Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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Anständiges, nicht Käthe?«

      Käthe hatte noch immer Kopf und Hände in ihrer riesigen Handtasche versenkt, in der sie Gott weiß was suchte, und murmelte Unverständliches.

      »Entschuldigung!« Du alte Hexe, dachte Alice stocksauer und mühte sich verzweifelt um ein Lächeln, während sie der Dauerwelle am liebsten das Gesicht zerkratzt hätte. »Wenn Ihnen der Kaffee zu dünn ist, darf ich Ihnen vielleicht einen doppelten Espresso als Ersatz bringen? Oder einen Latte macchiato? Sie sollten wirklich einmal unsere Kaffeespezialitäten probieren.«

      »Latte? Sie haben einen Latte macchiato? Einen richtigen mit aufgeschäumter Milch und einem Espresso? In einem Latte macchiato Glas mit Strohhalm? Nun ja, in diesem Fall könnte ich eigentlich noch eine Bestellung riskieren, aber vermasseln Sie es nicht wieder.« Die Frau mit der blauen Dauerwelle lächelte dermaßen herablassend, dass Alice beinahe der Mund offenblieb. Also so penetrant, arrogant, anmaßend und schwierig hatte sie sich ihre ersten Kunden nicht vorgestellt.

      »Ich will einen Milchkaffee«, krähte Käthe, die den zweiten verschütteten Kaffee bestellt hatte, und tauchte mit wirren grauen Haaren aus den Tiefen ihrer Handtasche auf. »Ohne Fußbad.«

      Als Alice Tisch eins den Rücken zukehrte, hatte sich die Nachricht von den Kaffeespezialitäten wie ein Lauffeuer von Tisch zu Tisch durch den ganzen Salon gefressen. Auf der Backbordseite, deren Bestellungen bereits mit dem Ordermen aufgenommen waren, schossen zehn Hände gleichzeitig in die Höhe, die ihren Bohnenkaffee stornieren und auf Latte, Milchkaffee oder Kakao mit Sahne umschwenken wollten. In der mittleren Tischreihe, die Lina gerade abarbeitete, bot sich dasselbe Bild, von der Steuerbordseite hallten ungeduldige Rufe nach mehr Servicepersonal durchs Schiff.

      Auf der Serviceseite brach Chaos aus.

      Während Alice das Tablett mit dem verschütteten Kaffee zurück zur Theke balancierte, stand Lina orientierungslos in der Mitte des Salons, die schrägen Augen weit aufgerissen, und konnte sich nicht entscheiden, ob sie vor oder zurück sollte. Trotz der bereits fertig bestückten Tabletts, die sich auf der Theke aneinanderreihten, entschied sie sich für das Zurück. Zu Ingas Entsetzen nahm sie alle Umbestellungen auf der Backbordseite noch einmal mit dem Ordermen auf, ohne die Möglichkeit, die ursprünglichen Getränke stornieren zu können. Das ging nur über die Computerkasse, in der wiederum die Gastrosumme in unrechtmäßige Höhen schoss. Der kleine Drucker spuckte wie ein Weltmeister Bons aus. Erst Ingas entnervtes Gebrüll stoppte Lina.

      Inga selbst, mit hochrotem Kopf hinter der Theke, sah aus, als spielte sie mit dem verlockenden Gedanken, die Libelle mit Mann und Maus einfach zu versenken. Stöpsel raus und ab damit. Dabei tuckerten sie eben erst an der Tündern’schen Warte und dem Jachthafen vorbei. Bis zum Ohrberg und der Wendestelle waren es noch gut drei Kilometer.

      Währenddessen hatte Eddie im Steuerhaus durch das Bordmikrofon die Gäste im Namen der Schifffahrtsgesellschaft Okko Jansen und der Besatzung der Libelle willkommen geheißen, und setzte gerade zu weiteren Durchsagen an, als die Lautsprecher zusammenbrachen. Alle vier, einer in jeder Ecke des Salons, knackten, kreischten, krächzten und pfiffen gleichzeitig. Nicht länger als zehn Sekunden, aber diese zehn Sekunden reichten aus, die Stimmung im Salon auf einen neuen Tiefpunkt zu bringen. Dann war, genauso abrupt, das Getöse weg und Eddies Stimme wieder da, und er setzte mit markigen Sprüchen seine Durchsagen fort. Die Oberweser, erklärte er, reiche von Hannoversch Münden bis Minden, sei zweihundert Kilometer und ein paar Zerquetschte lang und eigentlich stimme es auch gar nicht, dass die Weser aus dem Zusammenfluss von Fulda und Werra entstünde, weil ureigentlich Werra und Weser derselbe Fluss seien und nur wegen ein paar Heinis, die unterschiedliche Dialekte sprachen, als Haupt- und Nebenfluss deklariert worden wären. Ein sprachliches Missverständnis, weiter nichts. Er sagte tatsächlich Heinis und ging dann auf den Ohrberg ein und die freudlose Geschichte eines Freiherrn von Hake, der auf dem Schlachtfeld bei Waterloo gekniffen und den Rest seines Lebens auf dem Ohrberg Bäumchen gepflanzt hätte, weil die, O-Ton Eddie, in der Regel nicht zurückschössen. Da von Hakes Herz an dem Huckel hing, habe man es nach seinem Tod dort oben auch begraben, während der herzlose Körper anderswo begraben liege. Chris Gegnicker im Hintergrund untermalte die Ansagen. Alice dachte an Eddies Schnapsfahne und verzog das Gesicht. Hoffentlich fing er nicht irgendwann an zu lallen oder schweinische Witze zu erzählen.

