Der rote Brunnen. Rita Renate Schönig

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Der rote Brunnen - Rita Renate Schönig Regionalkrimi

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sie sich an Herbert. „Meine Tochter ist immer so neugierig.“

      Der winkte ab. „Is schon gut.“

      „Was ist die Pest“, wollte Melina wissen und blieb, wie angewurzelt vor Herbert stehen.

      „Des war eine ganz schlimme Krankheit. Die gibt’s aber heut net mehr.“

      Das Mädchen schaute argwöhnisch zu ihrer Mutter, dann wieder zu Herbert. „Meine Mama hat ganz bestimmt nicht aus dem Brunnen getrunken; wir sind nicht von hier. Aber, meinst du, ich könnte trotzdem meinen Bruder, der noch da drin ist“, sie deutete auf den Bauch ihrer Mutter, „hier abgeben? Vielleicht möchte eine andere Mama den haben.“

      „Melina!“, rief die Mutter erschrocken.

      Herbert lächelte, schüttelte aber gleichzeitig energisch den Kopf. „Nein, des geht auf gar keinen Fall. Ihr kommt ja net von hier.“

      „Mist“, hörten Herbert und die anderen noch, während die Mutter alle Mühe hatte, ihre Tochter hinter sich herzuziehen.

      „Die Kleine hast du jetzt aber ganz schön an der Nase herumgeführt“, sagte Helene und schmunzelte.

      „Net ganz. Des mit dem Kurfürsten stimmt …ist schriftlich hinterlegt“, entgegnete Herbert.

      Sonntag / 17:45 Uhr

      Der Anruf kam nicht direkt überraschend. Trotzdem hatte Dr. Jochen Rössner gehofft, wenigstens am Sonntag mal Ruhe zu haben. Er seufzte.

      Seit Michael Lambrecht zurück in der „Geschlossenen“ war, stand er permanent unter speziellen starken Arzneimitteln; dennoch kam er nur stundenweise zur Ruhe.

      Nun hatte er einen der Pfleger angegriffen und dessen herbeigeeilten Kollegen hatten ihre Mühe, den 35 Jahre alten, fast 1 Meter 90 großen und kräftigen Mann zu bändigen.

      Auch wenn Dr. Rössner es weitgehend vermeiden wollte, in diesem Fall würde er wohl nicht umhinkönnen, den Patienten in einem Kriseninterventionsraum – volkstümlich Gummizelle genannt – zu verwahren.

      Bevor er wegfuhr, schaute er noch kurz ins Schlafzimmer, wo Claudia, seine Frau, mit starken Kopfschmerzen im Bett lag. Leise schloss er die Tür hinter sich.

      Wenig später kam Dr. Rössner in der Klinik an und guckte in besagten Kriseninterventionsraum. In einer Ecke der Weichzelle kauerte Michael Lambrecht und starrte mit leeren Augen vor sich hin.

      „Wir mussten ihm die doppelte Dosis verabreichen“, informierte Peter Foster, ein langjähriger Mitarbeiter der Einrichtung. „Ich verstehe das nicht. Er war doch früher, bevor er von hier abgängig wurde, nicht so. Jetzt brabbelt er ständig so Zeugs wie … nicht meine Schuld und böse Menschen vor sich hin. Wissen Sie, was er damit meinen könnte? Seine Opfer vielleicht?“

      Dr. Rössner schüttelte den Kopf. „Ich kann es mir auch nicht erklären. Auch nicht, weshalb die Medikamente nicht anschlagen. Wir machen nochmals einen TDM.“

      Peter Foster eilte davon, um die erforderlichen Utensilien zu besorgen. Danach führte Dr. Rössner die Blutentnahme durch und reichte die Röhrchen dem Pfleger.

      „Schicken Sie die morgen früh als erstes ins Neurochemische Labor der Universitätsklinik in Mainz, damit wir in maximal 48 Stunden ein Ergebnis vorliegen haben und schauen Sie, in regelmäßigen Abständen nach Herrn Lambrecht. Wenn er sich in den nächsten Stunden noch immer ruhig verhält, bringen Sie ihn wieder in sein Zimmer. Ansonsten … Na ja, Sie wissen schon.“

      Peter Foster nickte und Dr. Rössner ging noch schnell in sein Büro, wo er sich einige Notizen machte. Er musste mit Claudia über den Fall sprechen. Letztendlich war Michael Lambrecht, bis zu seinem Verschwinden aus der Klinik, ihr Patient gewesen und, nur aus rein juristischen Gründen und auf Anraten ihres Anwalts, hatte er sich um die weitere Behandlung von Lambrecht gekümmert.

