Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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gar nicht, seit es auf der Oberweser keine Frachtschifffahrt mehr gab. Blieben eigentlich nur die Köpfe der Servicekräfte. Was lag da näher, als ihren Kopf rollen zu lassen? Gott sah sie nicht gern in dieser Position auf dem Schiff, das wusste sie.

      »Ich bin nicht nur Servicekraft, ich bin auch noch Matrose«, stieß sie spontan hervor. »Mit Schifferdienstbuch.« Es gab da nur ein Problem. Ein Schiff von der Größenordnung der Libelle benötigte laut Binnenschiffahrtsstraßen-Ordnung einen Schiffsführer, einen Matrose-Motorenwart und einen Decksmann. Ein Matrose ohne Motorenwart, wie sie einer war, wurde nicht gebraucht. Ihr fehlten noch etliche Eintragungen im Schifferdienstbuch, bis sie weiter aufstieg. Die ganze kommende Saison gewissermaßen. Als Decksmann aber brauchte Okko Jansen nicht unbedingt sie, jede andere Servicekraft mit Schifferdienstbuch tat es auch.

      Inga dachte scharf nach. Gott hin oder her, ihr gefiel das Leben auf dem Fluss, und solange sich ihr keine attraktive Alternative bot, würde sie den Job gern behalten. Vielleicht, wenn sie einfach mit der Neuen kooperierte? Inga verzog das Gesicht. Das Wort Kooperieren rutschte seit ein paar Jahren auf ihrer Liste gern gebrauchter Worte immer weiter nach unten.

      »Warte mal, unter Umständen habe ich was für dich.« Sie stand auf, schlenderte betont langsam zur Theke hinüber und kam mit ein paar zusammengehefteten Seiten eines Computerausdrucks zurück. »Das ist der Wochenplan, den uns das Büro an jedem Freitag ausdruckt, damit wir wissen, wie viele vorgemeldete Gruppen wir zu erwarten haben. Davon hängt die Anzahl der Servicekräfte ab, die ich mir bestelle.« Sie grinste unwillkürlich. Serviceleitung auf dem Schiff machte Spaß, wenn sie der Personalchefin eins auswischen konnte, in dem sie die von ihr bestellten Servicekräfte wieder abbestellte. Das blöde Büro hatte nicht den blassesten Schimmer, wer gut arbeitete und vor allem, wer zu ihnen aufs Schiff passte. »Die Liste beginnt immer am Samstag und endet mit dem darauffolgenden Freitag. Natürlich ändert sie sich noch hundert Mal, wenn neue Gruppen dazukommen, bereits gebuchte Busladungen stornieren oder irgend etwas im Gastrobereich nachbestellt oder abbestellt wird. Kaffeegedecke, Tellergerichte und so was. Für dich ist wohl nur der letzte Samstag interessant. Die Charter der Libelle.« Inga fummelte mit ihren abgebrochenen Fingernägeln die Heftklammer auf, schob Alice zwei eng beschriebene Computerausdrucke über den Tisch und sah ihr mit gerunzelter Stirn zu, wie sie den Text anlas.

      »Okay. Danke.« Alice gab sich Mühe nicht zu triumphieren. Als Spionin des Chefs zu gelten, war wie ein Hauptgewinn im Lotto. Unter dem Strich sparte sie jede Menge Zeit ein, und das Beste war, dass Fred bei seiner offiziellen Recherche nie im Leben an Unterlagen wie diese herankam. Auf der anderen Seite barg ihre Rolle auch Gefahren. Was, wenn Gott zu Ohren kam, dass sie seinen Namen missbräuchlich nutzte ...?

      »Du hast eben erwähnt, du bist Matrose, also Nautiker. Wieso arbeitest du dann im Service?« Sie las den Text an. Bingo! Der Kunde hieß Felix von Hohenrodt und hinter seinem Namen stand eine Telefonnummer. Die restliche Seite nahmen die Anweisungen für die Umsetzung der Vertragsklauseln zwischen Charterkunde, sprich Bank, und Schifffahrtsgesellschaft ein: Dekoration, Fahr- und Liegezeit, Büffet und was sonst noch alles zum geregelten Ablauf einer Charterfahrt gehörte, die ein paar tausend Euro gekostet hatte. Zum Beispiel die Buchung des Rattenfängers von halb sieben am Abend bis gegen ein Uhr nachts zum Preis von ... Alice stutzte. Ein Schnäppchen war der Kerl nicht gerade gewesen. Vielleicht sollte sie ihre Zukunftspläne noch einmal überdenken und statt der eigenen Detektei einen Rattenfängervermietungsservice aufziehen. Sie faltete alle Blätter sorgsam zusammen und verstaute sie in ihrer geräumigen Handtasche. In so kurzer Zeit an so viele Informationen zu kommen, sollte ihr Mellie erst mal nachmachen. Oder Fred, der Blödmann.

