Liebesblues. Christine Jörg
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Was ist das nur für eine schüchterne oder soll ich vielleicht sagen, verklemmte, Frau, denkt Gerd. Dabei sieht sie, so wie er es erahnt doch recht passabel, ja sogar anziehend aus. Auf seine ganzen geistreichen Reden geht sie nicht ein. Oder sind seine Reden vielleicht nicht geistreich? Wie kann er sonst noch versuchen, sie aufzuheitern? Vielleicht sollte er sie dazu überreden mit zu ihm zu kommen. Er könnte ihr von seiner Kleidung leihen.
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Immer noch starrt Marianne den fremden Mann an. Er sieht ganz ordentlich, zwar nass, aber normal aus. Sie nimmt an, dass er Anfang bis Mitte Vierzig sein mochte. Wie schon erklärt, ist er etwas größer als sie selbst, also größer als ein Meter fünfundsechzig. So gesehen ist es nicht schwierig größer als sie zu sein. Mit eins fünfundsechzig überragt sie nicht gerade die anderen Menschen.
Um nicht immer den Fremden anzustarren wendet sie sich um und blickt durch die einzige Öffnung, die als Fenster dient.
Sie will nicht ewig schweigen, also sagt sie: „Es scheint jetzt weniger zu regnen. Ich glaube, ich breche wieder auf.“
„Sie holen sich den Tod, wenn Sie jetzt weiterradeln“, wirft der Mann sofort ein. „Wo wohnen Sie denn? Ich kann Sie nach Hause bringen.“
Nun kann Marianne nicht umhin. Sie grinst ihn an und fragt: „Sie wollen mich nach Hause bringen? Wie denn? Mit Ihrem Fahrrad? Das kann ich allein! Meins steht nämlich auch draußen vor der Tür, direkt bei Ihrem.“
„Nein, nein“, wehrt er schnell ab und muss lachen, „so habe ich das nicht gemeint. Ich habe mein Auto in Waltenhofen stehen. Es ist vernünftiger mit mir zu kommen. Sie bekommen trockene Kleidung, und ich fahre Sie danach mit dem Wagen nach Hause. Ist das nicht ein gutes Angebot? Ich wollte Ihnen aber keineswegs zu nahe treten“, versucht er zu erklären.
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Man muss bei dieser Frau gewaltig aufpassen, damit sie nichts in den falschen Hals bekommt, stellt Gerd fest. Weshalb ist sie nur so überempfindlich? Vielleicht hat sie einschlägige, schlechte Erfahrungen gesammelt. Ein Reiz für ihn! Schon lange hat er sich nicht mehr derartig für eine Frau und deren Wohl interessiert. Diese kratzbürstige Person stellt für ihn eine Herausforderung dar.
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Genau den Eindruck, dass er ihr zu nahe treten will, gewinnt Marianne. Doch das gesteht sie ihm nicht und so sagt sie: „Ich muss nach Immenstadt.“ Weshalb sie ihm das erzählt weiß sie nicht. Schließlich möchte sie nicht von ihm nach Hause gebracht werden. Aber nun ist es geschehen. Schon wieder reagiert sie falsch. Sie ist unfähig sich durchzusetzen. Ein klares Nein hätte genügt um alleine nach Hause zu radeln. Wann wagt sie es endlich klar Nein zu sagen? Marianne ist ärgerlich mit sich selbst.
„Na, sehen Sie“, meint Gerd sofort, „dann ist mein Auto tatsächlich näher. Also abgemacht, ich bringe Sie nach Hause.“
„Nein, danke“, wehrt sie schwach ab, „es geht schon.“ Marianne hat noch nie ein selbstbewusstes Auftreten gezeigt. So auch heute nicht. Dieser Mann überrumpelt sie einfach. Sie bemerkt es und wehrt trotzdem nicht ab.
„Keine Widerrede“, wendet er sofort ein.
Also hält sie den Mund und beschließt noch etwas abzuwarten. Leider friert sie immer mehr und beginnt leicht zu zittern. Sie versucht sich zusammenzureißen, doch es gelingt ihr nicht. Ihr ganzer Körper ist mit einer Gänsehaut überzogen, ihre Brustwarzen drücken sich an ihrem durchnässtes T-Shirt ab. Damit er es nicht sieht verschränkt sie die Arme in Brusthöhe. So verhindert sie gleichzeitig ein allzu heftiges Zittern.