      Kurz vor der Theke blieb Alice abrupt stehen und starrte ungläubig aus einem der Backbordfenster zum Jachthafen hinüber. Auf der Jacht von Herrn Heppelweit, dem Mann ihrer Klientin aus der Detektei, hockten Frau Heppelweit-Nieberg und eine andere Frau bei strahlendem Sonnenschein auf Klappstühlen an Deck und stießen mit langstieligen Gläsern an, die nach Champagner aussahen. Als die Libelle vorbeituckerte, winkten sie ausgelassen. Alices Herz tätigte einen nicht vorgesehenen Schlag. Die Frau an der Seite von Frau Heppelweit-Nieberg war niemand anderes als die Geliebte von Herrn Heppelweit. Von ihm allerdings fehlte jede Spur. Was zum Teufel ging dort vor? Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden war Frau Heppelweit-Nieberg mehr als nur verschnupft gewesen, als ihr Alice in wirklich wohlgesetzten Worten am Telefon ihren Entschluss mitteilte, die Überwachung von Herrn Heppelweit und seiner Geliebten aus Gewissensgründen nicht länger fortsetzen zu wollen (»Sie geben Ihr gutes Geld für nichts und wieder nichts aus!«).

      An der Theke empfing sie Inga, die auf fünf Tabletts gleichzeitig Kaffeebecher gegen Lattegläser und Espressotässchen austauschte, mit bitterbösem Gesicht und fauchte aufgebracht: »Wir beide sprechen uns nach der Rundfahrt, da kann ich dir Brief und Siegel drauf geben.«

      »Okay«, antwortete Alice geistesabwesend. Ihre Gedanken kreisten um eine andere Baustelle. Frau Heppelweit-Nieberg und die Geliebte von Herrn Heppelweit? Wie genau passte diese Konstellation ins Bild und vor allem, wie war es zu ihr gekommen? Wenn die Frauen jetzt einträchtig zusammen an Bord saßen, hieß das, sie, Alice, hatte auf der ganzen Linie versagt? Oder hieß es nur, Frau Heppelweit-Nieberg und die Geliebte hatten Herrn Heppelweit entsorgt, auf welche Weise auch immer? Während sie mit den Nachbestellungen die Backbordseite ein zweites Mal abklapperte, dachte Alice gefrustet daran, wie viele Tage sie in nassen Büschen an der Weser gehockt hatte, um Heppelweit und seine Freundin einmal, nur ein einziges Mal, bei einem vertraulichen Gespräch außerhalb des Stahlrumpfs der Jacht zu erwischen. Irgendwo dort, wo ihr Richtmikrofon funktionierte. Immer vergebens. Kaum war sie anderweitig beschäftigt, hockten Frau Heppelweit-Nieberg und die Geliebte ihres Mannes in traulichem Miteinander auf Deck und winkten ihr frecherweise auch noch zu. Sie hätte ein Vermögen dafür gegeben, jetzt mit ihrem Richtmikrofon in den Büschen zu hocken. Was war passiert? Alice war gleichermaßen empört wie beunruhigt. War Herr Heppelweit plötzlich verschieden? Einen Moment lang stockte ihr Fuß, dann hastete sie weiter.

      Als Eddie auf der Höhe von Gut Ohr das Kunststück fertigbrachte, die lange Libelle so zu wenden, dass weder Bug noch Heck über Land schrammten, war das Chaos perfekt. Die Computerkasse brach zusammen, Lina ebenfalls. Inga verlor die Beherrschung und brüllte einen meckernden Gast an. Die Theke belagerten vergrätzte Passagiere vom Oberdeck, auf dem die Bestellungen noch nicht einmal aufgenommen worden waren.

      Alice lief, sprach und handelte in einer Art Vakuum, dessen Schutzschild ab einem bestimmten Zeitpunkt alle äußeren Reize wie das Gezeter der Fahrgäste, Ingas Gebrüll und Linas Geheul abwehrte und sie rational handeln ließ. Sie brachte Inga dazu, ihr Gebrüll einzustellen und die Computerkasse vollends abzuschalten, tauschte den Ordermen in Linas Hand durch Kellnerblock, Kuli und ein Taschentuch für die laufende Nase aus, schickte sie aufs Oberdeck und brachte in einem Tempo die restlichen Getränke an die Tische, das es jedermann wunderte, ihre Schuhsohlen nicht Feuer fangen zu sehen.

      Fünf Minuten vor Schluss waren alle Kunden bedient und abkassiert, wenngleich sich die Fahrgäste vom Oberdeck ihre Getränke ein wenig hastig hinter die Binde kippen mussten. Inga und Lina waren ins Unterdeck geflüchtet und hielten sich an ihren Zigaretten fest, während Alice mit brennenden Füßen hinter der Theke ausharrte und anfing, die Getränkekarte auswendig zu lernen. Sie hatte zwar kein fotografisches

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