Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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und versuchte sich einzuprägen, wo was stand.

      Als Eddie auf Höhe des Anlegers wendete, und sich die Senioren mit verkniffenen Gesichtern und viel Gemeckere schon wieder vor dem Ausstieg drängelten, wetzte sie erneut wie ein Irrwisch zwischen den Tischreihen hindurch und räumte ab. Schließlich sollte die letzte Rundfahrt an diesem Tag bereits in einer guten Viertelstunde beginnen. Außerdem plagte sie das unbestimmte Gefühl, dass bei ihrem ersten Einsatz in der Schifffahrtsgesellschaft Okko Jansen irgend etwas nicht ganz so reibungslos abgelaufen war, wie es hätte sein sollen.

      Nach Eddies Wendemanöver oberhalb des Wehrs hielt die Libelle im seitlichen Krebsgang auf den Anleger zu. Ein wenig schwungvoll, wie sich zeigte. Das Schiff donnerte mit voller Breitseite gegen die Kaimauer. Einer der beiden Kanthölzer, die als Fender dienten, löste sich in Sägespäne auf, den anderen halbierte es, wobei der Teil ohne Seil hoch in die Luft katapultiert wurde und den Kopf von Chris, der bereits an Land gesprungen war und einen der Poller mit dem Tampen belegte, nur um Haaresbreite verfehlte. Hinter der Theke sprangen beim Aufprall die Gläser aus dem Regal. Der Pulk der vor dem Ausgang drängelnden Senioren war urplötzlich gesprengt, und zu Alices hämischer Freude fanden sich die blauhaarige Dauerwelle und ihre Freundin Käthe auf ihren vier Buchstaben wieder. Über die knackenden Bordlautsprecher ertönte Eddies kleinlaute Stimme mit einer gemurmelten Entschuldigung. Lina, die gerade die Treppe hochgestiefelt kam, katapultierte es rücklings aus ihren Clogs, und als sie die Treppe das zweite Mal in Angriff nahm, stand ihr kleiner Finger in unnatürlichem Winkel ab und Ströme von Tränen rannen ihr über die Wangen.

      »Das ist alles deine Schuld«, heulte sie und deutete anklagend auf Alice. »Du und dieser blöde Latte. Die Gäste hatten doch schon bestellt. Es war alles im Ordermen eingegeben. Da schlägt man den Idioten doch nicht noch was anders vor. Das tut man einfach nicht!«

      »Nun mach aber mal halblang. Dafür, dass du zu dusselig bist, den Ordermen zu bedienen und dann auch noch die Treppe runterfällst, kannst du wohl kaum mir die Schuld geben. Erstens habe nicht ich das Schiff gegen den Anleger gedonnert, und zweitens nennt man es, soweit ich weiß, einen kundenfreundlichen Service, eine gewisse Auswahl an Getränken anzubieten.« Langsam verlor auch Alice die Geduld. Wo, zum Teufel, war sie hier eigentlich gelandet? An einer Frittenbude?

      Im Hintergrund stürzte die Meute vom Schiff. Chris, der die Libelle mittlerweile ausbruchssicher angebunden hatte, reagierte auf die Schelte der Gäste mit einem stoischen Zucken seiner breiten Schultern und blickte trübsinnig über ihre Köpfe hinweg ins Leere. Eddie, der Bruchpilot, ließ sich nicht blicken.

      Kein Wunder, dachte Alice ernüchtert, als sie zusah, wie die Gäste fluchtartig von Bord rannten. Chaos, mieser Service und raue Anlandung. Da würde ich auch Fersengeld geben. In der Tat wäre sie mit den Gästen einfach mitgerannt, wenn da nicht ihr hehres Ziel gewesen wäre, den Rattenfängermord aufzuklären.

      »Gott wird nicht erfreut sein«, stöhnte Inga, betrachtete die ausgeschaltete Computerkasse und das Scherbenmeer hinter der Theke.

      »Warum nicht?«

      »Die Hälfte der Getränke ist nicht in der Kasse.«

      »Du hast doch aber eine Strichliste gemacht!«, heulte Lina und streckte ihr anklagend den gebrochenen kleinen Finger entgegen.

      »Na ja«

      »Du hast doch eine Strichliste gemacht?«

      »Ist wohl in der Hektik untergegangen. Wen wundert’s bei dem Chaos. Gott wird wüten und diesmal zu Recht.«

      Chris bewachte draußen mit verschränkten Armen den Steg, um die letzte Meute an diesem Tag davon abzuhalten, das Schiff auf der Stelle zu entern. Jetzt erst traute sich auch der kleine, bierbäuchige Eddie in den Salon. Seine von einem weißen Haarkranz gerahmte Platte glänzte tomatenrot und biss sich mit dem Violett seiner Knollennase. Er stellte sich breitbeinig vor die Theke und pochte mit gichtig verdickten Knöcheln aufs Holz. »Jemand zu Hause? Wenn ja, wo ist mein kalter Kaffee?«

      »Hol ihn dir!«, Ingas Stimme war verhältnismäßig leise, ihr Blick aus den bergseeblauen Augen dafür um so lauter. Aus ihrem blassen Gesicht stachen die Sommersprossen hervor.

