Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1. Harald Hartmann

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Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1 - Harald Hartmann

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      „Sie wünschen?“ fragte sie.

      Ich küsste mehrmals den Tresen. Es war gut möglich, dass das hier bei mobilen Apotheken so üblich war. Zum Wohle meiner Mission wollte ich besser keinen Fehler machen.

      „Ich habe dieses Wahlkampfrezept hier“, sagte ich und zog es hervor aus meiner tiefsten Tiefe. „Es ist von einem sehr gelenkigen Fotografen.“

      Sie nahm es. Sie las es. Sie gab es. Ein beeindruckendes Medikament lag vor mir auf dem vergoldeten Tresen.

      „Damit können Sie die Welt verbiegen“. sagte sie. „Es ist unser Verkaufsschlager.“

      „Was kostet es?“ fragte ich und nahm den Verkaufsschlager souverän in meine schwarzbehaarten Schraubstockhände.

      „Nichts“, sagte sie. „Das zahlt die Kasse.“

      Da wusste ich, dass es noch viel zu tun gab nach meiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten.

      „Darf ich Sie einladen?“ fragte sie geschäftstüchtig.

      Ich nickte. Sie steckte mich in eine große, karierte Plastiktasche und lud mich in ihren Kombi ein. Mit froher Stimme sang ich das Lied von der tiefen Ladekante, eine großartige Erfindung übrigens gegen blaue Flecken und Pferdeküsse. Sie fuhr mit mir zu einer Wiese am Fluss. Die Frau im Navigationsgerät hatte ihr dazu geraten. Dort lud sie mich wieder aus. Wir machten ein Picknick. Die Sonne schien von überall. Wir sahen uns lange Zeit nur an. Bald kannten wir alle Hautunreinheiten unseres Gegenübers.

      „Herzlichen Glückwunsch“, sagte ich zu ihr, als ich genug gesehen hatte. „Sie sind die hundertste Apothekerin, die mich zu einem Picknick eingeladen hat. Allein in diesem Jahr.“

      Ihre Reaktion war unbeschreiblich. So schnell hatte sich die Schar meiner Anhänger wieder vergrößert. Spontan bot ich ihr an, sie zu heiraten, weil es ja meine liebstes Hobby war, Sie flehte mich an, ihr lieber einen Posten im Sanitärbereich meines Präsidentenpalastes zu geben. Natürlich lehnte ich ab. Feigheit vor dem Ministerpräsidenten war etwas, was ich auf keinen Fall dulden durfte. Keiner hatte das Recht, sich meinem Hobby zu verweigern. Es hatte alleroberste Priorität. Mit dieser geradlinigen Entscheidung zeigte ich allen, die es noch nicht gemerkt hatten, dass ich auf dem richtigen Weg war. Daran konnte kein wie auch immer gearteter Zweifel bestehen, ob versteckt oder unversteckt. Denn nur so, wenn es nicht anders kommen sollte, blieben die Kletten wie Anhänger an mir kleben.

      8

      Auf meinem zweifellos weiterhin richtigen Umweg zurück in den Palast des Ministerpräsidenten hörte ich von einem namenlosen Eskimo. Er sprach nur ein einziges Wort. Er beherrschte es perfekt. Es hieß „Ja“ und löste alle Probleme. Damit war er auf Weltreise. Seit vielen Jahren schon. Es war sein einziges Gepäck. Mehr brauchte er nicht, denn eine Zahnbürste konnte er sich überall von jemandem ausleihen. Als ich ihm begegnete, saß er auf einem Okapi. Es war sein Reittier, und es trug, wie ich deutlich sehen konnte, meine ehemaligen Präsidentensocken. Viele Jahre hatte ich vergeblich nach ihnen gesucht und nicht gewusst, wo sie sich aufhielten. Diese Entdeckung nun verursachte eine sofortige und erdrutschartige Wissensvermehrung auf dem tiefsten Abgrund meiner unstillbaren Erkenntnis. Die Lösung des Sockenrätsels war der überraschend auf der Bühne dieses verbissenen Wahlkampfs aufgetretene Beweis: Das Okapi kandidierte ebenfalls für den Posten des Ministerpräsidenten, und zwar mit der unwiderstehlichen Ausstrahlung meiner gestohlenen, ehemaligen Ministerpräsidentensocken. Bei dem ausgesprochen günstigen Preis-Ausstrahlungsverhältnis dieser Socken an Okapihufen war das kein Wunder, über das ich mich wunderte. Das Okapi war schließlich mathematisch ausgebildet und rechnete sich eine gefährlich realitätsfremde Chance aus, die ich aber mit meiner bekannten Realität zu konfrontieren gedachte, um zu zeigen, wer hier die Hosen anhatte und wer nur die Socken. Früh schon hatte der Wahlkampf mit aller Macht eingesetzt. Ich musste die Augen offen halten. Unerwartete Kandidaten lauerten nicht nur sondern auch noch überall.

