Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1. Harald Hartmann

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Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1 - Harald Hartmann

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angestellt, weil sie blind waren, ein Schicksal, das sie bekanntlich mit vielen teilten. Aus dem Lautsprecher quoll die Stimme der Wahrheit hervor und verbreitete die Nachricht, dass die beiden Maulwürfe von der Käsetheke ebenfalls für den Posten des Ministerpräsidenten kandidieren wollten. Es war ein absolut verständliches Vorhaben bei ihren optischen Voraussetzungen, und es hätte mich gewundert, wenn sie es nicht vorgehabt hätten. Jetzt wusste ich es also definitiv. Vorher hatte ich es nur geahnt. Ahnen fand ich aufregender als wissen. Aber man konnte nicht alles haben. Wer hätte das besser gewusst als ich.

      Das heiße Wasser hatte mir also die gewünschte Klarheit gebracht und der frische Schaum den merkwürdigen Geschmack der Wahrheit. Jetzt hatte ich alle unwichtigen Fakten zusammen, von denen keiner etwas wissen durfte. Darauf ergab sich mir die ganze Wahrheit, nackt wie die Natur sie geschaffen hatte, ohne Weh und Ach, also freiwillig und ich wusste ab jetzt, dass ich noch viel, viel mehr Wählerstimmen brauchte, als ich ursprünglich gedacht hatte. Ganz genau genommen brauchte ich sogar die meisten Wählerstimmen, wenn ich die Wahl gewinnen wollte.

      Sofort hatte ich die Lösung für dieses globale Problem parat. Für diesen hochkarätigen Job kamen in erster Linie die Hawaii-Hemden in Betracht. Wähler wollten träumen und Hawaii hatte das Monopol auf Träume. In Hawaii gab es sehr viele Hawaii-Hemden. Hier war schließlich die Heimat der Träume. Ich hatte die freie Auswahl, und ich nutzte sie. Ich stellte sie alle in den Dienst meines Wahlkampfs. Danach gab es auf Hawaii keine Hawaii-Hemden mehr, und plötzlich fand ich Hawaii noch viel schöner als vorher. Ich fand es sogar so schön, was ich aber nicht laut sagen wollte, dass meine Wählerstimme selbstverständlich Hawaii gehören würde, wenn es denn ebenfalls kandidieren sollte, was aber natürlich ohne Hemd, also nackt, unzulässig wäre und gegen meine Wahlkampfregeln verstoßen würde.

      In dieser Hinsicht gab es also keine Probleme. Ich konnte somit mal wieder nur an mich denken, was mir eine Wohltat bescherte, als hätte ich einen Spatz mit der Hand vom Dach gepflückt. Jetzt war die Zeit gekommen zu handeln. Schließlich ging es um alles oder nichts. Erst kalkulierte ich alles durch, dann nichts. Ich rechnete angestrengt. Mal war es mehr, mal weniger. Von der Mathematik hätte ich tatsächlich mehr erwartet. Als dann noch alle Kanaldeckel verschwanden, und nichts als dunkle, düstere Löcher übrig ließen, klingelten bei mir alle Alarmtassen.

      Um meine Ohren vor dem lauten Geschepper zu schützen, buchte ich einen sofortigen Kurzurlaub. Es wurde auch höchste Zeit. Mein Magen knurrte schon. Ich unternahm eine Reise mit einem großen Schiff über eine öde Wasserwüste, und mein Magen verlernte auf der Stelle das Knurren. Zufrieden rülpste ich ihm ein dreifaches Danke und stieg eine Treppe hoch, bis es nicht mehr weiter ging. Da stand ich mit einem Mal auf schwankenden Planken in der frischen Luft gleich neben dem versonnen rauchenden Schornstein. Diese für einen Schornstein eher ungewöhnliche Versonnenheit hing bestimmt damit zusammen, dass der Sonnenball ein übermütiges Spiel trieb und dabei war, ganz gegen seine sonst so leicht berechenbare Gewohnheit, über das Oberdeck meines Kreuzfahrtschiffes zu rollen. Mal hin, mal her, mal vorwärts, mal rückwärts, alles ohne dabei in den Ozean zu fallen, was sicher sehr gespritzt hätte.

      Den langschnauzigen Hunden in ihren Liegestühlen gefiel das seltene Schauspiel natürlich auch. Sie ließen sich aber nichts anmerken, fast nichts. Nur ein bißchen schielten sie über den Rand ihrer Börsenmagazine. Ich fand sie cool. Gerne wäre ich auch einer von ihnen gewesen. Aber ich war ja im Wahlkampf. Ich hatte keine Wahl, sie schon. Ich hatte zu tun. Darum verließ ich sogleich mit meiner unnachahmlichen, unverzüglichen Art die gut gemanagete Lustorgie auf dem tiefschwarz vor sich hin kokelnden Kreuzfahrtschiff mit einem schnellen Sprung über die Reling und ging übers Wasser auf direktem Weg und zielgenau nach Hause, wie wenn ich eine fliegende Taube gewesen wäre.

