Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1. Harald Hartmann

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Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1 - Harald Hartmann

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weit. Sie riet mir dazu, ein Taxi zu nehmen. Es war mein Gewissen, das sich auf diesem Wege bei mir meldete. Lange war es verschollen. Ich entdeckte es auf der Rückbank des Taxis. Es erwartete mich. Nach der langen Zeit hätte ich es beinahe nicht mehr wiedererkannt. Damals war lange her. Damals hatten wir noch zusammen gelebt. Was nun folgte, war eine taxiromantische Wiedervereinigung auf dem Rücksitz. Daran konnte ich meinen Fortschritt auf dem Gebiet der Romantik gut erkennen. Zu essen gab es später noch Candlelight. Manchmal konnte das Leben auch leicht sein. Jeder zweite war komischerweise anderer Meinung. Deshalb hatte ich mich auch längst schon entschlossen, Meinungen grundsätzlich abzulehnen und im Wahlkampf ganz besonders.

      Da riss mich ein kräftiger Schrei aus meinen Gedanken. Es war der Schrei des Lebens. Der Versuch mit den Büchern hatte geklappt. Sie hatten sich gekreuzt. Ein neues Buch war geboren. Es war ein Wörterbuch. Es war noch jung und kannte noch nicht das Alphabet. Die Wörter waren alle durcheinander gewürfelt. Es war eine großartige Lektüre. Das Abenteuer lachte mich an aus jeder Zeile. Schnell versteckte ich das Buch. Es war gefährlich. Vielleicht hatte es sogar vor, für den Posten des Ministerpräsidenten zu kandidieren. Ich traute ihm alles zu. Es sah mich mit fragenden, unschuldigen Augen an. Wir verbrachten einen langen, sinnlosen Urlaub im schönen Emmental. Am Ende hatte ich es alphabetisch geordnet. Es war nun unschädlich für mich. Das dumme Ding hatte es gar nicht richtig mitgekriegt. Es hatte noch viel zu lernen.

      11

      Obwohl ich extrem clever war, hatte ich mein Ziel jedoch noch nicht erreicht. Wahlkampf war wie ein Marathonlauf. Da brauchte man jede Menge Ressourcen. Lange suchte ich nach meinen. Dann wusste ich, dass ich arm war. Das einzige, was ich mir noch leisten konnte, war ein Ornithologe. Es war ein überraschender Schachzug knapp am Rande der Legalität. Doch wenn man keine Ressourcen hat, muss man zumindest Ideen haben. Meine Konkurrenten waren darüber nicht begeistert. Das hatte ich natürlich erwartet. Doch hier ging es um Leben und Tod. Oder sogar weniger. Ich musste gegen hart bandagierte Banditen kämpfen. Dazu gehörte auch der Einsatz von Ornithologen. Bisher waren sie noch nicht verboten.

      „Nicht alles, was verboten ist, ist auch verboten“, rief mir das Wahlvolk zu.

      Eine so großzügige Unterstützung ließ mich hellhörig werden. Wusste das Wahlvolk denn nicht, dass nicht alles, was erlaubt war auch erlaubt war? Vielleicht hatte dieser mir so bereitwillig zugeworfene Satz sogar etwas zu bedeuten. Ich musste jedenfalls sehr vorsichtig sein. Die Gefahr lauerte. Sie verspeiste einen immer dann, wenn man sie am wenigsten erwartete. Aber ich fürchtete mich nicht, denn ich spürte nun über mir die fachlich geschulte Hand meines Ornithologen, der mich verteidigen würde gegen alle Gefahren von oben und nach Feierabend, sogar auch gegen die von unten, so lange die Gage pünktlich bezahlt würde.

      Da kam ein Protestzug von Schildern und Transparenten auf mich zu. Sie hielten Menschen in die Höhe, wehrlose Menschen. Es war eine glücklicherweise unverständliche Botschaft aus der Welt der Schilder und Transparente, doch gleichwohl überfällig wie ein Kropf. Mein Ornithologe stand neben mir und vermied erfolgreich jeden Gedanken. Er war ein schlauer Bursche. Er hatte sich extra seine schwarze Pudelmütze aufgesetzt, und obendrauf thronte eine Pudelkugel.

      „ Aha“, sagte ich.

      „Was gibt’s?“ fragte er.

      „Wie lange schon?“ wollte ich wissen.

      „Noch nicht lange“, sagte er.

      „Und warum?“ fragte ich.

      „Darum“, sagte er.

