Der rote Brunnen. Rita Renate Schönig

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Der rote Brunnen - Rita Renate Schönig Regionalkrimi

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Gänge und Räume der Anstalt waberten und eine seelenlose Atmosphäre verbreiteten.

      Sie stand auf und setzte sich neben ihn.

      „Sie sind wieder gesund. Es war nur eine, nennen wir es, Fehlinformation in Ihrem Gehirn. Natürlich müssen Sie noch, bis auf weiteres, ihre Medikamente nehmen.“

      Ganz beiläufig ergriff sie Philipps Hand „Sie zittern. Ist Ihnen nicht gut?“

      „Eh … nein“, stotterte Philipp. Wie hätte er ihr sagen können, dass er sich, seit seinem ersten lichten Augenblick, in diese grünblauen Augen, mit denen sie ihn jetzt ansah, verloren hatte. Solche Augen, deren grün schimmernde Pupillen mit einem fast dunkelblauen Rand umgeben waren, hatte er zuvor noch niemals gesehen.

      Er senkte den Blick und murmelte: „Ich ... ich dachte nur, ich wäre noch nicht soweit.“

      „Denken Sie das oder hoffen Sie es, Philipp?“

      Er erschrak. War er so leicht zu durchschauen? Er kam sich vor wie ein Teenager, der seiner ersten großen Liebe gegenüber saß und nicht wusste, was er nun tun sollte.

      Natürlich wollte er raus, aus dieser Stätte des Wahnsinns und das so schnell wie möglich, bevor er selbst zu einem Teil dieses Tollhauses werden würde. Aber wie sollte sein Leben dort draußen weitergehen – ohne sie? Darüber zerbrach er sich in manchen Nächten den Kopf. Auch wollte er nicht wieder in seinen alten Job zurück; was ohnehin nicht möglich wäre, denn kein Bankhaus würde einen Mann einstellen, der das Geld anständiger Sparer verspekuliert hatte, wenn auch nur auf Anweisung seines Vorgesetzten. Doch das hatte ihm vor Gericht schon niemand geglaubt und beweisen konnte er es nicht.

      Das Gegenteil war der Fall: Die Beweise gegen ihn waren zu belastend und genutzt hatte es letztendlich den Opfern auch nicht. Ihr Erspartes war futsch. Nur einen geringen Anteil zahlte ihnen die Bank aus, sozusagen als Wiedergutmachung. In erster Linie jedoch, um den Imageverlust zu begrenzen.

      Hingegen sah er, Philipp, sich einem unbarmherzigen Blitzlichtgewitter und Buhrufen ausgesetzt, als er das Gerichtsgebäude verließ.

      Gerade in einer Zeit, in der das Vertrauen in die Finanzwirtschaft mehr als angeschlagen war, hofften viele der geprellten Anleger auf ein Urteil, das wenigstens ihr moralisches Weltbild wieder ins Gleichgewicht brachte. Stattdessen erhielt Philipp nur eine Bewährungsstrafe. Ein Affront gegenüber den Betrogenen, wie viele meinten, und für die Presse ein gefundenes Fressen.

      „Philipp?“ Ihre samtene Stimme und der Druck ihrer Hand brachten ihn wieder in die Gegenwart zurück. „Sie sorgen sich, wie die Welt dort draußen Sie aufnehmen wird, stimmt’s? Und Sie machen sich gewiss Gedanken, wie Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen sollen?“

      Philipp nickte.

      „Ja, das verstehe ich.“ Die Psychotherapeutin stand auf und ging zu ihrem Schreibtisch. „Ich habe mit einem guten Bekannten gesprochen. Er ist Immobilienmakler in Seligenstadt und sucht einen zuverlässigen Mitarbeiter. Hier.“ Sie reichte Philipp eine Visitenkarte. „Ich habe ihm erzählt, dass Sie sich beruflich verändern möchten. Das ist ja nicht einmal gelogen, nicht wahr? Wenn Sie wollen, könnten Sie am nächsten Ersten in seiner Agentur anfangen.“

      Philipp schaute auf die Karte.

