Frequenzwechsel. Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Frequenzwechsel - Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski страница 18

Frequenzwechsel - Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

Скачать книгу

Das „hurry up“ in der Linienfahrt ist also durchaus nicht eine Erfindung der höher technisierten Neuzeit, das gab es in der Seefahrt schon lange. Die Linienfahrt konnte oder kann zum anderer von den Schiffseignern nur unter intensivster Ausnutzung eines maximalen Einsatzes ihrer Transportmittel betrieben werden. Voraussetzung für einen solchen gezielten Einsatz eines Tourenschiffes ist natürlich auch ein gut funktionierendes Agentennetz und das Nichtauftreten eines Schiffsstaus in den einzelnen Häfen, der meistenteils in den genannten Entwicklungsländern durch deren mangelhafte Infrastruktur im Zubringerdienst bedingt ist. Nun, genannte beide Reisen waren wie gehabt auf erster Fahrt nach jener Küste, im Übrigen war ich ja nun ein erprobter Leichtmatrose, der die an Bord anfallenden Arbeiten kannte, das bordgebräuchliche Englisch intus hatte und den Ehrgeiz besaß, in der harten, aber nach meinem Empfinden schönen Seefahrt irgendwie voranzukommen, auch wenn für den Augenblick damals im Zeichen der weltweit negativen Konjunktur in Handel und Wirtschaft eher folgender Spruch zutreffend gewesen wäre: „Mit tausend Masten schifft hinaus der Jüngling, still auf gerettetem Kahn kehrt er bescheiden zurück!“ Glücklicherweise ahnte oder wusste ich damals kaum etwas von der realen, eventuell auch für meine Person gültigen Aussage dieses schulgemachten Hexameters. Zu erwähnen wäre noch, dass NEW BRIGHTON kein überaus glückhaftes Schiff zu sein schien. Es gab auf fast jeder Reise dieses „Liner“ dem Hörensagen nach Un- und Todesfälle an Bord. Meine einzige Reise darauf war ebenfalls von Unglücksfällen gekennzeichnet. Zwei cru-Neger stürzten bei Ladevorgängen in eine Luke, der 1. Steward starb an Schwarzwasserfieber, bzw. dessen Nebenerscheinungen. Die beiden schwerverletzten Neger kamen in ein Hospital an Land mit mir unbekanntem Ausgang ihres Zustandes, den Steward begruben wir in Grand Bassam / Elfenbeinküste auf einem von hohen Palmen gesäumten Friedhof. Letzterer hatte sich irgendwie unbemerkt aus dem irdischen Dasein geschlichen. Seine Erkrankung an Malaria verlief an sich wie jeder andere gleiche Malariafall mit dem üblichen hohen Fieber, es bestand demnach kein Anlass zu einer Verlagerung des Fiebernden in das nächst erreichbare Krankenhaus. In der Todesnacht muss dann wahrscheinlich unbemerkt eine Krise eingetreten sein, der nach ihm schauende Deckswächter fand in den Morgenstunden den Mann tot in seiner Koje mit schwarz verfärbten Adern im Gesicht und an den Händen. Die abergläubischen Cru-Neger führten die Häufung der Unglücksfälle auf der NEW BRIGHTON auf eine „Untat“ deren Kapitäns zurück. Dieser soll – nicht nachprüfbar – vor einigen Reisen eine schwarze Katze eines cruboys grundlos bzw. als absoluter Katzenfeind eigenhändig über Bord geworfen haben, weshalb nun auf seinem Schiff ein Fluch laste. Der Aberglauben der black men mit seiner irrlichtigen Urteilstrübung ließ im Übrigen auf dieser meiner Reise einen cruboy in der Silvesternacht zweimal den erst kurz vorher verstorbenen Steward auf dem Schiff als wandelnden Geist sehen. Sein gellender Angstschrei jagte darob alle das Neue Jahr Feiernden, auch mich, an Deck. Einem weißen Besatzungsmitglied hat sich der Verstorbene allerdings nicht gezeigt, so sehr wir Weißen auch auf den verschreckten Aufstand der Farbigen hin nach der angeblichen Astralgestalt des allzu früh Verblichenen fahndeten. Jedenfalls war bei Rückkehr nach Hamburg auch für mich „Sense“ mit diesem „Geisterschiff“, weniger des vermeintlichen Bannstrahls wegen, als aus dem Wunsch heraus, hinfort auf deutschen Schiffen mein Glück zu versuchen. Schließlich wollte ich ja einmal ein deutsches Patent erwerben und sollte eigentlich schon deswegen die erforderliche, noch fehlende Fahrtzeit für den Schulbesuch auch auf deutschen Schiffen zu sammeln versuchen. Außerdem – vielleicht sogar das Hauptmotiv des geplanten Wechsels – war die nun dreimal genossene „hafenfeindliche“ Westküste Afrikas mit viel Anlaufhäfen und trotzdem wenig Landgangsmöglichkeiten. Fremde Küsten lösen eben auch Neugier zum Schauen an Land aus. Meist wird man zwar vom Landgang in primitiven tropischen Ländern saftig enttäuscht, hat dann aber zumindest den Durst der Neugierde gelöscht und trägt irgendwie neues Wissen um die Vielfalt menschlichen Daseins auf dem Erdenrund mit sich heim. Etwas bleibt von allem Erschauten immer im Gedächtnis, mal mehr, mal weniger, je nach Interessenlage, und wie man zu erschauen vermag.

