Frequenzwechsel. Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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Frequenzwechsel - Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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seinen „Kreuzer“ und nahm mich mittags zum Essen zu sich nach Hause. Bei Barghusens sollte ich überhaupt bei Hafenliegezeit die Mahlzeiten einnehmen, denn an Bord selbst gekocht wurde nur unterwegs, und das Kochen sollte ein Teil meiner zukünftigen Arbeit sein. Das waren wirklich feine Aussichten bei meinen schwachen Kochkünsten! Die FAREWELL war ein hölzerner Kutter, etwa 12 - 15 m lang, Zweimaster und hatte noch kein schützendes Ruderhaus.

      Sie wurde mit Pinne gesteuert und hatte innen einen Glühkopfmotor von 25 PS Leistung. Die Unterkunft war für vier Mann Besatzung gedacht und relativ klein, die Schlafkojen waren, mit Türen verschließbar, an den Wänden eingebaut, je eine für Schiffer und Bestmann, eine dritte unterteilte für die beiden Junggrade, vor den Kojen entlang Sitzbänke. Außerdem standen im engen Raum ein fester Tisch und der Herd. Der Niedergang von Deck führte in einen kleinen Vorraum, in dessen Wänden Schränke oder Spinde für Proviant, Ölzeug und anderen Kram installiert waren. Der Niedergang zu den Wohnräumen lag vor dem Fockmast (Hauptmast), zwischen Fockmast und Besanmast war das „Binn“, der Frachtraum für die Aufnahme von Lebendfischen und Eislast nebst Lagerraum für auf See geschlachtete Fische. Hinterm Besanmast befand sich das wenig gegen Seegang und Niederschlag geschützte so genannte „Nachthaus“ (ein einfacher Stand) mit Kompass und Bedienungselementen für den Antriebsmotor unter dem Achterdeck. Ganz vorn und ganz hinten waren enge, durch Luken erreichbare Lasträume für alle möglichen Dinge, vorn z. B. der Kettenkasten für die Ankerkette. Der Anker selbst wurde per Hand mit Hilfe eines Davits aufgeheißt und dann über Bord geworfen, mit einem Gangspill zum anderen wieder aufgehievt. Das per Hand ausgesetzte Netz wurde per Motorwinde (vor dem Besanmast) eingeholt. Alles auf dem Kutter war jedenfalls sehr primitiv nach heutigen Begriffen (und spielte sich auf engstem Raum ab), im Übrigen aber für einen Seefahrts-Neuling zumindest eine Kulisse, die die Seefahrtbegeisterung vorerst sehr dämpfen konnte. Aber wo Menschen einen großen Teil ihres Arbeitslebens verbringen müssen und es mit der Zeit routinemäßig bestens schaffen, da gewöhnt sich auch ein Neuling rasch an die Gegebenheiten, vorausgesetzt, dass er dazu willens ist. Bei mir bedurfte es nur einer 10-Tage-Reise, um mich auf diesem „Sampan“ (chinesisches Wohnboot) zu Hause zu fühlen, was allerdings nicht heißt, dass ich die unterteilte obere Jungmann-Koje, in die ich nur unter allen möglichen Verrenkungen in die Horizontale kam, irgendwie schön finden konnte. Normalerweise pflegt die Koje des Seemanns liebstes Kind an Bord zu sein, weil Schlafen im Dasein eines Fahrensmannes nachgerade eine ewige Mangelware ist und mutmaßlich der vielfältigen Wachsysteme wegen das auch in Zukunft immer bleiben wird. Was die Bordgenossen auf FAREWELL anbetraf, so blieben sie mir als echte „Finkwarder“ in der kurzen Zeit meines Wirkens auf diesem Kahn irgendwie Fremde. Ist ein Einleben in eine völlig fremde Umgebung an sich schon nicht einfach, so ist das Suchen und Finden von menschlich-inneren Kontakten auf die Schnelle ein besonders schwieriges Kapitel. Die Verschiedenheit von Herkunft, traditioneller Denkungsart und Bildungsniveau schuf vorerst eine unübersteigbare Mauer zwischen meinen Schicksalsgefährten und mir. Wir konnten also nur das Sichtbare am lieben Nächsten werten, dessen Haltung äußerlich und erkennbare Arbeitsleistung. Meine Kontaktbemühtheit und Arbeitsbereitschaft wurden bestimmt erkannt und anerkannt, geschätzt wurde auch meine ihrerseits unerwartete Einsatzfähigkeit als Rudergänger (Pinnen-Steuerer) während der nächtlichen etwa zweistündigen Kurs- (Fischfang-) Stunden, die ich dann ganz allein das mit langsamer Motorfahrt laufende und gleichzeitig unter Segeldruck am Wind liegende Schiff steuerte. Aber allgemein war ich eben keineswegs eine vollwertige Arbeitskraft, hatte noch keine Routine beim Einholen und Verarbeiten des Fangs und benahm mich beim Kochen wie einer, der ein Kreuzworträtsel mit nie gekannten Begriffen lösen soll. Mit meinen Klüten konnte man anfänglich entweder Wände durchlöchern oder Ritzen kalfatern, Rinder- oder Schweinebraten wurden entweder Schuhsohlen oder liefen, schwarz und unansehnlich, „zum Schlachter zurück“. Beim Kochen oder Braten war eben einige Übung notwendig, zumal beim Fang-Einholen - allgemein mindestens 30 Minuten lang - Pötte und Pannen vom heißen Herdfeuer herunter und irgendwie rutsch- oder kippfest abgestellt werden mussten. Allein schon das Anmachen des Herdfeuers morgens war eine Wissenschaft für sich, zumal Holz und Kohlen