Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1. Harald Hartmann

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Trilogie der reinen Unvernunft Bd.1 - Harald Hartmann

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zu empfangen. Er sprach eine leicht verständliche Sprache. Die Friseuse verstand sofort, was er wollte. Sie ließ ihr Haar herunter. Da ließ auch ich mein Haar herunter. Die Folgen waren absehbar wie immer, wenn ich zu diesem Mittel griff.

      Wie gerufen tauchte das Universum auf aus seinem gemütlichen Nichts. Wenn es um die Schönheit ging, ließ es sich nicht zweimal locken, niemals. Ungeschützt verließ es sein enges Versteck und sonnte sich in meiner unwiderstehlichen Schönheit. Es wünschte einen guten Tag. Ich erwiderte seinen Gruß. Eine Sitzgelegenheit bot ich ihm nicht an. Ich wusste, dass es von Hause aus lieber schwebte. Wir tranken Tee. Schweigend und schwebend. Wir hatten uns nichts zu sagen. So war es schon immer gewesen mit uns zwei. Es sonnte sich bis fast zur Besinnungslosigkeit, und ich kämmte dazu mein dünnes Haar. Es war ein gänzlich sinnloses Tun. Unter anderem. Das Universum lachte. Ich auch. Das hätte ich nicht von mir erwartet.

      „Regen, wollen Sie Regen statt Sonne?“, unterbrach uns der Häuptling, der neben dem Hahn, welcher immer noch im Rausch der Schönheit auf meinem Ministerpräsidentenstuhl saß, Platz genommen hatte, unsere Ekstase des Frohsinns. „Ich könnte welchen machen für Sie.“

      Dabei saß er wie angegossen auf seinem Häuptlingsstuhl und wartete auf seine Häuptlingsbehandlung.

      „Fragen Sie in dieser Angelegenheit am besten die Putzeimer im Garten des Ministerpräsidenten“, antwortete ich.

      Er bedankte sich mit ausgesuchter Höflichkeit. Ein Häuptling mit ausgezeichneten Manieren! Alle Achtung! Er küsste meine Füße. Ich erwiderte höflich seinen Gruß und küsste ausführlich seine naturbelassenen Häuptlingsfüße. Daraufhin küsste er wieder meine Füße und ich die seinen. Wir einigten uns darauf, dieses auch in Zukunft zu tun. Da hatte ich einen Zipfel meiner Zukunft zu fassen bekommen! Ohne überflüssige Sucherei. Ich hatte wieder einmal alles richtig gemacht. Wir spielten eine Partie Zukunftsquartett. Die Folgen waren reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Der Häuptling bekam seine Häuptlingsbehandlung, und ich bekam die stärksten Bauchschmerzen der Welt. Das war aber nur zu meiner Orientierung. Ich sehnte mich augenblicklich zurück nach der guten, alten Zeit ohne sie. Da erkannte ich, dass meine Zukunft in der guten, alten Zeit lag, in der Zeit ohne Bauchschmerzen. Ich beschloss, mich sofort und ohne weitere Federleserei zu betreiben, dorthin zu begeben auf der schönsten Serpentine, die ich finden konnte. Ich hob meinen besten Arm und winkte, wie man einem Taxi winkte.

      5

      Das Licht stoppte. Ich befand mich an der Haltestelle des Lichts. Ich trat ein. Ich setzte mich auf einen Hocker. Das Blau des Hockers wog 31 Gramm, schätzte ich, das Blau des Himmels müsste ebenso viel wiegen. Ich war sogar ganz sicher, dass es überhaupt keinen blauen Unterschied gab zwischen dem Hocker und dem Himmel. Doch diese Sicherheit verwandelte sich schlagartig in eine aufregende Unsicherheit, als ein einbeiniger Briefträger unnachgiebig und mit lockendem Augenaufschlag mit seinem blauen Dienstfahrrad auf mich zu radelte. Mit einem professionellen Briefträgergriff langte er in seine linke Gesäßtasche und übergab mir eine Pudelkugel. Ich kannte keine Pudelkugeln. Ich war viel in der Welt herum gekommen, ohne dass Pudelkugeln mir waren untergekommen. Ich fühlte mich wie eine von einem elektrischen Schlag ziellos hinweg geschleuderte Flipperkugel.

      „Sehr wichtig“, sagte er.

      „Das kann jeder sagen“, sagte ich und ergriff die Pudelkugel mit meinen abgewählten Ministerpräsidentenhänden.

