Der rote Brunnen. Rita Renate Schönig

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Der rote Brunnen - Rita Renate Schönig Regionalkrimi

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wird den kleinen Schlumbern (Seligenstädter Kinder) erzählt, dass ihre Mütter Wasser aus dem „Roten Brünnche“ getrunken hätten, damit der „Storch Adebar“ ihnen ein Baby bringt – aber nur, wenn die Eltern genügend Zuckerstückchen auf ihre Fensterbank gelegt hatten.

      Ein Schild, vor einem Fachwerkhaus in der Großen Maingasse zeigt besagten Storch sowie den Weg zum „Roten Brunnen“.

      Der Storchenschnabel als Wasserspeier am Sandsteinbecken des Brunnes unterstreicht diese Aussage zusätzlich. Ebenso wie die zwei, sich rechts und links am Wasserablauf emporhangelnden, gleichfalls aus Sandstein modellierten, nackten Babys.

      Mär oder Wahrheit? Die Entscheidung darüber bleibt jedem selbst überlassen!

      Einem Bericht von Lokalhistoriker Seibert, soll das Wasser des „Roten Brunnens“ in früherer Zeit sogar als heilsam gegolten haben.

      Im Jahre 1607 brach in Aschaffenburg und der Mainzer Region die Pest aus, weshalb Johann Schweikhard von Kronberg, Erzbischof und Kurfürst von Mainz mit seinem ganzen Hof nach Seligenstadt übersiedelte, das von der Seuche verschont geblieben war. Auf Anraten seiner Ärzte trank er das Wasser des „Roten Brunnens“ und blieb, mit seinem gesamten Gefolge, wohlbehalten.

      Der rote Brunnen

       Prolog

      Gleißendes Licht fiel durch vergitterte Fenster. Staubpartikel schwebten auf langen, fingerartigen Sonnenstrahlen durch den Raum; nur hin und wieder unterbrochen, durch sich geisterhaft bewegende Gestalten, entrückt jeglicher Realität. Der Geruch von Kamillentee und Desinfektionsmittel lag in der Luft und – eine unterschwellige Unruhe und Furcht.

      Blumen oder auch nur eine Grünpflanze, hätten dieser Tristesse womöglich den Anschein von Lebendigem vermittelt. Doch derartiges Schmuckwerk suchte man hier vergebens.

      Neun quadratische Metalltische, exakt angeordnet in Dreierreihen und im mausgrauen Linoleumboden verankert, mit jeweils zwei gegenüberstehenden Stühlen waren die einzigen Möbelstücke.

      Drei in weiß gekleidete, kraftstrotzende Männer, deren Augen unentwegt durch den kahlen Raum glitten, unterhielten sich leise.

      An einem der Tische saßen sich zwei Männer gegenüber. Minutenlang stierten sie bewegungslos auf ein leeres, auf der Tischplatte aufgemaltes und kaum noch erkennbares Schachbrett. Einer der beiden streckte seine Finger aus und platzierte eine imaginäre Figur außerhalb des Spielbrettes.

      „Schachmatt.“

      Sein Mitspieler blickte erbost auf. „Das war ein Springer. Du kannst mit einem Springer kein Schachmatt herbeiführen.“

      „Das war der König. Hast du keine Augen im Kopf?“

      „Und ich sage, es war der Springer“, beharrte der andere. „Ich hab’s genau gesehen. Du bist ein Betrüger!“

      Beide sprangen gleichzeitig auf. Ihre Stühle kippten nach hinten. Hart aufschlagendes Metall zerteilte die bislang trügerische Stille.

      Eine Frau in einem rosafarbenen Morgenmantel – sie hatte pausenlos das gleiche Kinderlied gesummt – verstummte. Sie presste ihre Puppe an sich und flüsterte mit ängstlicher Stimme: „Aufhören, bitte seid doch leise, meine Tochter schläft.“ Sie lehnte sich an die Wand, ging in die Hocke und wiegte sich und die Puppe sanft hin und her.