      Ich kam gerade noch rechtzeitig an, um etwas zu erleben, das nur wenig später schon vergangen gewesen wäre und somit für mich unsichtbar. Aus einem großen, bunt gestreiften Zirkuszelt ergoss sich gerade ein zäher Schleim berauschender Geräusche über die Straße, der mich sogleich umfing und unwiderstehlich in das Zelt hinein zog. Wenn es um den Wahlkampf ging, war ich ein großer von Freund von Zirkusnummern aller Art. Und tatsächlich! Mitten in der Manege stand der Riesenkalmar. Er stand in vollem Wahlkampf und kandidierte für den Posten des Ministerpräsidenten mit einer meisterlich vorgetragenen Todesspirale ganz alter Schule. Mit jedem Arm bediente er dazu noch einen Staubsauger, natürlich alle gleichzeitig. Es war eine Symphonie aus einer Welt bisher unerreichter Gefühle. Zu verdanken hatte er diese Erfolgsnummer einem gewöhnlichen Staubsaugervertreter, der ihn darüber informiert hatte, dass er als Riesenkalmar Anspruch auf acht Staubsauger hatte. Das ließ er sich natürlich nicht zweimal erklären und hatte sofort zugeschlagen und, ohne zu zögern, die unterschriftsreifen Verträge unterzeichnet und acht komplette Staubsaugerausrüstungen geordert. Da erwies sich wieder einmal der oft belächelte, alte Satz als richtig: Gute Informanten waren im Wahlkampf genau so wichtig wie gute Tanten. Er hatte nun eine respektable Nummer. Die Zuschauer tobten. Er war ein ernst zu nehmender Gegner, ein Gegner von Format. Als erste Maßnahme stellte ich ihm den Strom ab.

      Der Riesenkalmar hatte mir mit seiner Nummer einen wichtigen Hinweis gegeben zu einem Aspekt, den ich bisher vernachlässigt hatte. Es war die Romantik. Wahlkampf musste auch romantisch sein, so romantisch wie das Wahlvolk selbst. Ein bißchen mehr konnte aber auch schon schaden. Romantik war ein kniffliges Eis, in das man ungewollt und leicht einen Knoten machen konnte und dann nicht mehr weiter kam. Ich wusste, dass ich auf diesem Gebiet noch einigen Nachholbedarf hatte. Um alles Zurückgebliebene nun nachzuholen, gab ich mich ganz dem Gesang meiner romantischen Stimme hin. Es dauerte nicht lange, da gelangte ich in einen Wald voller romantischer Stimmen, aus verführerisch aufgeworfenen Lippen sich ergötzlich ergießend, die mir zeigten, dass der zähe Schleim des Riesenkalmars nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zur Romantik und durchaus noch steigerungsfähig war. Bald wusste ich, wie Romantik knotenlos geht. Als dann noch im Wahlkampfbüro die Rohre platzten und Wasser durch die Decke tropfte, war ich zu einem nicht mehr weg zu diskutierenden Romantiker geworden. Für die Erfordernisse des Wahlkampfs reichte dieses Level natürlich mit Leichtigkeit.

      Weil es langsam nass auf meinem Kopf wurde, gebot ich dem Wasser Einhalt. Es gehorchte sofort. Mit einer ehemaligen Ministerpräsidentenstimme ging so etwas selbstverständlich. Die machte schon Eindruck. Alle sahen mich bewundernd an. Ich blieb locker wie ein Jugendlicher. Das konnte ich sehr gut, weil mein Erbgut voll davon war. Ich setzte mich, um das Interesse an mir ins Unmessbare zu transportieren, mit einer Spezialhaltung auf einen Stein und begann zu denken wie einer meiner Vorfahren aus dem Mittelalter, das damals aber noch gar kein Mittelalter war, als er auf einem Stein saß und dachte, ebenso wenig wie mein Vorfahr ein Vorfahr. Das Denken klappte mal wieder ganz ausgezeichnet. Angelockt von der Schönheit meiner Gedanken kam mein Vater herbei geflogen. Er kam wie aus dem Nichts und landete zu meinen Füßen.

      „Das mit dem Wasser an der Decke hast du gut gemacht“, sagte er.

      „Das war nicht schwer“, sagte ich.

      „Ich habe schon immer gewusst, dass was in dir steckt“, antwortete er.

      „Bei dir habe ich es erst gemerkt, als du schon tot warst“, sagte ich.

      „That's life“, lachte er.

      Ich hatte bis dahin gar nicht gewusst, dass er Englisch konnte.

      „Viel Glück bei der Wahl“, rief er mir zu. „Meine Stimme hast du.“

      Dann war er auch schon wieder weg. Er liebte die Freiheit. Er war ein guter Vater.

      Ich wollte auch aufbrechen, mal wieder mitten hinein in den Wahlkampf. Doch die gefangene Luft hatte sich aus dem Kerker meiner Fahrradreifen befreien können. Ich war platt. Wie hatte sie das bloß geschafft? Die Gummibären, die mir jetzt hätten helfen können, hatte ich längst aufgegessen. Sie waren mir deshalb nicht böse gewesen, sie hatten mir sogar noch ihre gesamten Kalorien geschenkt. Ich lagerte sie in meinem Depot für schlechte Zeiten. Die

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