Barfuß ins Verderben. Bernharda May

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Barfuß ins Verderben - Bernharda May

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übernehmen.«

      Immanuel winkte ab.

      »Machen Sie sich keine Gedanken. Sandrine lernt schnell und ich hätte ein schlechtes Gewissen, nur wegen der paar Tipps und Rezepte, die ich ihr gebe, bevorzugt zu werden. Wir können aber gern einen neuen Deal aushandeln und ich zahle doch den vollen Preis?«

      »Ein mittelloser Student wie Sie«, wehrte Elfriede ab. »Kommt nicht in Frage.«

      Insgeheim war sie froh, dass jemand ihr ein paar lästige Handgriffe abnahm, jedenfalls solange, bis Dr. Drozdowski endlich eine Erklärung – und viel wichtiger, eine Behandlung – für ihre Herzprobleme gefunden hatte.

      Sandrine trat herein und ihre hochgewachsene Erscheinung beherrschte augenblicklich den Raum. Sie war jung, dunkelhäutig und strahlte immenses Selbstbewusstsein aus. Während sie ihre Blanquette de la mer auftischte, schallte es laut aus ihrer Kehle:

      »Dîner!«

      Man hörte Schritte aus dem oberen Stockwerk, wie sie über die Diele hetzten, die Treppe hinabliefen und sich dem Speiseraum näherten. Herr von Voss trat ein, nickte den anderen zu und setzte sich. Sandrine begann, die Teller zu füllen, und bewegte sich dabei ausgesprochen elegant.

      »Monsieur, falls Sie den Kabeljau nicht mögen, müssen Sie mit Immanuel den Gemüseauflauf teilen. Ich weiß ja, dass Sie mit Fisch auf Kriegsbeil stehen, wie man hier sagt.«

      »Auf Kriegsfuß«, berichtigte Immanuel und reichte Herrn von Voss freundlich die Schüssel mit dem Auflauf hin. »Das Kriegsbeil begräbt man, wenn man sich versöhnt.«

      »Bon«, sagte Sandrine kurz und setzte sich.

      Herr von Voss nahm dankend die Schüssel an. Elfriede wunderte sich: Hatte Ole vorhin nicht erwähnt, von Voss hätte sich in der Stadt ein Fischbrötchen geholt? Wie kam Sandrine darauf, er würde Meerestiere verschmähen?

      »Ursprünglich wollte ich ja ein Wurstgericht für uns zaubern«, plauderte Sandrine weiter, »aber jemand hat unsere Wiener heimlich aufgenascht.«

      Sie bedachte Elfriede mit einem gespielt strengen Blick. Jene zwinkerte schelmisch und steckte sich, statt zu antworten, einen großen Löffel Kabeljau in den Mund.

      »Wie man Würste ausgerechnet kalt essen kann«, fragte sich die junge Köchin. »Sie sind doch dann gar nicht knusprig und noch dazu viel zu trocken!«

      Sie schüttelte sich.

      »Aber was wundere ich mich, hier isst man abends auch bloß einen Gang statt mindestens drei.«

      »Wie man Würste überhaupt essen kann«, fügte Immanuel hinzu und bedachte nun seinerseits Sandrine mit einem strengen Blick, nur dass der nicht gespielt war.

      »Keine Grundsatzdiskussionen über Fleischkonsum am Esstisch«, befahl Elfriede. »Darauf hatten wir uns bereits letzte Woche geeinigt.«

      »Sie haben die Wattenelfriede gehört«, triumphierte Sandrine.

      Herr von Voss blieb die gesamte Zeit still und aß brav seinen Teller leer. Elfriede beobachtete ihn dabei heimlich. Er hatte ein recht sanftes, liebenswertes Gesicht, das sein Alter nicht preisgab. Lediglich die fortgeschrittenen Geheimratsecken und grauen Schläfen verrieten, dass er nicht mehr jung war. Sonderbar erschien ihr jedoch die Eigenart, wie er niemandem für länger als ein paar Sekunden in die Augen schauen konnte. Zudem wirkte er die meiste Zeit angestrengt, wenn nicht sogar gehetzt. Fragte man aber, wie es ihm gehe, antwortete er stets freundlich, alles sei gut und zufriedenstellend.

