Kopfsprung ins Leben. Marc Lindner

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Kopfsprung ins Leben - Marc Lindner

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style="font-size:15px;">      Jane beschleunigte ihre Schritte und war sogleich verschwunden.

      Ich erinnerte mich an meinen Fehler und wollte ihr hinterher eilen. Aber das ging nicht. In meinem Kopf begann es von Neuem zu hämmern, noch bevor ich ganz aufgestanden war. Ich blieb stehen und dehnte meinen Rücken in der Hoffnung ich könnte den Schmerz vertreiben. Wenigstens meine Haltung wollte ich wahren und blickte mich ausgiebig um. Überall war es blendend hell und die Erinnerungen an die letzte Nacht wollten nicht hierhin passen.

      „Wo komme ich denn her?“ Ich drehte mich im Kreis und fand keinen Platz zum Halten. Mir wurde schwindlig und ich stolperte ein paar Schritte in Richtung Tür und klammerte mich an die Wand um nicht zu kippen. Ich brauchte einen Moment um zu verschnaufen. Drinnen kam mir, nach der blendenden Sonne, alles dunkel vor. Ich hörte Glas klirren und wusste dass Jane im Keller zu Gange war. Ich überlegte ob ich warten sollte bis sie wieder hoch kam. Doch so energisch das klang, wie sie bei der Arbeit war, glaubte ich, dass das noch eine ganze Weile dauern würde.

      Deshalb stieß ich mich leicht von der Wand ab und hangelte mich am Esstisch vorbei in Richtung Treppe. Die Geräusche wurden lauter. Nach einem etwas längeren Blick auf die Bar folgte ich den Stufen nach unten.

      Ich fühlte mich wie in einem schlechten Traum. Meine Beine bewegten sich unsicher und ich vermochte sie nicht zu kontrollieren. Meine Hände strichen über die Wand, als wäre ich ein Einbrecher. Und es war mir, als hätte ich nicht das Recht dort hinunter zu gehen.

      Ich stand bereits eine Weile unten an der Treppe bevor Jane meine Gegenwart bemerkte. Sie hielt mitten in der Bewegung inne, ohne sich aufzurichten oder auch nur umzudrehen.

      Ein Zittern ergriff meinen Körper und ich drückte beide Hände hinter mich gegen die Wand, damit sie mit dem Zittern aufhören sollten.

      Ich wollte etwas sagen, doch ich wagte es nicht. Da waren so viele Worte, so viele die nur falsch zu verstehen waren. Ich selbst verstand sie nicht. Ich wünschte ich könnte schreien, damit ich all das Schweigen nicht hören musste. Jane wollte sich in Luft auflösen, doch es gelang ihr nicht.

      Der Moment schien festgefroren. Keiner bewegte sich. Ich konnte spüren wie sie in Gedanken den Raum hinter sich ausmaß. Doch es führte kein Weg an mir vorbei. Die Seitentür nach außen war mit Getränkeboxen zugestellt. Sie musste still mit sich fluchen, dass sie die dort abgestellt hatte. Zu allem Überfluss stand ich so dicht an der Treppe, dass sie nicht berührungslos an mir vorbei kommen konnte.

      Zu der Einschätzung musste sie auch eben gekommen sein. Ich beschäftigte mich seit einer Weile mit dem Gedanken einen Schritt zur Seite zu gehen, konnte mich aber nicht entscheiden.

      Jane drehte sich um und ihr Mund lächelte. Sie gab nicht vor überrascht zu sein. Sie nickte mir grüßend zu, bückte sich und schnappte sich eine Kiste mit Gefrierelementen. Ihre Schritte wirkten sicher als sie auf mich zukam.

      Endlich tat ich den Schritt zur Seite.

      „Es tut mir leid.“

      Sie betrat eben die Treppe.

      „Ich wollte nicht.“

      Sie ging weiter nach oben.

      „Wir räumen lieber noch ein bisschen auf, bevor dein Vater kommt.“

      Ich blickte mich um und sah auf den Turm voll Müll den der gestrige Abend hinterlassen hatte.

      Als ich erneut zur Treppe sah, war Jane bereits verschwunden. Schwerfällig arbeitete ich mich die Treppe hoch.