immer klamm und feucht waren, hernach machten ewiges Rollen oder Stampfen des Kutters in meist kabbeliger See allen Kochkünsten eines Novizen den Garaus. Ein wahres Glück war es, bzw. setzte es meine Kollegen in massives Erstaunen, dass ich ungeahnt immun gegen Seekrankheit war - und bis heute geblieben bin - was meinem Kameraden Leichtmatrosen, dem für die Seefahrt prädestinierten Finkwarder Jung, auch nach vielen Seefahrt-Monaten vom Schicksal nicht beschieden war, zumindest ab Windstärke sechs plagte den sonst kleinen Prahler und Angeber der jammervolle Zustand des Nichtleben-Nichtsterben-Könnens. Wahrscheinlich hat mich das viele Gurgeln mit Alkohol Seefest gemacht, was weiß ich. Ein wirkliches Trauerspiel auf HF 49 war die Toilettenfrage. Fielen Baden oder ein gründliches Sichwaschen während des Seeturns wegen Süßwasserersparnis bedauerlicherweise schon flach, so war die lebensnotwendige tägliche „Thronbesteigung“ eine echte Katastrophe. Bei wenig Seegang konnte man das verlängerte Rückrat in Lee über die niedrige Reling hängen lassen, schaukelte aber der Kahn, so musste man eine mobile Tonne mit darüber gelegter Sitzplanke als Örtchen benutzen mit nachfolgender Seewasserspülung per Pütz (Eimer) hinterher. Nein, eine solche Seefahrt ist keineswegs so lustig, wie sie sie artfremde Texter von Seemannsliedern zu beschreiben pflegen. Nun, by and by wird alle geschilderte Misere reine Gewohnheitssache und kann dann gar im Endeffekt einen Seemann oder den, der ein solcher einmal unbedingt werden will, kaum noch ernstlich erschüttern, nichtsdestotrotz packt mich darob heute noch das Grausen, wie lustig dürften dero Dinge dann erst in der guten, alten, romantischen Zeit gewesen sein! Was meinen Schiffer und Bestmann anging, so waren beide zweifellos tüchtige Vertreter ihres Berufs, auch wenn es, das unter Beweis zu stellen, während meiner kurzen Fahrzeit auf dem Kutter keine rechte Gelegenheit gab. Absolut sympathisch in ihrer Art waren sie mir jedoch beide nicht. Hannes Barghusen brauste leicht auf und ließ den Überdruck seiner cholerischen Natur, ob berechtigt oder unberechtigt, am nicht gerade superschlauen Leichtmatrosen in Form von Schlägen ab. Den vor ihm fliehenden jungen Mann versuchte er zum anderen mehrmals in meiner Gegenwart in den Achtersten zu treten. Ich erinnere mich dieses Schauspiels so gut, weil es ein neckisches Bild war, wenn die weit ausgeschwungene Stiefelspitze des Käptens ihr enteilendes ersehntes Ziel um just eine Nuance verfehlte. Otto S., der Bestmann war zwar nicht schlagwillig, als Ausgleich dafür aber ein ewiger Nörgler. Er hatte seinerzeit mal ein eigenes Fahrzeug besessen und dieses glücklos geführt. Nun war er der Kompagnon des wilden Hannes, mit dessen Beschlüssen er wahrscheinlich nicht immer konform ging. Beide hatten ansonsten gute Familienbande, beider erwachsene Söhne - wie konnte es laut Finkenwerder-Tradition anders sein - waren auch Fahrensleute. Aber sei dem, wie ihm wolle, zusammenfassend aus allen vorausgegangenen Schilderungen möchte ich feststellen, dass mir die reine Seefahrt und das handwerkliche seemannschaftliche Tun dabei, wie Konservierungsarbeiten am Schiff, Spleißen und Netzeknüpfen („Knütten“) gut gefiel und Freude machte, aber die mir zugedachten Hauptaufgaben an Bord, das Fischeholen und Kochen, entsprachen nicht meinen Erwartungen. Ich möchte heute annehmen, dass ich mich bei einem längeren Verbleib auf HP 49 wohl auch zu einem leidlich guten Fischermann und Koch gemausert haben würde. Damals ließen die tagsüber stündlich getätigten, nachts alle zwei Stunden erfolgenden Fischhols neben dem gleichzeitigen Braten und Brutzeln am Herd am Tage und dem ewig notwendigen Lenzen (Auspumpen des in den hölzernen Schiffskörper eingedrungenen Seewassers) per Kräfte zehrender Handarbeit an Ziehpumpen in mir „den Kaffee hochkommen“. Das alles geschah auf einem auch bei leichtem Seegang schon recht artig oder unartig herumdümpelnden „Untersatz“, so seetüchtig an sich dieser auch gewesen sein mag, bzw. die FAREWELL es war. Als hölzernes Schiff, so schlecht sonst auch bei ihm alles Drum und Dran gewesen sein mag, hat mir dennoch dieser mein braver Erstling HF 49 viel mitgegeben, eben weil er aus gutem Holz gezimmert und also einziger Vertreter dieser Art in meiner späteren Schiffssammlung blieb. Abgesehen davon, dass man auf einem kleinen Wasserfahrzeug der See und ihrer Salzluft darüber greifbar nah ist, spürt man bei einem hölzernen Schiffsrumpf förmlich das Atmen des Meeres durch die Planken hindurch. Bei Stille oder Seegang ächzen nicht nur Masten, Segel und Tauwerk, es hat vielmehr jeder Spant und sein Außenbordbelag darüber eine Sprache, die ihnen das Wasser ringsum aufzwingen will, wenn sich das attackierte Holz wiederum elastisch dem Angriff des Meeres zu erwehren bemüht. Wer einmal

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