      Vor dem Mast unter deutscher Flagge – 1928

      Angesichts der immer katastrophaler werdenden Arbeitslosigkeit in der deutschen Heimat war guter Rat für einen Job zwar ziemlich teuer, aber fast schien man auch jetzt wieder nur auf mich gewartet zu haben, denn nach relativ nur kurzer Landliegezeit wurde mir von der deutschen Heuerstelle der Vereinigten Reeder an den Vorsetzen in Hamburg eine Leichtmatrosenstelle auf dem deutschen Dampfschiff „MARGOT“ vermittelt. Weshalb kein anderer unter den vielen möglichen Bewerbern auf die MARGOT aufsteigen wollte und bei Zustimmung nach Harlingen / Holland per fremdbezahlter Bahnreise fahren sollte, ist mir wie damals so mancher Zufall unerklärlich. Leute mit mehr Erfahrung als ich witterten vielleicht bei diesem, dem Namen nach sonst unbekannten Kahn einen Haken, irgendeinen Typ von „never come back“-Schiff, zumal dieser seltsame Zossen in Hamburg sozusagen anonym von einem Korrespondenz-Reeder gemanaged wurde. Sei es darum wie auch immer, ich fand zumindest den Namen MARGOT schön und klangvoll und setzte mich, mit frommen Wünschen der Ein-Mann-Reederei ausgerüstet, am Morgen des 31.03.1928 erwartungsvoll in den Zug Richtung Groningen / Nordholland. Ziemlich spät abends traf ich in Harlingen ein und machte mich allsogleich auf die Suche nach meinem neuen Kahn. MARGOT fand ich dann auch glücklich und noch gerade ohne Vergrößerungsglas. Der erste Eindruck von diesem Sampan war nicht ausgesprochen ermutigend, zumal die mit ca. 700 BRT vermessene Schiffsdame MARGOT - tatsächlicher Eigner war oder waren der oder die Inhaber des großen Hamburger Nobel-Porzellan-Geschäfts Waitz / Neuer Wall - rein äußerlich ein ziemlicher Sonderling unter den üblichen Meerungeheuern war. Während des 1. Weltkrieges hatte man dieses Schiff in England als „submarine-catcher“ gebaut und verwendet. Merkmale derzeit: gleiches Aussehen des Schiffes vorn und achtern, damit auf die Schnelle niemand, also der böse Feind, erkennen konnte, in welche Richtung der Bursche eigentlich fahre, ferner mittschiffs gleichförmig hochbordig für Aufstellung von Geschützen, deren Vorhandensein durch Klappen getarnt wurde. Diese Klappen fielen, wenn in der Nähe ein deutsches U-Boot ahnungslos auftauchte, um den vermeintlichen Handelsfahrer zu kapern, also ein Prisenkommando auf ihn an Bord zu setzen. Das still liegende aufgetauchte U-Boot war dann für den ebenfalls stilliegenden Fänger ein lohnendes und sicheres Ziel für seine freistehenden Geschütze. Etliche deutsche U-Boote sind jedenfalls von diesen laut Kriegsrecht verbotenen U-Boot-Fallen (verboten 1864 und späteres Verbot 1906 in Genfer Konvention, einer internationalen Übereinkunft zur Humanisierung der Kriegsführung) versenkt worden. Das hier erwähnte aber nur so nebenbei, es sollte nur eine Erklärung zum Typ „Submarine-Catcher“ sein. Ein weiteres Kuriosum für MARGOT war ferner, dass sie drei Masten von etwa gleicher Höhe - wohl auch noch von ihrer Kriegsaufgabe her - besaß. Kurzum, der neue deutsche Eigner hatte dieses Vehikel nach dem Krieg vom Engländer gekauft und es dann wohl möglichst billig und so weit wie nötig zum kleinen Frachter umbauen lassen. Ansonsten zeigte sich dieser Eimer als gutes Seeschiff mit einer relativ starken Maschinenanlage im verlumpten Leib und primitiven Mannschaftsunterkünften für ein Dutzend people. Sein Einsatz dürfte im Übrigen recht einträglich gewesen sein, MARGOT lief in englischer Charter jede Woche die Tour Harlingen – Hull - Harlingen ab, stets voll beladen, hin mit Stückgut und Lebensmitteln - Butter, Fleisch, Käse etc. – zurück mit Kohle bis zur Halskrause. Die Bordverpflegung war gut, was etwa daran fehlte, wurde großzügig aus der Hinfracht entnommen, besser gesagt geklaut, wir waren eben eine eingeschworene Mannschaft, die dann und wann auch mal zwei oder drei junge englische Weibsen - natürlich außer Tarif und an sich strikt verboten - für die Dauer einer Rundreise mitnahm. Entsprach solch „blinder Passagier“ den Erwartungen der Seeleute, so blieb er gar zwei Rundreisen an Bord, länger auf keinen Fall, wir hatten dann die „Damen“ satt. Es war schon was los auf diesem „Huker“, ich war jedenfalls anfänglich perplex, als ich, vom ersten abendlichen Hull-Landgang heimkehrend, in meiner Koje, darauf unvorbereitet, ein völlig betrunkenes Mädchen in tiefem Schlaf liegend vorfand. In Holland, wo die girls moralisch blitzsauber waren, hatten wir jungen Kerle unsere „Angebetete“, in England, wer es wollte, die käufliche, gegebenenfalls gefährliche und darum nicht anzubetende Liebe. Nach meinen damals spärlichen Vergleichsmöglichkeiten schien es in Hull von leichten Mädchen geradezu zu wimmeln, ein Teil von ihnen außerdem geschlechtskrank zu sein - drei Männer von uns steckten sich innerhalb kurzer Zeit an‚ das bedenken- und rücksichtslose Handeln dieses Typs Frauen bereicherte jedenfalls beträchtlich meinen

Скачать книгу