      Jane stand hinter der Bar und wischte nass auf. Wo sie den Eimer so schnell her hatte, blieb mir ein Rätsel. Sie wandte mir den Rücken zu und war eifrig dabei zu schrubben. Dennoch war von Hektik bei ihr nichts zu erahnen.

      Sie bewegte sich wesentlich schneller und flinker als es ihrem Körperbau entsprach. Ich hörte Vaters Stimme.

      „Die Putze putzt“, pflegte er zu sagen, wenn er sie so sah.

      Dabei lachte er stets leise, als würde er sich für seine Wortkom­bin­ation bewundern.

      Ich hielt mich an der Wand fest. Es war so ungerecht.

      „Du kannst die Kisten hinunter tragen.“ Jane blickte mich kurz an und zauberte ein neues Tuch aus ihrer Schurze hervor und nebelte den Spiegel mit ihrer Sprühflasche ein.

      Ich ließ meinen Oberkörper nach vorne kippen und stützte mich am Tresen ab. Am anderen Ende der Bar standen drei Kisten mit leeren Flaschen. Ich nahm eine Kiste und ging zur Treppe. Es kam mir vor, als wären alle Flaschen gefüllt, so schwer wog es in meinen Armen. Das Gehen fiel mir noch schwerer. Als ich die ersten Stufen hinter mir hatte, erkannte ich den Fehler. Es war keine Hand frei, um mich an der Wand abzustützen. Stehen bleiben konnte ich auch nicht mehr. Mein Oberkörper zog mich nach unten. Doch auch so kam ich nicht weit. Meine Beine verloren den Rest Kontrolle, den sie noch hatten. In dem verzweifelten Versuch das Gleichgewicht zu wahren, setzte ich die Füße schneller ab. Doch diese entwickelten eine Eigendynamik, derer ich nicht gewachsen war. In der Hälfte der Treppe kippte mein Körper endgültig nach vorne. Meine Füße verloren den festen Boden unter sich. Die Kiste entglitt meinen Händen und flog in einem hohen Bogen nach unten. Mein Oberkörper schlug schmerzhaft auf und kippte zur Seite. Die restlichen Stufen rollte ich unkontrolliert in die Tiefe. Zusammen gekauert blieb ich liegen. Lautes Klirren schallte mir entgegen, während viele der Flaschen brachen. Die Scherben lagen in einem weiten Kreis verteilt. Mit Alkohol beladener Dunst erhob sich und erweckte unerwünschte Geister in meinem Kopf.

      Kleine Splitter glitzerten auf der Erde und mir war es, als wäre das Klirren immer noch zu hören. Die Welt kam nicht zur Ruhe. Überall war Lärm und Schmerz. Ich lag gegen die Wand gerollt auf der Erde. Als ich wieder zur Ruhe kam, horchte ich.

      Doch Jane kam nicht nach mir sehen.

      Eine Weile starrte ich die Treppe hoch. Dann zog ich mich an der Wand nach oben.

      Jane war immer noch am Wischen. Die Stühle waren hochgestellt und der Boden glänzte feucht. Auch wenn sie es bemerkte, so reagierte sie nicht, als ich ihr bei der Arbeit zusah.

      Ich konnte mich nicht entschließen etwas zu sagen und senkte den Blick. Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf, bevor ich glauben konnte, was ich dort sah. Vor meinen Füßen stand ein kleiner Handfeger samt Eimer und Schaufel.

      Ich sah Jane nochmals an und gehorchte ihrem Befehl.

      Auf allen Vieren rutschte ich über den Kellerboden und sammelte die Scherben auf.

      Es war mühselig und nicht selten fand ich unter meinem Knie einen Splitter der mitrutschen wollte.

      Mehrmals setzte ich mich auf den Hintern und musste resignierend feststellen, dass Jane das viel schneller und gründlicher tun würde.

      So konnte das nicht weiter gehen. Nachdem die meisten Scherben eingesammelt waren, stand ich auf und fasste einen Entschluss. Diesmal würde Jane mich nicht aufhalten. Keiner würde mich aufhalten.

      Den Eimer mit Scherben stellte ich direkt neben Jane ab.

      „Hier bitte“, sagte ich und reichte ihr den Handfeger.

      „Danke.“ Sie musterte mich von oben bis unten.

      „Das hast du gut gemacht, mein Junge.“ Alles war

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