      Eddie zuckte zusammen und schlich sich hinter die Theke. Er fischte eine Sektflasche aus dem Kühlfach und ließ den Korken knallen. Dann füllte er einen Kaffeebecher bis zum Rand auf und stürzte den Sekt in einem Zug hinunter. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, während er schluckte.

      »Mir auch einen kalten Kaffee.« Chris heller Schopf schob sich um die Ecke des Einstiegs.

      »Schenk uns allen was ein.« Inga sah aus, als würde sie gleich zusammenbrechen. »Gott wird wütend sein.«

      Oh, oh, dachte Alice mit gesträubten Nackenhaaren, als sie beobachtete, wie Eddie seinen Becher ein zweites Mal mit Sekt füllte und sein Adamsapfel erneut auf- und abhüpfte. Auf diesem Schiff war einiges im Argen. »Ein Vorschlag zur Güte. Wir rechnen später das Bargeld gegen die Gastrosumme in der Computerkasse auf und ordnen dem übrig gebliebenen Geld fiktive Getränke zu, die wir im Nachhinein in die Kasse geben. Bier, Wein, Kaffee und so weiter, und zwar solange, bis wir den Umsatz aufgebraucht haben. Natürlich abzüglich der Getränke, die ohnehin schon doppelt eingegeben wurden. Sollte jemand nachfragen, ist die Kasse abgestürzt, und wir haben mit Strichliste gearbeitet. Nach der Rundfahrt funktionierte die Kasse plötzlich wieder und bla bla bla. Damit hat alles seine Ordnung, und Gott wird keinen Blitzstrahl vom Himmel schicken.«

      Inga starrte sie übertrieben schockiert an. »Du meinst, wir sollten ... Oh, mein Gott!«

      »Nein!«, grinste Eddie. »Niemals, das ist Betrug. Da streikt meines Vaters Sohn aber ganz gewaltig.«

      »Dann kann mir jemand vielleicht sagen, wie ihr ein Chaos wie dieses gewöhnlich händelt?«, fragte Alice genervt und fühlte sich mehr als nur veralbert.

      Eddie grinste breiter. »Wir machen einen Kassenabschlag, zählen das Geld in den Kellnerportemonnaies, ziehen den Kassenabschlag von der Summe ab und teilen uns den Rest als Trinkgeld. Wenn mehr übrig bleibt als normal, hat Gott eben Pech gehabt und ihr Mädels könnt euch davon frische Schlüpfer kaufen.«

      »Kann mir bitte jemand einen Krankenwagen rufen?«, heulte Lina.

      »Halt den Mund, Eddie!«, entgegnete Inga scharf. »Wir sprechen hier von über zweihundert Euro oder mehr. Wenn wir schon mauscheln müssen, tun wir’s auf anständige Art. Und du, mein Mädchen, du läufst. Zehn Minuten, und du bist zu Fuß im Krankenhaus. Wegen eines gebrochenen Fingers kommt kein Wagen. Höchstens für einen abgeschnittenen Finger.« Sie trank einen großen Schluck kalten Kaffee, und als Alice auf ihre eigenen Finger blickte, waren sie leer. Mit schenk allen was ein, war offenbar nicht sie gemeint gewesen. Selbst Lina mit dem gebrochenen Finger hielt einen Becher in der heilen Hand. Chris in der Tür ebenso. Nur sie nicht.

      »Und mein Trinkgeld?«, heulte Lisa mit rotfleckigem Gesicht und wischte sich mit ihrem Overallärmel unter der Nase entlang.

      »Du meinst das Trinkgeld, das es nicht gegeben hat, weil es im Chaos nun mal kein Trinkgeld gibt?«, fragte Inga mit beißendem Hohn zurück. »Dieses Trinkgeld hebe ich dir selbstverständlich gern auf. Wie gehabt. Ich habe dir das Trinkgeld aufgehoben, als du über Bord gefallen bist, als du bei der Konkurrenz auf dem Schiff gelandet bist, sogar als du in Urlaub warst. Was also soll die Heulerei? Geh endlich, sonst fault dir der Finger auf halbem Weg ab, dann hast du nur noch neun. Und nun zu dir«, wandte sie sich an Alice, während Lina heulend von Bord ging und Eddie und Chris von Ingas Stimme alarmiert das Weite suchten. »So ein Chaos wie eben hat es auf diesem Schiff noch nie gegeben. Du bist keine

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