Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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aus dem zwei bemerkenswert blaue Augen Alice gereizt anfunkelten. Wie zwei Bergseen so blau.

      »Was ist? Willst du arbeiten oder einfach nur rumstehen?«

      Du meine Güte, dachte Alice erschlagen. Wenn ich mir das man gefallen lasse. »Das nächste Mal komme ich als Pinguin«, versprach sie und mühte sich vergeblich um einen Ton, der Besserung versprach. Kaum spürten ihre Füße eins von Jansens schwankenden Schiffen unter den Sohlen, schon wütete sie in Gedanken gegen das blöde Büro, ohne auch nur im geringsten zu ahnen, dass es sich um einen Virus handelte, der jede Aushilfe befiel, sobald sie das erste Mal den Fuß auf ein Schiff der Schifffahrtsgesellschaft Okko Jansen setzte. Keine dieser blöden Tussis hatte etwas von Schwarz-weiß gesagt. Dabei war sie nach dem Vorstellungsgespräch sogar noch nach Hause gefahren, mit dem erklärten Ziel sich umzuziehen. Statt des Kostüms trug sie nun eine hellgelbe Leinenhose und statt der weißen High Heels flache Slipper. Nur nichts in Schwarz-weiß! Blödes Büro!

      Innerlich grummelnd grub sie hinter der Theke ein Gummiband aus und band sich die Haare zu einem strammen Pferdeschwanz zurück, der ihr in wilden Locken vom Hinterkopf abstand. Anschließend widmete sie sich den Schiebetüren der halbhohen Schränke unter den Fenstern und versuchte die Tassen und Teller auf dem Tablett zu ihresgleichen zu räumen.

      »Du bist wer?«, fragte sie beiläufig über das Klappern hinweg.

      »Inga. Verantwortliche Servicekraft«, antwortete Inga nach kurzem Zögern und runzelte die Stirn. Schon wieder einer dieser frechen Neulinge. Als ob das Büro es vorsätzlich darauf anlegte, sie zu ärgern. Eine Gutaussehende, Selbstbewusste und dazu noch Gelernte? Diese Kombination konnte nicht gut gehen. Warte nur, dachte sie, während sie die Neue beim Einräumen kritisch beäugte. Schnepfen wie dich verspeisen wir zum Frühstück.

      »Okay. Ich bin Alice. Die beiden Männer eben waren wohl die Matrosen?«

      »Schiffsführer«, knurrte Inga. Es widerstrebte ihr, Auskunft geben zu sollen, zumal sie gerade damit begann, einen Plan auszubrüten, wie sie die Frau auf schnellstem Weg wieder loswurde. Ein Blick in die grau funkelnden Augen genügte ihr – es würde Ärger geben.

      »Kapitäne?« Diese beiden Schlüpferheinis? Ach du liebes Lieschen. Alices romantische Pläne verpufften in einer Art Selbstentzündung zu etwas, das man auf einer Kehrschaufel zusammenfegen und im Ascheeimer entsorgen konnte.

      »Kapitäne gibt’s in der Binnenschifffahrt nicht. Nur Schiffsführer, und damit das von Anfang an klar ist. Eddie, Chris und ich haben hier das Sagen an Bord.« Ingas aschblonder Pony war zu lang und hing ihr in die blauen Augen. Sie strich sich die Haare mit einer unwilligen Geste aus dem sommersprossigen Gesicht. Ihre weiße Bluse zierten Fettflecken, und die schwarze Hose schien irgendwie mit einer Mehltüte kommuniziert zu haben. Dafür, Alice registrierte es mit einem verstörenden kleinen Anflug von Neid, trug sie dunkelblaue Schulterklappen mit zwei goldenen Streifen und einem goldenen Knopf, was die Wirkung von Fett und Mehl zumindest relativierte. »Wir dulden keine Faulen, keine Aufmüpfigen und keine Denunzianten. Was hier an Bord gesagt wird, bleibt auch an Bord. Wenn du ins Büro zitiert wirst oder Gott kommt, klappst du deinen Mund gefälligst zu«

      »Gott?«

      »Der Chef. Okko Jansen, Reeder, Inhaber und Geschäftsführer der Schifffahrtsgesellschaft Okko Jansen, kurz Gott genannt.«

      »Aha«. Gott passte zu ihm, wenn auch wahrscheinlich von den Schiffsleuten in anderem Sinne gedacht, als sie selbst assoziierte. Sie stellte ihn sich vor, wie er neptungleich mit seinem Kahlkopf das Wasser durchstieß und den Dreizack auf sein ungehorsames Schiffsvolk schleuderte. Alice sah sich neugierig um. Der blaue Salon, eine zweigeteilte Theke mit Durchgang, eine Treppe, die ins Unterdeck führte, dunkle Schiffsbohlen auf der Tanzfläche, zwei Schiebetüren an den Seiten zum Ein- und Aussteigen, hinten zwei Glastüren, die offenbar zu den Toiletten und aufs Oberdeck führten. Zwischen ihnen hing ein großes, mit bunten Filzstiften gemaltes Plakat: Fahrgäste und Besatzung haben den Anweisungen des Schiffsführers Folge zu leisten. Eine Zeile tiefer stand: Das Verzehren von mitgebrachten Speisen und Getränken ist nicht erlaubt. Und noch tiefer: Wer stänkert, geht über die Planke.