      »Herr von Voss«, sprach Elfriede ihn nach Sandrines Dîner an, »wollen Sie mit mir hinaus aufs Watt, eine kleine Wanderung in der Abendkühle machen? Der Gezeitentabelle zufolge ist jetzt das richtige Stündchen dafür.«

      »Vielen Dank«, erwiderte ihr Gast. »Ich habe von Ihren geführten Wattwanderungen ausschließlich Gutes gehört, aber ich muss leider ablehnen. Ich, äh, habe in meinem Zimmer zu tun.«

      Er stand von seinem Stuhl auf und wollte gehen. In der Tür machte er jedoch Halt und ergänzte:

      »Vielleicht ein andermal.«

      Dann verschwand er in der Diele. Als er weg war, meinte Immanuel:

      »Ein komischer Kauz ist das. Immer so umständlich.«

      Er machte Elfriede den Vorschlag, sie zu begleiten.

      »Sie müssten allerdings ein Weilchen warten. Ich will schnell meine Kamera holen, um draußen ein paar Fotos zu schießen. Da haben wir sicherlich teilweise die gleiche Strecke.«

      Elfriede schielte zum Fenster. Die Sonne war bereits untergegangen und sie konnte sich nicht vorstellen, wie man im Dämmerlicht gute Fotos schießen könne. Allerdings war sie bereit zu akzeptieren, dass moderne Technik so gut wie alles ermöglichte, und der junge Herr Stuber hatte das neueste Modell eines Fotoapparats dabei.

      »Ich glaube, er trägt irgendein Geheimnis mit sich herum«, sagte Sandrine, in Gedanken immer noch bei Herrn von Voss.

      Man merkte ihr eine mädchenhafte Neugier an.

      »Sie finden ihn interessant?«, bohrte Immanuel nach.

      Sandrine lächelte ihm keck zu.

      »Ältere Männer haben so viel mehr zu bieten als – wie sagt unsere Wattenelfriede immer? – die Jungspunde.«

      Immanuel lachte und beide begannen, den Tisch abzudecken. Elfriede wollte die jungen Leute ungestört lassen und zog sich nach draußen zurück. Vor der Haustür zog sie die Schuhe und Socken aus, stieg die Holztreppe zum Watt hinab und drehte ihre Runde auf dem kühlen, schlammigen Boden. Den Spazierstock gebrauchte sie dabei nicht zum Abstützen, sondern stocherte mit ihm gedankenverloren vor den Füßen herum.

      Die salzige Abendluft tat ihr wohl. Ihre Brust schmerzte nicht mehr und Sandrines schmackhafte Blanquette de la mer lag gut im Magen. Nachdem sie einige Schritte gegangen war, schaute sie auf ihre kleine Pension zurück. Wie sie da im Abendlicht zwischen den anderen Häuschen stand, mit kleinen Holzfenstern und schmalen, steilen Dachschrägen, verstand sie, was die Touristen an dem Haus immer wieder so niedlich und einladend fanden. Nun ja, bald würde es mit alldem vorbei sein. Der Fortschritt ließ sich nicht aufhalten und die modernen Zeiten forderten ihren Tribut.

      Die Tür der Pension öffnete sich und Immanuel Stuber kam heraus. Eine Kamera baumelte an seinem Hals.

      »Die ist nigelnagelneu, wie ich es mir gedacht habe«, murmelte Elfriede und verzog nachdenklich den Mund. »Muss ein Geschenk gewesen sein. Als Student dürfte er ein Ding wie das da nicht aus eigener Tasche bezahlen können.«

      Immanuel näherte sich dem Watt, das er nur vorsichtig betrat.

      »Immer barfuß rumrennen und sich dann vor ein bisschen Schlamm ekeln«, grunzte Elfriede belustigt. »Und das, wo er ausgerechnet Meeresbiologe werden will.«

      Sie beobachtete ihn, wie er hier und da ein paar Fotos machte. Er kam jedoch nicht weiter auf sie zu, sondern blieb auf dem Deich, weil dort das Frankenhorner Stadtpanorama besser zu sehen war. Ihre eigene Strecke führte dagegen stets tief ins Watt, je nachdem, wie es die Ebbe erlaubte.

      Über der Pension blinkten mittlerweile die Sterne auf und ließen

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