      Eingehend betrachtete ich sie und das Geheimnis ihrer extremen Rundheit, die ihr so eigen war wie die Häuptlingsfüße dem Häuptling. Allerdings tat ich es wohlwissend nur mit dem oberflächlichen Blick des einbeinigen Briefträgers. So schützte ich sie vor der gefährlichen Geheimnislüftung, die im Augenblick überall unterwegs war und alles und jeden mit ihrem unlöschbaren Wissensdurst verschlingen wollte. Ich küsste sie ausgiebig und geräuschvoll von Nord nach Süd und auch um ihren Äquator herum, ganz so wie ich es auch getan hätte mit einem naturbelassenen Häuptlingsfuß, wenn er rund gewesen wäre. Sie schmeckte ganz so, wie sie aussah. Denn sie war sehr schön. Sogar mehr als das. Sie war viel, viel schöner als es gesetzlich erlaubt war. Damit war sie natürlich illegal. Das musste aber nicht so bleiben, denn jetzt hatte sie ja mich. Und ich hatte sie. Mit meinem undurchdringlichsten Pokerface, an dem bisher noch jeder wissendurstige Angriff, ob von außen oder innen, zerschellt war wie ein verschwitztes Paar Sportlersocken, steckte ich sie erst einmal zum späteren Verzehr oder einer anderen, mir im Augenblick noch verborgenen Verwendung in meine dunkle, warme Hosentasche zu meinen verschrumpelten, gebrauchten Papiertaschentüchern. Schneller als ein Hahn zu krähen aufhören konnte, gebar ich einen Gedanken, der schon bald zu einem respektablen Plan gereift war. Sollte ich wieder zum Ministerpräsidenten gewählt werden, würde ich unverzüglich der Schönheit von Pudelkugeln zu einem Übermaß an Legalität verhelfen, zum Ausgleich und zur Entschädigung wegen erlittenen Illegalität, mehr noch, ich würde mit einem elegant designten Gesetz zur Legalisierung ihrer Schönheit nicht bei ihr haltmachen, sondern die Schönheit überhaupt und an und für sich und überall mit einbeziehen. Für die Schaffung einer flächendeckenden, befreiten Schönheit würde ich bestimmt die Zustimmung unzähliger, hoch talentierter Anhänger finden, die bisher im Verborgenen illegal der Schönheit huldigen mussten. Ich wusste, was das hieß. Das war das lange schon wissenschaftlich vermutete, unentdeckte Wählerpotenzial! Vor mir hatte sich ein Weg von grenzenloser Schönheit aufgetan. Es war der Weg in meine so lange gesuchte Zukunft. Endlich hatte er sich mir offenbart. Es war der Weg zurück in den schicken Amtssitz des Ministerpräsidenten mit seinem rosinengelben Lustgarten. Der Wahlkampf hatte soeben begonnen.

      Ich begab mich in mein Hauptquartier. Es war ganz voll. Alle waren da. Die Luft war nicht sehr gut, weder hinter mir noch vor mir. Der Grund war unbekannt. Nie gab es Gründe für irgendetwas, weder damals während meiner Amtszeit noch heute. Das war mehr als beruhigend, auch im Hinblick auf die Zukunft. Um aber deswegen nicht einzuschlafen, verließ ich mein warmes Hauptquartier und leckte mir ein aufmunterndes, eisgekühltes, italienisches Eis in drei Geschmacksrichtungen in der Eisdiele gleich nebenan. Dazu nahm ich mir noch einen freien Wunsch und wünschte mir, dass es immer so schön bliebe wie in einem Märchen. Der Wunsch ging sofort in Erfüllung.

      „Danke“, sagte ich zu ihm.

      „Bitte“, sagte er. „Dafür bin ich doch da.“

      Im selben Moment erschrak er, weil er etwas gemerkt hatte, aber zu spät. Er hatte sich verplappert und das auch noch gleich neben meinem Hauptquartier mit seinen riesigen Lauschern. Es sollte doch keiner wissen und ganz besonders nicht ich, dass ein Wunsch nur zu seiner Erfüllung auf der Welt war. Ich gehörte damit fortan zur Gruppe der Geheimnisträger. Schwerelose Kredite und unübliche Rabatte waren die unausweichliche Folge. Würde ich selbst mich nun auch noch verplappern, wäre die Welt augenblicklich von ihrer grundlosen Ordnung befreit. Doch die Welt war meine Geisel und ahnte es nicht einmal. Wahlkampf war schön, wenn man selbst Bescheid wusste und die anderen nicht.

      Mit einigen stakkatoartig in die schwüle Wahlkampfluft entlassenen Lachstößen überließ ich mich daraufhin ganz vertrauensvoll meinen verwegen schreitenden Schritten, die mich dorthin führten, wo bestimmt keine Musik spielte. Es war ein Geschäftslokal der alten Art ohne den sonst allgegenwärtigen, nervtötenden Sumpf klanglicher Überredungsversuche, sobald man eintrat, was sogleich die Konzentration auf meine Aufgabe aus ihrem von der reinen Vernunft geplagten Fokus heraus katapultierte in eine unbekannte Welt ohne die üblichen, überteuerten Dopingmittel. Ich drückte die Klinke der Eingangspforte, und die schwere, Eisen beschlagene Tür öffnete sich mit einem stöhnenden Willkommensgruß.

      „Haben Sie fliegende Teppiche?“, fragte ich den Teppichhändler.

      Nachdenklich zupfte er an seinen langen, eleganten Nasenhaaren. Darüber schlief er ein. Ich weckte ihn. Er prüfte akribisch, ob keiner seine Nasenhaare entwendet hatte. Sie waren alle noch da. Mich überraschte

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