      Alice fuhr mit der Hand über die gemaserte Kirschholztheke. Das kabbelige Wasser ließ die über Kopf hängenden Biertulpen in den Gestellen oberhalb der Theke leise aneinander klirren. Jenseits des Durchgangs schwang eine blanke Schiffsglocke ohne Klöppel lautlos über einer Kuchenplatte mit durchsichtiger Abdeckhaube aus Plastik. Auf dem Sideboard hinter der Theke harrte eine Batterie unterschiedlichster Wein-, Schnaps- und Likörflaschen auf ihren Einsatz, und in dem deckenhohen Glasregal am Ende der Theke gab es die dazu passenden Gläser in allen Größen und Formen, mit Ausnahme der geeisten Schnapsgläser im Kühlschrank unter einem der Fenster. Der Platz hinter der Theke war so knapp bemessen, dass sich zwei dünne Servicekräfte gerade so eben aneinander vorbeiquetschen konnten. War eine der beiden dicker als die eher ausgemergelten Damen aus dem Büro, musste über Vorfahrtsregeln verhandelt werden. Unter der Theke kühlten Weizenbier, Cola, Orangensaft und andere alkoholfreie Getränke in überdimensionalen Edelstahlschubladen. Es gab zwei Zapfanlagen für Bier, eine rechts, eine links des Durchgangs, jede mit zwei Hähnen, an der Wand unter den Fenstern standen halbhohe Gläser- und Geschirrschränke mit Schiebetüren. Das Herzstück war jedoch eindeutig die Computerkasse mit angeschlossenem Bondrucker, deren erschreckend kompliziert aussehende Benutzeroberfläche Alices Selbsteinschätzung als perfekte Servicekraft den ersten Dämpfer versetzte. Ein Anflug von Muffensausen, der nicht eben erträglicher wurde, als ihr einfiel, dass hier, an dieser Theke, der Rattenfänger gestanden haben musste, unmittelbar bevor er ermordet wurde. Auf dieser Theke hatte die Klarinette gelegen. Hinter dieser Theke stand nun sie und löste eine Verpflichtung gegenüber dem Toten ein: seinen Mörder zu finden. Okay, eigentlich gegenüber der Freundin des Toten. Und eigentlich war es auch weniger eine moralische Verpflichtung, als vielmehr etwas, dass sie für Geld und Ruhm tat.

      »Bist du die einzige verantwortliche Servicekraft auf der Libelle?«, fragte sie, ganz im Geiste ihrer Mission. »Oder hat jedes Schiff zwei oder drei Serviceleitungen?«

      »Wieso?«, lautete die misstrauische Gegenfrage.

      Das kann ja heiter werden, dachte Alice seufzend. Verpflichtung hin oder her, ganz plötzlich fragte sie sich, wie sie eigentlich auf die hirnrissige Idee gekommen war, sich im Büro der Schifffahrtsgesellschaft Okko Jansen als Gelernte auszugeben? Hätte nicht ein wenig Erfahrung vollkommen ausgereicht? »Ich meine, falls du die einzige Serviceleitung bist ...«, Leitung klang viel schmeichelhafter als Kraft, »... musst du in Arbeit ja förmlich ersticken. Tagsüber Rundfahrten oder was immer ihr sonst noch macht, abends die Charterfahrten, wie schaffst du das?« Kommst du beim ersten Mal in den Arsch nicht rein, du Kriecher, klopf an. Vielleicht wird dir doch noch aufgetan. Angewidert von sich selbst verzog Alice das Gesicht. Ihre Schultern ächzten schon jetzt unter der doppelten Last – zumindest zuckten sie nervös. Servicekraft ohne jegliche Erfahrung und verdeckte Ermittlerin in einem Mordfall. Ebenfalls ohne Erfahrung. Kompliziert aussehende Computerkassen und sommersprossige Eisberge musste sie in ihrer Planung glattweg übersehen haben. »Ihr arbeitet doch an sechs Tagen in der Woche, oder nicht? Wie war das am letzten Wochenende? Warst du da ebenfalls im Einsatz?« Toll, dachte sie frustriert. Der klassische Fall mit der Tür ins Haus.

      Inga schwieg, zog die Stirn kraus und überlegte angestrengt. Meinte die Neue ihre Anteilnahme ernst oder schleimte sie sich nur ein? Vorsichtshalber rang sie sich lediglich zu einem einsilbigen Stimmt! durch und presste ihre Lippen wieder aufeinander. In unregelmäßigen Abständen kam ihr der Verdacht, Gott versuche ihr dann und wann einen als Servicekraft getarnten Spion aufs Schiff zu schicken. Dank ihrer Absprache mit dieser Theatertussie im Büro, die Personalchefin spielte, war sie bisher alle kritischen Kandidaten auf elegante Art und Weise losgeworden. Wenn sie Alice ansah, befiel sie jedoch ein mulmiges Gefühl, etwa so, als wenn sie bei Nässe auf dem Freideck bediente. Die falschen Sohlen unter

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