      Ich nickte zufrieden. Gespräche mit Experten waren immer wertvoll. Ein Wunder war das aber nicht. Ich fand es schade. Gerne hätte ich mal wieder ein Wunder erlebt. Die Seltenheit von Wundern war überhaupt ein unhaltbarer Zustand. Ein richtiger Skandal. Da gab es dringenden Handlungsbedarf. Ich erhob mich aus meinem Massagesessel. Mehr Wunder für alle forderte ich in einem flammenden Appell. Das Wahlvolk bohrte unterdessen weiter gerührt in der Nase, während meine romantisierte Stimme sich ihren Weg quer durch sein Hirn bahnte, durch das eine Ohr herein und durch das andere wieder hinaus, wo es sich in der Unwegsamkeit der Hirnlosigkeit zu verirren drohte. In diesem kritischen Augenblick kam mir ein unsichtbarer Engel zu Hilfe. Doch konnte ich ihn trotzdem sehen, weil die Unsichtbarkeit seine Hässlichkeit nur notdürftig zu bedecken in der Lage war. Das machte ihn ausgesprochen menschlich. Es war erschreckend erschreckend.

      „Besser du fliegst schnell wieder weg!“ warnte ich ihn.

      Meine Warnung war ernst gemeint. Eines Tages würde er sich bei mir vielleicht dafür revanchieren können. Solche Leute waren wichtig, gerade im Wahlkampf. Eine Hand wusch die andere und die beiden anderen blieben in den Hosentaschen.

      „Geht nicht“, sagte er. „Ich habe meine Flügel zum Schlafen ausgezogen und vergessen, sie wieder anzuziehen.“

      „Du bist nicht geflogen?“, fragte ich.

      „Nein“, antwortete er. „Ich studiere noch die Kunst des ungeflügelten Fluges.“

      „Und wie bist du hierhin gekommen?“ fragte ich.

      „Geritten. Auf dem Walross.“ sagte er.

      „Schönes Tier“, sagte ich.

      „Ja“, sagte er.

      „Was will das Walross hier?“ fragte ich den ungeflügelten Engel.

      „Es hat etwas mit einer Wahl zu tun. Mehr darf ich nicht sagen“, sagte er.

      „Warum nicht?“ fragte ich ihn.

      „Weil ich sein Wahlkampfleiter bin“, erklärte er.

      Ich musste mich zurück halten, um nicht zu lachen. Der ungeflügelte Engel glaubte an das Walross! Von dem ging keine Gefahr für mich aus. Das Walross konnte ich leicht unter den Tisch saufen. Ich kannte es noch von der Grundschule.

      Langsam klärte sich die Gemengelage. Es war nicht zu leugnen, mein Wahlkampf machte mehr und mehr Fortschritte. Gerade das aber machte mich misstrauisch. Warum musste es immer mehr sein? Hätte einer nicht auch genügt? Was steckte dahinter? Oder wer? Das waren vier Fragen auf einmal, mehr als ich vorher jemals gleichzeitig erzeugt hatte. Ein neuer Rekord der Atemlosigkeit wollte sich offensichtlich meiner auf diese Weise bemächtigen. Ich ließ mich davon nicht blenden, sondern verzichtete auf trügerische Bestmarken aller Art. Wie leicht entpuppten sie sich als gemeine Fallen! Ich konzentrierte mich lieber auf das Wesen meiner in letzter Zeit stark vermehrten Unförmigkeit.

      Ich beschloss abzunehmen. Sofort. Mein untrüglicher politischer Instinkt drängte mich dazu. Natürlich war es ein Risiko. Doch gegen meine Untrüglichkeit konnte so ein großkotziges Risiko nichts ausrichten. Natürlich würde auch in diesem Fall wie immer dereinst die Geschichte urteilen. Mein Rechtsanwalt tat es schon heute. Er lud mich ein zu einem vertraulichen Eierlikör. Er nahm kein Blatt vor den Mund. Ich fand, dass seine Mundharmonika so viel besser klang. Er bedankte sich für den Hinweis in vollen Zügen. Er war ein höflicher Rechtsanwalt. Gerne hätte ich ihn weiter empfohlen, aber ich konnte mir seinen Namen nicht merken. Die Ursachen dafür lagen lange zurück. Ich vermutete mindestens in der Steinzeit. Ohne eine moderne, kostspielige Navigatorin würde ich den Weg dahin aber nicht finden. So musste ich, weil ich arm war, warten, bis die Steinzeit mich besuchte.

      Ich wollte mir bis dahin nicht länger zur Last fallen. Darum schloss ich mich auf der Toilette ein. Zeitungen und Zigaretten hatte ich dabei. Es war alles sehr spannend. Ich hatte Blut geleckt. Und ich leckte weiter. Es war eine sehr ruhige und angenehme Beschäftigung.

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