollte Christus gern wehren; stellt uns deswegen nicht ein fremd, unbekannt, sondern seines Vaters und unser eigenes Exempel vor, daß wir selbst erfahren haben, daß er so mit uns gehandelt hat, und sagt: wir sollen mit anderen Leuten auch so tun.

      Denn wir sind ja alle im Gericht Gottes und in der Verdammnis gewesen, unserer Sünde wegen. Was hat nun unser Vater im Himmel getan? Ist es nicht wahr, er hat dich weder richten noch verdammen wollen, sondern dir deine Sünden vergeben, und die Hölle und Verdammnis hinweg getan, und dich zu Gnaden angenommen? Solch ein Beispiel hast du an dir unter deiner eigenen Person; dem folge und tue gegen andere auch so: so bist du denn ein rechter Christ, der du ein Christ und glaubst, deinen Nächsten nicht richtest noch verdammst, sondern ihm gern vergibst, was er gegen dich getan hat.

      So du es aber nicht tun willst, sondern mit dem Schalksknecht, Matthäus 18, dort Gnade empfangen und hier einen anderen dieselbe nicht auch beweisen; so sollst du wissen, daß du kein Christ bist, und das dich Gott wiederum aus der Barmherzigkeit in das Gericht und in die Verdammnis werfe, und dir alle Güter, die er dir gegeben, berauben, und alle Schuld, die er dir erlassen, dir wieder auf den Hals legen will: das sollst du gewiß haben; denn dann steht es: «Richtet nicht, daß ihr nicht gerichtet werdet,» das ist, wollt ihr nicht aufhören zu richten, so wird euch Gott auch richten.

      Nun sieht man aber, wie man es so über die Maßen schwer lassen kann; sobald jemand uns im geringsten beleidigt, da geht schnell das Gericht her: Was soll ich diesem Schalk noch mehr tun? Ich habe ihm dies und das getan, das ist der Dank, also bezahlt er mich. Das heißt eine unbarmherzige Barmherzigkeit und eine schlechte Hilfe, daß man sobald richten will, wenn der Dank nicht folgt. Die richtige Frömmigkeit ist mitleidig, aber die heuchlerische Frömmigkeit ist eine zweifache Unbarmherzigkeit. Das erfährt man dabei, wenn mir einer einen Gulden schenkt, wollte er mich gern damit kaufen und mich zu seinem eigen machen. Darum, sobald ich nun etwas rede oder tue, daß ihm nicht gefällt, oder in einem Fall nicht dienlich ist, bald drängt er mich die Hand zu drücken: Siehe, daß und das habe ich dir gegeben, warum willst du mir den nicht auch diese Freundschaft tun? Das heißt dienen, daß man dir wieder diene, wie die Heiden tun, und richten.

      Aber es soll so sein: Tust du jemand etwas Gutes, und er erkennt es nicht, oder tut dir etwas Böses dafür, dann kannst du ihn wohl warnen, er soll es nicht tun, er würde sich sonst gegen Gott versündigen. Aber das du ihm darum feind werden, und ihn urteilen oder richten und in seiner Not nicht wieder helfen in wolltest, da hüte dich vor. Befiehl ihn seinem Richter; denn du weißt nicht, was Gott mit ihm machen will, ob er

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