      Das Okapi dachte daran, eine Rede zu halten, wie mir mein Geheimdienst meldete. Ich dachte auch daran, eine Rede zu halten, eine Rede an die Menschen. Ich wollte aber auf keinen Fall irgendwelche Vorstellungen erwecken. Hier ging es zuallererst um Ehrlichkeit.

      Ich öffnete mein Herz. Heraus kamen Worte, schöne Worte. Eins folgte dem anderen, bis sie endlich zu einer richtigen Rede zusammen gewachsen waren.

      „Liebe Freunde, verehrte Feinde!“, schallte es aus mir.

      Ich war dabei nur auf meine Stimme angewiesen. Die Gebärdensprache stand mir nicht zur Verfügung. Sie war mal wieder nicht gut auf mich zu sprechen seit letzter Nacht und machte nicht mit. Der Grund war privat. So etwas ließ sich am besten intern klären. Ich ließ mich davon aber nicht aus meinem Gewicht bringen und machte einfach rein stimmlich weiter mit der Rede.

      „Die Kokosnuss“, rief ich, ... Der Rest ging unter in einem Meer von Jubel. Ich konnte die Menschen gut verstehen. Ich wartete, bis sie sich ein wenig beruhigt hatten. Ich spürte, wie sie schwergewichtig an meinen Lippen hingen. Der Schmerz war kaum auszuhalten. Trotzdem gelang es mir, laut und kontrolliert den entscheidenden Satz zu sprechen.

      „Lassen wir endlich gewaltige Zwerge burschige Gehäuse entwerfen.“

      Die darauf folgende Stille war heilsam. Dem Okapi hatte ich damit eine richtige Wahlkampflektion erteilt. Es war die Lektion Nummer 21 aus der Sammlung der schönsten Lektionen meines alten Meisters, des doppelköpfigen Hamsters. Mit der Wahrheit kam man eben immer noch am weitesten. Für die Unwahrheit galt natürlich genau das gleiche. Alle Sterne fielen vom Himmel, stellte sich am Ende Dasgleiche als Dasselbe heraus.

      „Hat jemand dazu noch Fragen?“ wollte ich wissen.

      Zuerst meldete sich keiner. Doch dann sah ich weiter hinten die in die Luft gestreckte Hand einer Störenfriedin. Ich kannte sie von irgendwoher. Die Wahrheit selbst war es, die vorgab, noch eine Frage zu haben. Wie meistens wollte sie damit aber nur den Verkehr aufhalten. Sie hätte es besser wissen müssen, denn ich beantwortete grundsätzlich keine Fragen mehr von ihr, weil ihr meine Antworten nie in den Kram passten. Wortlos blickte ich ihr ins ungeschminkte Gesicht. Da sah ich, dass es meine Mutter war, die mal wieder die Gestalt der Wahrheit angenommen hatte. Sie hatte mich nie über sich im Unklaren gelassen. Ich dankte ihr dafür mit dem schnellfüßigen Dank des unbelogenen Sohnes, um sehr weit distanziert von ihr, endlich wieder bereit zu sein, mich in den Wahlkampf zu stürzen. Nur ihrer Ehrlichkeit hatte ich es zu verdanken, dass ich keinen Psychiater brauchte und noch nie einen gebraucht hatte. Das hatte auch, sehr zu seinem Ärger, der bis eben noch grinsende Psychiater in der ersten Reihe gemerkt, als er mir diskret und vorsorglich seine Visitenkarte zukommen lassen wollte. Erwartungsvoll hatte er in mein geschminktes Gesicht geblickt und erschauderte schlagartig wie von der Zitrone gebissen bis in die tiefsten Tiefen seiner Kontoauszüge beim Anblick, der ihn hier schon sehnsüchtig erwartenden, finanziellen Vergeblichkeit.

      Ich ließ mich einfach von niemandem beirren. Mein Weg ging weiter und weiter, immer weiter. Man machte sich ja keine Vorstellungen davon, wie weit ein Weg gehen konnte, bevor man es nicht selbst erlebt hatte. Ich erlebte und erlebte und bediente mich dabei eines uralten Wissens aus der Zeit der Neandertaler. Von ihnen wusste ich, dass bei der Erkundung des weiten, weiten Weges, den ich beschritt, eine gute Nase unabdingbar war. Ich ging daher unverzüglich ein heimliches Verhältnis mit meiner guten Nase ein, und zur Sicherheit auch noch ein unheimliches. So konnte sie mir alles geben, was ich auf meinem weiten Weg brauchte. Meine Nase sah nicht nur schön aus, sie war auch unbestreitbar als Riechorgan auf meinen Wegen wie Umwegen sehr gut einsetzbar, wie mir nicht verborgen geblieben war. Diese Erkenntnis machte meine Nase natürlich sofort zu einem Ei. Es war das Ei des Kolumbus,

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