      »Was?«, fragte sie aufgeschreckt. »Entschuldige, ich war gerade abgelenkt.«

      Inga gab sich Mühe mit ihrer Geduld. »Ich sagte, um auf deine Frage zurückzukommen. Nautiker wird man automatisch dadurch, dass du dir beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Minden ein Schifferdienstbuch ausstellen lässt. Sobald du es in Händen hälst, bist du automatisch Decksmann. In dem Ding werden in der Folgezeit all deine Fahrten auf den Schiffen eingetragen, und wenn du eine bestimmte Anzahl von Fahrten innerhalb einer bestimmten Zeit zusammenbekommst, rückst du auf der Nautikerleiter automatisch eine Stufe höher.« Inga schob sich den überlangen Pony aus dem Gesicht. Hoffentlich endete diese Befragung bald. Sie war müde, sie hatte Durst auf etwas anderes als heißen Kaffee, und es juckte ihr in den Fingern, nach dem Handy zu greifen, um all ihre Kollegen zwischen hier und Hannoversch Münden vor Gottes Spionin zu warnen. Obwohl, wenn herauskam, dass sie diese streng geheime Information ausgeplaudert hatte, war ihr Kopf tatsächlich der erste, der rollte. Bei Licht besehen, würde sie sogar Chris und Eddie gegenüber den Schnabel halten müssen. Wenn die beiden getrunken hatten, war das Letzte, auf dass sie sich bei ihnen verlassen konnte, Diskretion.

      »Also so ganz verstehe ich das nicht. Was meinst du mit eine Stufe höher?« Alice versuchte sich zu konzentrieren, aber eben machte Chris auf dem Anleger die Leinen los und sprang an Bord. Die Libelle tuckerte Richtung Hafen.

      »Wenn dir das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt ein Schifferdienstbuch ausstellt, steht als Eintrag Decksmann drin. Die unterste Stufe der Nautiker-Karriereleiter. In dieses Schifferdienstbuch lässt du dir fleißig jede deiner Fahrten eintragen. Wenn du ausreichend Eintragungen hast, rückst du automatisch eine Stufe höher. Du wirst erst Matrose, dann Matrose-Motorenwart und schließlich Steuermann. Nach ein paar Jahren dann kannst du dein Streckenpatent als Schiffsführer machen. Immer vorausgesetzt, der Schiffsführer, unter dem du fährst, ist nicht so ein fauler Sack wie Eddie und trägt dir jeden Abend tatsächlich deine Fahrten ein. Sowohl ins Logbuch des Schiffes als auch in dein persönliches Schifferdienstbuch.«

      Alice runzelte die Stirn. »Aber du musst vor jedem Karrieresprung theoretische und praktische Prüfungen ablegen?«

      Inga grinste halbherzig. »Nö! Nur wenn du als Schiffsführer dein Streckenpatent machst. Dann musst du im WSA in Minden ein paar Fragen beantworten.«

      »Und eine Art Führerschein machen, hoffe ich jedenfalls. Ich meine, praktisch unter Beweis stellen, dass du fahren kannst.«

      »Nö!« Ingas sommersprossiges Gesicht verzog sich diesmal zu einem ausgesprochen breiten Grinsen. »Wenn du zum Beispiel dein Streckenpatent auf der Weser zwischen Hameln und Bodenwerder machen willst, muss im Schifferdienstbuch stehen, dass du die Strecke achtmal zu Berg, also weseraufwärts, und achtmal zu Tal, sprich weserabwärts, gefahren bist. Ich meine, ob du tatsächlich gefahren bist, im Sinne von am Steuer gestanden hast, das kann im Amt kein Schwein nachprüfen. Sobald du die mündliche Prüfung bestehst, bist du Schiffsführer mit Streckenpatent. Auf diese Art haben früher die Ehefrauen der Frachtschiffeigner ihre Streckenpatente gemacht. Viele Binnenschiffer konnten sich einen zweiten Nautiker an Bord finanziell nicht leisten, also ließen sich die Ehefrauen hochschreiben, legten schließlich die theoretische Prüfung ab und fuhren als zweiter Schiffsführer mit. Anders wären viele Binnenschiffer finanziell gar nicht über die Runden gekommen, und da auf den Frachtschiffen häufig die ganze Familie wohnte und mitfuhr, konnten sie ein Gehalt vollständig einsparen.«

      Alice glaubte ihren Ohren nicht trauen zu dürfen. »Heißt das, wenn ich in Zukunft Dampfer fahre, kann es sein, dass oben am Steuer jemand steht, der vom Fahren null Ahnung hat und nur auf dem Papier Schiffsführer ist? Weil er im WSA ein paar Fragen beantworten konnte?«

      Inga lachte. Diese Neulinge auf der Weser waren so etwas von strohdumm, dass es schon wehtat. »Wohl kaum«, entgegnete sie. »Die Oberweser ist ausgesprochen kurvenreich und schwierig zu befahren. Sie ist kein kanalisierter Fluss, und es ist auch nicht so, dass du dich immer nur in der Mitte halten musst. Es ist wichtig zu wissen, wo die Fahrrinne verläuft, selbst bei einem Flachgänger wie der Libelle, die laut Schiffsattest nur sechzig Zentimeter Tiefgang hat. Auf der Oberweser misst die Tiefe des Fahrwassers in trockenen Jahren auch schon mal nur siebzig Zentimeter oder weniger. In dem Fall würde die Libelle auf Grund laufen, sowie der Schiffsführer Backbord

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