Frequenzwechsel. Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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Frequenzwechsel - Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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Trittleiter) behilflich zu sein. Meinerseits tönt es pflichtschuldig „Guten Abend“, der Alte darauf: „op mi hebben Se wohl grad noch täuwt!“, kein Gegengruß sonst, nichts weiter. Mein Gedanke dazu: „ihr Bauern!“ Alles in allem gesagt, auf der AUGUST SCHULZE arbeiteten wir, solange ich diesen Zossen bevölkerte, nicht als ein aufeinander eingespieltes team und gegenseitiger Achtung voreinander zusammen, wir waren vielmehr ein wesenloser Haufen von unterschiedlichen Chargen. Die Reisen selbst nach Häfen in Portugal, Südspanien und Marokko waren an sich ein schönes Fahrtgebiet mit nur wenigen Reedehäfen und oft herrlichen Küstenszenerien, aber das allein konnte dieses Schiff in meinen Augen nicht aufwerten und ließ mich nur zwei je sechswöchige Reisen auf ihm machen. Markant übrigens auf erster Reise zur Winterzeit - der Winter 1928/29 war in Nordeuropa sehr streng - in Marokko Anfang Februar 1929 hatten wir gute 30 Grad Wärme, heimkehrend im Nordseeraum nur acht Tage später ca. 30 Grad Kälte, also rund 60 Grad Temperaturunterschied. Etwa ab Terschelling bis zur Elbmündung hin war die südliche Nordsee vereist. In Deutschland war inzwischen das Heer der Arbeitslosen ganz beträchtlich angewachsen, zum anderen hörte nun auch ein dem Teufelskreis Politik wenig verfallener Beobachter - die deutschen Seeleute gehörten im allgemeinen dazu - zunehmend mehr von einem gewissen Herren Hitler als einem ominösen Exponenten in der politischen Szene. Mir war der Name Hitler aus meinen letzten Tilsit-Jahren her zwar nicht unbekannt, aber ich hatte diesem Namensträger seinerzeit keine besondere Bedeutung zugemessen. Bei einem kameradschaftlichen Plausch hatten sich wider mein Erwarten auch zwei oder drei Bordkameraden auf AUGUST SCHULZE als Sympathisanten Hitlers bezeichnet. Das ließ mich insofern aufhorchen, als die Masse der deutschen Seeleute im Allgemeinen außer ein paar kommunistischen Schreiern dem damaligen politischen Geschehen teilnahmslos gegenüberstand. Dieser ging es angesichts der Heere von Arbeitslosen in allen Berufssparten mehr ums Brotverdienen, als um die Problematik politischer Aussagen.

      Trotz aller Misère am Arbeitsmarkt erhielt ich bereits zwei Wochen nach Abmusterung von AUGUST SCHULZE meinen zweiten August in Gestalt der „AUGUST LEONHARDT“, eines handigen Massengutfrachters von etwa 4.000 BRT der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg, leider wieder als Leichtmatrose. Meine Hoffnung auf eine Anmusterung als Matrose à cto meiner langen Junggrad-Fahrtzeit erfüllte sich zu meinem Bedauern nicht, man übersah schlechtweg meine ersprießlich gewesenen Aufbauzeiten auf den englischen Schiffen. Im Nachhinein erwies sich mein rascher Entschluss, die Leichtmatrosen-Chance einem ungewissen Warten auf einen Matrosen-Job vorzuziehen, als durchaus richtig, denn nach etwa halber Reise von insgesamt 11 Monaten „wilder Fahrt“ wurde ich auf diesem zweiten August zum Matrosen umgemustert. Außerdem, obwohl sie zweifellos auch kein Renommierschiff darstellte, gefiel mir diese AUGUST LEONHARDT, was nicht in letzter Linie ihr interessanter Trampeinsatz im Hin- und Herpendeln zwischen Europa und Nord-Amerika bedingen mochte, zum anderen die geschicktere Menschenführung der auf diesem August eingeschifften Offiziere - im Gegensatz zu der des anderen - begründete. Sein Kapitän, Herr A. war in meinen Augen in seiner Haltung und seinem Auftreten ein weltgewandter Mann und rechter Vertreter seiner Sparte, und die ganze Besatzung stellte nach einigem Hinsehen eine gute Mischung von seefahrendem Volk dar. Wir ertrugen die Mängel der AUGUST LEONHARDT in puncto Verpflegung, von öfteren diesbezüglichen Beschwerden abgesehen, mit Elan und Würde, es war im Übrigen verständlich, dass manche von uns die lange Dauer der Reise und deren scheinbare Ziellosigkeit dann und wann kräftig verschnupfte. Mich als jungen Kerl erschütterten die uns Mannen konfus erscheinenden Zielwechsel herzlich wenig, im Gegenteil, sie stillten eher meinen Hunger nach Aufnahme immer neuer Reiseeindrücke. Wen es interessieren sollte, der mag die einzelnen Stationen dieser meiner längsten, ununterbrochenen Reise auf dem Globus nachverfolgen: Hamburg (Ausgang) Antwerpen – Oran (Bunkern) - Smyrna - Konstantinopel – Galatz / Rumänien – Oran (Bunkern) - Jacksonville - Tampa - Houston – Galveston – Norfolk (Bunkern) – Bergen (Bunkern) – Tromsoe - Murmansk - Archangelsk – Harstad (Bunkern) - Loedingen – Louisburg (Bunkern) – Sydney / Canada (Bunkern) – Norfolk (Bunkern) – New Orleans - New Brunswick - Savannah – Norfolk (Bunkern) – Ardrossan / Schottland (Bunkern) - Murmansk - Kirkenes – Jakobsnes – Harstad - West Hartlepool (Bunkern) – London – Hamburg (Eingang). Zugegeben, das war oder ist eine bunte Palette von Häfen, auch wenn ein Drittel davon nur zwecks Bunkerns angelaufen wurde mit knapper oder gar keiner Landgangsmöglichkeit. Anders oder weniger wechselhaft als damals ist die heutige Trampfahrt auch nicht, im übrigen fuhren wir für die Trampreederei L & B, welche Buchstaben der deutsche Seemann damals mit „Lumpen und Blei“ interpretierte, wir fuhren also viele Ausnahme-Ladungen und Ausnahme-Touren, die obiger Interpretation irgendwie gerecht wurden. Das mag jedoch nichts über den wirklichen Wert oder Unwert des genannten Reeders und seiner Schiffe aussagen. Hein Seemann ist leicht indigniert (unwillig, entrüstet) und in seinem Urteil abfällig, wenn ein Schiff und dessen Reiseroute irgendwie nicht seinen Erwartungen entsprechen, er, der in vielen Fällen die etwa kargen Fleischtöpfe an Bord dem damals oft langen Mangelleben an Land immerhin noch vorzog, schimpfte allein oft des reinen Schimpfens wegen, weil eben mancher Schreihals damit sein angekratztes „image“ aufzupolieren trachtete. Es entzog sich im Übrigen damals meiner Beurteilung, wie weit die oft falsch verstandenen Thesen der Gewerkschaften einzelne Geister in ihren Ansichten und deren Ausdrücke beeinflussten bzw. Impuls für vieles Jammern und Klagen waren. Heute neige ich der Ansicht zu, dass derzeit wahrscheinlich „vieles faul im Staate Dänemark“, also allgemein in der Seefahrt war. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass der unglückliche Kriegsausgang die deutschen Reeder zumindest empfindlich zur Ader gelassen hatte, der Wiederaufbau ihrer Flotten à cto Inflation, Diktat und des wieder erwachenden Neids der ehemaligen Kriegsgegner auf den trotz seiner Niederlage infolge seiner deutschen Gründlichkeit wieder erstarkenden Konkurrenten äußerst risikoreich und schwierig war. Mithin hatten die deutschen Schiffseigner nicht nur ein neues image, sondern gleichzeitig auch mit knappen Kriegsentschädigungen und hohen Fremdkrediten eine neue Flotte aufzubauen. Vieles entstand dabei gewissermaßen aus dem Nichts, das langsam Aufgebaute war in der Folge, wenn es Bestand haben sollte, nur mit größtmöglicher Sparsamkeit und gegebenenfalls kleinsten Gewinnmargen zu halten und erhalten. Das galt natürlich auch für „Lumpen und Blei“. Trotz allen Sparens erfüllten sie aber ohne irgendwelchen Zweifel die Forderungen von Seemannstarif und Speiserolle. Im Ausland gekaufter Proviant war jedoch teuer und oftmals schlecht, große Mitnahme von Lebensmitteln aus der Heimat für eine längere Reisedauer war wegen fehlenden Kühlraums an Bord zum anderen nicht möglich, ergo wurde mit jedem Mehrmonat einer Reise der „Fraß“ auf einem Tramper knapper und schlechter, dazu kam, dass der Schiffskoch S. und sein Sohn, der Bäcker, nicht gerade Meister ihres Fachs waren. Schwierigkeiten machte auch die Bunkerei, obwohl die dafür installierten Bunker für mehrere tausend Seemeilen Dampferzeugung Kohle aufnehmen konnten. Ein Teil des Bunkerraums wurde jedoch oft zweckentfremdet, weil man entweder mehr an Fracht mitnehmen wollte oder aber die einzelnen erhältlichen Ladungspartien mehr Frachtraum beanspruchten. Wie dem auch gewesen sein mag, wir waren eigentlich immer knapp an Bunkers, versuchten daher, nach Möglichkeit nur in den billigsten Bunkerplätzen unseren Kohlebedarf zu decken. Darum konnte es auf Atlantik-Überquerung von Harstad nach Louisburg tatsächlich passieren, dass wir einen halben Tag vor Kanadas Küste trotz wetterlich ruhiger Reise mit unseren Kohlen bis auf einen spärlichen Rest ausverkauft waren. Kapitän A. war an dieser Misere nur bedingt schuldhaft, hatte vielmehr rechtzeitig die Reederei in Hamburg zur Zwischenbunkerung in Rejkjavik / Island zu überreden versucht. Nun war es plötzlich kritisch geworden, für die restlichen 40 oder 50 Seemeilen bis zum nächst erreichbaren Hafen fehlte der Stoff, mit dessen Hilfe man Wasser in Antriebsdampf umsetzen kann. Also mit all hands ran an alles vorhandene Holz - hauptsächlich große, an Deck aufgestapelte Mengen Stauhölzer von der vorangegangenen Reise mit full ship Baumwolle. Falls alle Stränge reißen sollten, das Holz mit geringer Kohle-Anreicherung nicht ganz ausreichen würde, hatten wir gegebenenfalls noch einen weiteren Trumpf in Händen, die in Archangelsk full ship eingenommene Massenladung von luftgetrockneten, ausgebleichten Knochen. Aber das Holzzeug, dessen längste Stücke wir mit Schwung an den Festmacherpollern zerbrachen oder einfach zersägten, langte gerade, um noch einigermaßen majestätisch und kraftprotzig trotz blitzblank leer gefegter Bunker im Schiffsleib in Port Louisburg an die Kohlenkippe zu gehen. Es war auch höchste Zeit damit, Petrus hatte nämlich inzwischen still und leise einen starken, ablandigen Wind wehen lassen, der uns möglicherweise letzten Endes noch zu einem Bergungsfall hätte werden lassen. Das viele

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