Liebesblues. Christine Jörg

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Liebesblues - Christine Jörg

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offensichtlich nicht erwachsene, dreißigjährige Frau. Eine Blöde, wie sich jetzt wieder zeigt, aber immerhin… Marianne ist über ihre enorme Dummheit so schockiert und derart mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie gar nicht mitbekommt, dass der Mensch sie anspricht.

      „Wie bitte?“, fragt sie. Wenigstens diese Höflichkeitsfloskel kommt ihr über die Lippen und nicht das tölpelhafte ‚Was’.

      Gerd tritt näher. Marianne will schon zurückweichen, als er wieder stehen bleibt und sagt: „Ich denke, wir trinken einen Tee. Sie bekommen von mir trockene Kleidung. Irgendetwas wird schon passen. Und dann fahre ich Sie nach Immenstadt.“

      „Nein, danke“, winkt Marianne schnell ab und will sich schon auf ihr Rad schwingen und die Flucht ergreifen.

      Dieser unverschämte Mann stellt sich ihr in den Weg. Sie kommt nicht an ihm vorbei. Beschwichtigend hebt er die Hände, die Handflächen ihr zugewandt:

      „Also gut, keinen Tee oder Kaffee. Ich habe verstanden. Egal wie, ich ziehe mich um. Ihnen bringe ich eine Wolldecke. Damit wickeln Sie sich ein und setzen sich ins Auto. Ich bin gleich zurück.“

      Marianne ist wieder abgestiegen. Artig wartet sie bis der Mann mit der Wolldecke zurückkehrt. Inzwischen hat sie wieder zu zittern begonnen.

      Während er ihr die Decke reicht, nimmt er ihr das Fahrrad ab und lehnt es an den Gartenzaun. Dann öffnet er die Beifahrertüre des Autos und wartet bis Marianne eingestiegen ist.

      „Ich bin gleich wieder da“, damit schlägt er die Autotür zu und hastet ins Haus.

      Marianne sitzt alleine im Auto. Arm ist der Mensch bestimmt nicht. Mercedes! Nicht gerade der Kleinste, wie sie vermutet. Das Haus? Na ja, wenn es ihm gehört, ist es nicht von schlechten Eltern.

      Trotzdem bedauert sie, nicht gleich vom Unterschlupf nach Hause geradelt zu sein. Franzi wird wütend sein, wenn sie so spät heimkommt. Marianne wollte nicht so lange wegbleiben. Und Mäxchen, ihr Hund, der muss Gassi gehen.

      Sie ist noch in Gedanken versunken, als Gerd in blauen Jeans und knallroter Regenjacke erscheint. Er schnappt das Fahrrad und klemmt es im Kofferraum fest. Marianne steigt nicht aus um zu sehen wie er das macht. Sie wartet einfach nur ab.

      Gerd steigt ein. „Na, Sie zittern ja immer noch.“ Er startet das Auto und schaltete die Heizung auf Hochtouren. Zunächst kommt jedoch kalte Luft aus der Belüftung. Doch bald wird es warm. „Schließlich wollen wir nicht, dass Sie sich erkälten“, erklärt er ihr mit einem freundlichen Lächeln.

      Was geht ihn ihre Gesundheit an? Er ist schließlich auch nass geworden und ihr ist dies im Grunde genommen vollkommen egal. Diese Gedanken schießen Marianne durch den Kopf.

      Während er fährt kann Marianne es nicht unterlassen, ihn von der Seite zu mustern. Eigentlich sieht er gar nicht übel aus. Der erste Anblick aus dem Stadel bestätigt sich. Sein Haar ist leicht ergraut und auf der Stirn haben sich ein paar Falten eingeprägt. Seine Augen, das hat sie vorhin gesehen, sind bernsteinbraun. Schöne Augen, findet sie. Er ist eher schlank und hat für ihre Begriffe unwahrscheinlich schöne Hände. Ja, hässlich ist er nicht. So viel zu dem Thema.

      Sie sind beinahe in Immenstadt angekommen, als er das Schweigen bricht: „Haben Sie Lust heute Abend mit mir Ihre Rettung aus den Fluten des Platzregens zu feiern?“ Er schaut kurz zu ihr hinüber.

      Zuerst starrt Marianne ihn erstaunt von der Seite an, dann wird sie rot, das fühlt sie und schließlich antwortet sie: „Tut mir leid, aber ich habe noch einiges zu erledigen. Da sind die Kinder zu versorgen, die sicherlich auch durchnässt vom Fußball nach Hause kommen werden und dann muss ich trotz des Wetters den Hund spazieren führen. Aber vielen Dank für das Angebot.“ Weshalb ihm Marianne etwas von Kindern, die sie gar nicht hat, vorgaukelt, weiß sie nicht. Sie nimmt einfach an, dies soll zur Abschreckung dienen. Welcher Mann interessiert sich schon für eine Frau mit Anhang?