      Dr. Claudia Scherer bemerkte sein Zögern. „Nun ja, ich weiß, es ist nicht gerade ein Traumjob für jemanden der …“

      „Nein, nein“, warf Philipp ein. „So meinte ich das nicht. Es ist nur – ich verstehe nichts von Immobilien.“

      „Sie verstehen etwas von Zahlen und haben keine Probleme im Umgang mit Menschen. Das sollte genügen.“

      „Haben Sie ihm erzählt, dass ich …?“

      „Was? Dass Sie einer meiner Patienten sind? Aber nein, Philipp; wo denken Sie hin. Sie wissen doch … die ärztliche Schweigepflicht.“

      Natürlich hatte sie nichts erzählt, verwarf Philipp seine panischen Gedanken. Das würde Claudia niemals tun.

      Er hatte nicht angenommen, dass sein Wiedereinstieg in die Welt dort draußen so bald erfolgen würde – schon gar nicht in beruflicher Hinsicht. Er war mehr als überrascht.

      „Nun, was sagen Sie? Wäre das eine Perspektive für ein neues Leben?“

      „Danke.“

      „Soll das ein JA bedeuten?“

      Philipp nickte erneut.

      „Na fein. Dann wäre das auch geklärt.“ Dr. Claudia Scherer nahm wieder neben Philipp Platz.

      „Und keine Sorge. Ich werde auch weiterhin über Sie wachen. Ich muss es sogar. Sie werden einmal wöchentlich in meine Sprechstunde kommen müssen.“

      Philipp hob langsam den Kopf. Von müssen kann keine Rede sein, dachte er.

      Sonntag – 13. Mai 2018 / 09:35 Uhr

      Zwischen den Ritzen der heruntergezogenen Rollos drängte die Sonne in den Raum. Nicole Wegener blinzelte ins Halbdunkel des Schlafzimmers. Schon seit Wochen hatte sie nicht mehr so gut geschlafen und rekelte sich in ihrem Bett.

      Der Fall „Hausfrauenmörder“ hatte die Soko in Atem gehalten; ganz besonders sie selbst. Zum ersten Mal, seit sie Anfang des Jahres zur Ersten Kriminalhauptkommissarin ernannt worden war, musste sie eine Soko anführen und wollte … nein, durfte sich keine Fehler erlauben. Das zehrte gewaltig an ihren Nerven. Entsprechend beeinflusste ihre Nervosität ihre Partnerschaft.

      Zum Glück war Andreas Dillinger sehr verständnisvoll. Als Kriminalhauptkommissar – früher ebenfalls an vorderster Front, bis er sich nach einem Dienstunfall freiwillig ins Archiv des Polizeipräsidiums versetzen ließ – wusste er von der körperlichen … aber mehr noch der psychischen Belastung, die ein solcher Mord mit sich bringen konnte.

      Aber jetzt war der Täter gefasst. Obwohl, gefasst war vielleicht das falsche Wort. Er saß wieder in der psychiatrischen Klinik, aus der er zuvor geflohen war. Aber das Motiv blieb, nach wie vor, unklar.

      Seine Opfer – zwei Frauen – legte er stets an öffentlichen Plätzen ab.

       Die erste Leiche fanden Kirchgänger am 16. April, einem Sonntagmorgen, auf den Stufen der Christuskirche in Offenbach. Wenige Tage danach erfolgte der zweite Mord.

       Ein Mann, der gegen 22 Uhr 45 noch eine späte Runde drehte, beobachtete am Wegkreuz in Flörsheim, wie der Täter sich mit einem Messer über die Frau beugte. Auf sein Zurufen wäre der nicht einmal erschrocken, sondern setzte sich gemächlich in Bewegung und verschwand in Richtung Rathausplatz.

      Der Passant rief die Polizei. Als diese, keine zehn Minuten später, eintraf und den näheren Bereich absuchte, fand sie einen Mann auf einer Bank sitzend. Er ließ sich ohne Gegenwehr festnehmen. Das blutverschmierte Messer hielt er noch in der Hand.

      Beiden Frauen war, mit aufgefundenem Messer, in den Unterbauch gestochen worden. Das war vorerst die einzige Gemeinsamkeit und – die über dem Bauch gefalteten Hände, in die jeweils ein Rosenkranz gewickelt war.

      Die Frauen unterschieden sich sowohl von der Haarfarbe als auch vom Typ,

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