      Sonntag / 19:15 Uhr

      Philipp Keilmann räumte die Reste seiner Pizza in den Kühlschrank. Danach stellte er die Teetasse in die Spüle und sammelte die Krümel vom Küchentisch und warf sie in den Abfalleimer. Er wunderte sich über sich selbst. Früher war er nie so ordentlich gewesen. Da kam es häufig vor, dass das Geschirr einer ganzen Woche in der Küche verteilt stand und er kaum noch ein sauberes Hemd im Schrank hatte.

      Wenn er jetzt seinen Kleiderschrank öffnete, hingen dort seine Hemden und Hosen auf Bügeln, die Shirts akkurat zusammengelegt im Regal und selbst seine Socken waren paarweise zusammengerollt.

      Früher, dachte er. Klingt, als sei es eine Ewigkeit her, und dennoch ist kaum ein halbes Jahr vergangen.

      Bereits vier Monate arbeitete er jetzt im Immobilienbüro und Bernd Maurer, der Inhaber, schien mit seinen Leistungen zufrieden. Aber, noch wichtiger war, Maurer stellte keine Fragen; genau wie Dr. Claudia Scherer es vorausgesagt hatte.

      Weder wollte Herr Maurer wissen, weshalb Philipp seinen vorherigen Arbeitsplatz aufgegeben hatte, noch weshalb er in psychotherapeutischer Behandlung gewesen war. Die kleine Wohnung, nahe der Seligenstädter Altstadt, verdankte Philipp ebenfalls seinem neuen Chef.

      Alles lief wie am Schnürchen. Fast alles. Wären da nicht noch immer diese Albträume und – was noch schlimmer war – die Stunden, die ihm fehlten … wo er nicht wusste, was zwischenzeitlich geschehen war.

      Im Normalfall stand er um sieben Uhr auf, machte sich fertig und kam zwischen halb neun und neun im Büro an, je nachdem ob ihm nach Einnahme seiner Tabletten übel wurde und er sich noch ein paar Minuten hinlegen musste.

      Es war aber auch schon passiert, dass er erst um zehn Uhr die Tür zur Agentur aufschloss, und nur weil sein Chef gerade an diesen Tagen einen Außentermin hatte, fiel sein Zuspätkommen nicht auf.

      Was in diesen Fehlstunden geschehen war – er konnte sich nicht erinnern, so sehr er sich auch anstrengte. Auch konnte er sich nicht erklären, wie er an die Orte gelangt war, an denen er wieder zu sich kam.

      Einmal stand er vor dem Brunnen im Klostergarten der ehemaligen Benediktinerabtei – ein anderes Mal befand er sich an der Fähre am Mainufer und letzte Woche kam er, auf der Treppe der Basilika sitzend, in die Gegenwart zurück.

      Waren es Anzeichen, dass er wieder in der Psychiatrie musste … in diese kalte, emotionslose Einrichtung, zu den apathisch dahinvegetierenden Menschen?

      Lange hatte er gezögert mit seiner Ärztin, Dr. Claudia Scherer, darüber zu sprechen. Als er sich letzte Woche doch dazu überwand, beruhigte diese ihn jedoch schnell.

      Jedem von uns wäre es doch schon mal passiert, dass er in Gedanken wahllos in der Gegend herumspaziert sei. Und, nach dem was er durchgemacht hatte, wäre das nicht verwunderlich und schon gar nicht besorgniserregend.

      Durchgemacht hatte Philipp wahrlich eine ganze Menge. Ohne Claudias Hilfe – wenn er an sie dachte, nannte er sie beim Vornamen – hätte er es niemals geschafft; davon war er überzeugt. Ein Grund mehr, weshalb er Angst hatte, irgendwann … vielleicht schon bald, ohne sie auskommen zu müssen. Er wusste selbst, dass dies ein Widerspruch in sich war. Einerseits wollte er diese dunkle Seite hinter sich lassen – andererseits fürchtete er sich vor einem Leben ohne sie.

      Die

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