      Dafür erklärt sie ihm, wie er sie in die Nähe des Hauses bringen kann. Als sie dort ankommen, macht sie sofort Anstalten auszusteigen, als er ihr sagt: „Vielleicht können wir uns ein andermal treffen.“ Er lehnt sich zu ihr hinüber. Marianne nimmt schon das Schlimmste an. Die rechte Hand liegt bereits auf dem Griff um die Türe zu öffnen. Trotzdem wartet sie ab, als er das Handschuhfach aufmacht, nach einem Etui greift, ihm eine Visitenkarte entnimmt und diese Marianne in die Hand drückt. Sie greift nach ihr, hat jedoch nicht die Zeit, die Karte anzusehen und steigt sofort aus. Er tut es ihr gleich und holt ihr Fahrrad aus dem Kofferraum.

      Währenddessen sagt er: „Rufen Sie mich doch bitte an, wenn Sie etwas mehr Zeit haben.“

      „Werde ich machen“, verspricht Marianne leichtfertig, „und nochmals vielen Dank fürs Nachhause bringen.“

      „Nehmen Sie gleich ein heißes Bad“, rät er ihr, „sonst erkälten Sie sich richtig.“

      „In Ordnung“, antwortet sie, „Auf Wiedersehen!“ Damit verschwindet sie im Haus ohne sich nochmals umzudrehen.

      *

      Schnell schiebt sie ihr Fahrrad in den Keller. Dort schaltet sie das Licht an und liest die Karte, auf der steht „Dr. Gerd Malmann, Pharmazeut, geschäftliche und persönliche Anschrift und Telefonnummer in Kempten und Waltenhofen.“ Der Mann leitet eine Apotheke in Kempten. Auch das ändert nichts an der Tatsache, dass sie sich nicht bei ihm melden wird. Weshalb auch? Auf der anderen Seite ist für Marianne klar, dass sie Franzi nichts von der Begegnung erzählen kann und will. Diese Eifersuchtsszenen möchte sie sich ersparen. Immer noch weiß sie nicht, weshalb sie etwas von Kindern erzählt hat. Sie muss vollkommen verrückt geworden sein. In Wirklichkeit kann sie mit Kindern nicht umgehen und auch gar nichts mit ihnen anfangen. Für sie ist es jedes Mal schlimm, wenn jemand aus Franzis Familie mit Kindern zu Besuch kommt. Na ja, auf der anderen Seite spielt das auch keine Rolle, denn sie hat nicht vor, diesen Mann anzurufen.

      Langsam steigt Marianne die Treppe zur Wohnung hoch. Als sie die Tür aufschließen will, öffnet Franzi ihr. Sie wird sofort umarmt und geküsst. Gleich wird sie gefragt, wo sie so lange geblieben ist, und weshalb sie nicht schon früher zurückgekehrt ist. Dass sie fürchterlich nass ist und so weiter. Dazwischen rast der Hund wie verrückt hin und her und hört nicht auf zu bellen. Franzi regt sich auf und blafft den Hund an. Marianne ärgert sich, weil sie genau weiß, dass Mäxchen Franzi ein Dorn im Auge ist. Ein Gewitter ist im Anzug. Es knistert in der Luft der Wohnung. Die Spannung lädt sich spürbar auf!

      Marianne hat keine Lust auf irgendwelche Zärtlichkeiten einzugehen und verzieht sich sofort ins Badezimmer. Die Türe verschließt sie ausnahmsweise mit dem Riegel. Jetzt will sie allein sein. Franzis Gehabe geht ihr im Augenblick auf die Nerven. Noch bevor sie sich auszieht, lässt sie das Wasser in die Badewanne plätschern. Während warmes Wasser einläuft, setzt sie sich schon in die Wanne. Sie liebt es, wenn das Wasser langsam in der Wanne ansteigt und ihren Körper mit dem warmen Nass umhüllt. Es ist eine Wohltat. Ob Gerd jetzt wohl auch ein Bad nimmt.

      Sie erschrickt über den Gedanken. Was interessiert sie dieser Kerl überhaupt. Weshalb geht er ihr nicht aus dem Kopf. Schließlich ist es sicher, dass sie sich nicht bei ihm melden wird. Sie kann nur hoffen, er kommt nicht auf die Idee, hier zu erscheinen.

      Als sie den Wasserhahn zudreht, hört sie Franzis Gezeter vor der Tür laut und deutlich. Am liebsten hätte sich Marianne die Ohren zugestopft, doch sie hat nichts bei der Hand. Sie versucht einfach nicht hinzuhören, das ist jedoch ziemlich schwierig. Weshalb kann sie nicht eine Viertelstunde ihre Ruhe haben? Langsam wird ihr das alles zu viel. Das Wochenende ist versaut, durch Franzis Erkältung und nun auch noch dieser Affenzirkus!

      Der

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