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Meine Güte wie sie zittert. Sie tut Gerd Leid. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und warm gerieben, doch er hütet sich vor jeglichem Annäherungsversuch. Sein Gefühl sagt ihm, dass dies sofort in einem Fiasko endet und genau das ist zu vermeiden. Er hat fest beschlossen alles daranzusetzen, sie wiederzusehen. Vorsicht ist also geboten! Er kann es nicht genau sagen, doch irgendetwas an dieser Person zieht ihn wie einen Magnet an. Gibt es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick wirklich? Vor allem, was hat er schon von ihr gesehen? Gesprochen hat er auch nicht mit ihr. Langsam fragt er sich, ob er überhaupt noch bei Trost ist. Was will er von ihr? Das Unbekannte erforschen? Man wird sehen.
Als Marianne immer noch nicht den Mund aufmacht, sagt er entschlossen: „Also abgemacht. Warten wir ein bisschen, vielleicht beruhigt sich der Regen ein wenig. Übrigens, wenn wir schon unser Leid teilen müssen, will ich mich wenigstens vorstellen. Gerd Malmann.“
„Marianne Kleiner“, automatisch gibt sie ihren Namen bekannt, obwohl sie das gar nicht will. Was geht es ihn schon an wie sie heißt, schließlich interessiert sie der gute Mann nicht. Trotzdem stellt sie sich vor.
„Sehr erfreut, Marianne“, antwortet er fröhlich.
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Er geht ihr langsam auf die Nerven. Weshalb kann er nicht in Ruhe warten bis es aufhört zu regnen. Und vor allem den Mund halten? Sie hat ihn doch gar nichts gefragt. Zudem verspürt sie keine Lust mit ihm Smalltalk zu führen. Über was auch? Phrasen über das Wetter wie die Engländer? Sie sind nicht in England, wo man sich gerne über das Wetter unterhält. Das hat sie sich zumindest sagen lassen. Wieder macht sie sich Vorwürfe, dass sie überhaupt hier angehalten hat. Sie friert zunehmend und kann das heftige Zittern nicht mehr unterdrücken.
Natürlich bleibt Gerd Mariannes Zittern nicht verborgen. So wie er sie ständig anstarrt! Er bietet trotz aller Vorsicht, die angebracht ist an: „Soll ich Sie ein wenig warm reiben? Sie erkälten sich noch.“
„Nein, danke, es geht schon“, antwortet sie diesmal schnell und bestimmt. Weshalb soll sie sich von einem wildfremden Mann anfassen lassen? So sehr friert sie nun doch nicht.
Eine Zeit lang stehen sie schweigend da. Wie lange kann sie nicht sagen. Sie hat keine Uhr dabei. Inzwischen weiß sie nicht mehr, wie kalt ihr wirklich ist. Entsetzlich kalt einfach! Sie hofft nur, sie wird vor lauter Zittern nicht vom Rad stürzen, wenn sie später losfährt.
Schließlich legt sich der Regen ein wenig, deshalb schlägt Gerd vor:
„Lassen Sie uns fahren.“ Er ergreift ihren Ellbogen, bevor sie abwehren kann und führt sie hinaus. Die Fahrräder triefen. Nass wie sie ist, kann es ihr jedoch egal sein, ob sie sich auf den durchweichten Sattel setzt oder nicht. Doch dieser fürchterlich, hilfreiche Mensch ist schon dabei den Sattel mit einem Taschentuch zu säubern. Erst dann trocknet er den eigenen Sattel ab. Ein Kavalier eben!
Sie steigen auf. „Folgen Sie mir!“, fordert er sie auf, bevor sie die Flucht ergreifen kann und tatsächlich, brav, wie ein Hund, folgt sie ihm.
Der große Unbekannte steuert Waltenhofen an. Marianne beginnt sich Fragen zu stellen. Wo hat dieser Mensch eigentlich sein Auto abgestellt?
Gerd setzt zielstrebig seinen Weg fort. Als Marianne das berühmte Licht aufgeht ist es bereits zu spät. Der gute Mann ist an seinem Ziel, nämlich bei sich zu Hause angekommen.
Scheiße, ist der erste Gedanke, der Marianne jetzt durch