      Währenddessen schrie ein kleiner, hutzeliger Mann in Filzpantoffeln und in einem, ihm viel zu großen rotblau gestreiften Bademantel hysterisch: „Dämonen! Die Dämonen! Sie sind wieder da.“ Er schlurfte auf die beiden Schachspieler zu und hob abwehrend seine Hände. „Weiche, Satan! Ich befehle es dir.“

      Zwei der Weißgekleideten stürzten herbei. Eine Minute später kehrte wieder diese friedlose Ruhe ein. Die Injektionen taten ihre Wirkung und die beiden Verursacher des kurzen Aufruhrs setzten sich und glotzten erneut mit entrücktem Gesichtsausdruck auf die Tischplatte.

      Aus der entgegengesetzten Ecke des Raums ertönte ein keckerndes Lachen. Der Mann – ein Hüne von 1,89 Meter – kauerte auf dem Fußboden und hielt seine Beine umschlungen. Trotz seines glasigen Blicks hatte es den Anschein, als amüsierte er sich.

      ***

      Philipp Keilmann hörte und sah nichts von dem, was sich ein Stockwerk tiefer ereignete. Trotzdem wusste er, was sich dort unten abspielte. Er selbst hatte es, während der ersten Tage seines Aufenthalts in der Klinik, erlebt. Vierunddreißig Tage war es jetzt her; vorausgesetzt er konnte sich auf die Aussage seiner Ärztin verlassen.

      Der Aufenthaltsraum, in dem er sich befand, war mit Holztischen und Holzstühlen ausgestattet. Bilder an den Wänden, mit abstrakter Malerei, sollten eine angenehme Stimmung erzeugen und die psychische Situation erträglicher machen; ebenso die vor sich hin blubbernde Kaffeemaschine auf dem Tresen und die kleinen süßen Törtchen, die jeden Nachmittag bereitstanden.

      All das konnte Philipp nicht wirklich vergessen lassen, wo er sich befand und … warum.

      Auch jetzt tauchten wieder nebulöse Gedankenfetzen vor seinem geistigen Auge auf, ergaben aber noch immer kein Gesamtbild; jedenfalls keines das ihm erklärte, weshalb er auf dem Dach der Commerzbank gestanden hatte und wie er dort hingelangt war. Erst lautes Stimmengewirr und wild gestikulierende Menschen hinter ihm, hatte ihn in die Wirklichkeit zurückgebracht – ihn erschrocken umsehen lassen – in der Hoffnung, dass die Aufmerksamkeit nicht ihm galt. Außer ihm stand da aber niemand an der Ummauerung.

      Nun schüttelte er den Kopf und die Erinnerungsfetzen verteilten sich. Er blickte hinaus auf die sorgfältig gemähte Rasenfläche und auf die zwei Frauen auf der Bank, am Rande des Kieswegs. Die Jüngere strich immerfort über die Hände der Älteren. Deren Blick war jedoch starr nach vorn gerichtet. Philipp wusste, die alte Frau lebte in ihrer eigenen Welt. Nur hin und wieder erlaubte sie Außenstehenden einen kurzen Einblick. Vor zwei Tagen hatte er die Ehre. Danach war er sehr traurig; während die alte Frau in ihr für sich geschaffenes Universum zurückkehrte und lächelte.

      „Philipp, Doktor Scherer erwartet Sie.“

      Philipp zuckte zusammen.

      „Ist alles in Ordnung?“, fragte der Weißgekleidete mit ernster Miene.

      „Ja, ja. Ich war nur in Gedanken“, antwortete Philipp. „Alles bestens.“

      Claudia Scherer begrüßte Philipp mit einem strahlenden Lächeln und bat ihn mit einer Stimme, bei der Philipp an dunkelroten Samt denken musste, auf ihrem bequemen Sofa Platz zu nehmen, während sie sich, ihm gegenüber, in einen Sessel setzte.

      Ihre bloße Gegenwart gab ihm ein sicheres Gefühl. Wogegen ihm alles andere um ihn herum Angst machte. In manchen Momenten fragte er sich, ob er wohl so enden würde wie die beiden Schachspieler? Hätte er die Wahl, so wäre ihm das Schicksal der alten Dame schon lieber; lächelnd in einer anderen Welt gefangen.

      „Sie haben enorm gute Fortschritte gemacht, Philipp“, begann Claudia Scherer das Gespräch. „Ich denke, in etwa einem Monat können Sie uns verlassen.“

      „Oh, schon?“ Philipp traf diese Nachricht völlig unvorbereitet. Sein Herz klopfte stark.

      „Ja,

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