Frequenzwechsel. Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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Frequenzwechsel - Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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das auch irgendwie, ich zum Teil unter Schmerzen und nach vielen vorausgegangenen Einzelproben, wenn ich rollenmäßig laut Buchtext ein junges, zartes weibliches Wesen auf der Bühne anbeten oder in die Arme schließen sollte. Vermutlich ging es meiner an sich reizenden Partnerin ähnlich wie mir - heute wahrscheinlich eine unvorstellbare Tatsache. An derartigen „Unterlassungssünden“ in der Jugendzeit trägt man im Nachhinein noch schwer, zumal man sich ja für eine kurze Zeit zumindest in die scheue Partnerin regelrecht verliebt hatte. So ist es, die Zeiten haben sich geändert und wir uns mit ihnen! Leider führte mein Engagiertsein für „Preußens Gloria“ meine derzeitigen schulischen Leistungen nicht gerade zu Höhepunkten. Nach erreichter Prima-Reife bzw. etwa gut zweijähriger Teilnahme bei den ehrenwerten Ammonitern kündigte ich auf Drängen meines Vaters und meines damals amtierenden Klassenlehrers meinen Dienst bei Herrn Ammon auf, um mich hinfort einzig und allein der wissenschaftlichen Arbeit zu befleißigen. Das Verlassen des Preußen-Bundes - Höhepunkt ein Deutscher Tag mit General a. D. Ludendorff als Gast und wir beiden Brüder ihm als Fahnenjunker bei seiner Ansprache Auge in Auge gegenüberstehend - war, so seltsam es dem Leser dieser Zeilen nach den vorangegangenen Lobeshymnen auch klingen mag, dennoch für mich kein großes Opfer. Irgendwie hatte ich im Laufe der Zeit in diesem „Mitdabeisein“ ein Haar in der Suppe gefunden, was wahrscheinlich zum Teil meiner kritischer gewordenen Beurteilung über Wert oder Unwert der Weimarer Republik anzulasten gewesen sein mag. Des Reiches Selbstbehauptung war gegen vielen äußeren und inneren Widerstand gestärkt worden, es gab zwar noch immer einen hohen Prozentsatz an Arbeitslosen, aber Handel und Wirtschaft hatten sich nach Schaffung der Rentenmark 1923 entscheidend belebt, und das Misstrauen und die Reserviertheit des ehemals feindlichen Auslandes gegen die deutsche Republik wurden durch die Unterzeichnung etlicher internationaler Vertragswerke seitens des Kriegsverlierers – Dawes-Plan 1924, Locarno-Pakt 1925 - erträglich abgebaut. Männer wie Schacht (Zentrum) und Stresemann (Volkspartei) waren irgendwie herausragende Köpfe im wirtschaftlichen und außenpolitischen Geschehen, zu denen sich 1925 nach Präsident Eberts (SPD) Tod der greise, von der Mehrheit der Deutschen hoch verehrte ehemalige Generalfeldmarschall von Hindenburg (Deutschnational) als demokratisch gewähltes neues Staatsoberhaupt - wenn auch nur als Repräsentativfigur - gesellte. Es war für den deutschen Durchschnittsbürger der ungeliebten deutschen Republik jedenfalls erstaunlich, dass sein Vaterland jetzt auch von Männern der politischen Mitte und Rechten an hervorragender Stelle vertreten wurde. Die Ereignisse bei Niederschlagung des Hitlerputsches 1923 in München unter Einsatz von Reichswehr-Truppenteilen hatten zum anderen gezeigt, dass diese Reichswehr trotz aller guten Kontakte zu den patriotischen Verbänden durchaus kein Einsatzfaktor für eine etwaige Umgestaltung der bestehenden politischen Machtverhältnisse war, dass ganz besonders das aktive Offizierkorps von Rang und Adel vielmehr getreu seinem Fahneneid auf Seiten der Republik stand. Recht eigentlich, konnte daher eine Republik mit solchen sie bejahenden Männern gar nicht so unbrauchbar sein. Die neue Erkenntnis war frappierend für mich bzw. ließ mich nachdenken, wie illusionär und imaginär patriotische Lippenbekenntnisse sein können oder sind, dass man das Gute im Neuen zumindest anerkennen sollte, im übrigen Begriffe von Kameradschaft und Kameraderie zweierlei Dinge sind. Mit stiller Ablehnung hatte ich zum andern die sich in den so genannten vaterländischen Verbanden immer weiter ausbreitende Brutalisierung und Radikalisierung der Jungmannen beobachten können (z. B. Todschlag eines jungen Juden nach einem Kneipenwortwechsel durch einen meiner Preußenbund-Kameraden). Waren wir zu Beginn meiner Preußenzeit ein halb-soldatisch gedrilltes Häuflein mit konservativ-nationalen Idealen, über das selbst Seine abgedankte kaiserliche Majestät bei einem Aufzug gelächelt hätte, so waren wir mit der Zeit zu rauen Männern mit sehr zweifelhafter Tugend und Moral und ziemlich verschwommenen politischen Gedanken zusätzlich geworden. Das alles passte mir nicht in mein Konzept, in meine freiwillige Bereitschaft zur Mitarbeit in Sachen Patriotismus. Dass diese geschilderte Entwicklung der Anfang des nun auch auf Ostpreußen übergreifenden Hitlerismus war, wusste damals noch niemand. Herr Ammon, der Häuptling, mag an seinen Ammonitern wohl auch keine reine Freude mehr gehabt haben. Er verließ Tilsit kurz nach meinem Austritt aus seinem Bund und ging zum Studium nach Königsberg / Preußen.

      Mein Engagiertsein bei den Ammonitern war natürlich auch meinen Lehrern nicht unbekannt geblieben, teils à cto reger Öffentlichkeitsarbeit, teils schulischen Leistungenachlasses wegen. Wie es nun einmal so ist, ich hatte Freunde und Feinde unter ihnen, entweder gemäß ihrer eigenen politischen Einstellung oder weil diesem oder jenem dieses oder jenes an mir nicht passte. Aus dem seinerzeit bescheidenen, schwächlichen Knaben mit kontinuierlichem Fleiß war inzwischen ein etwas eigenständiger, nicht mehr so biegsamer, ansonsten über die Bleichsüchtigkeit junger Jahre gut hinweggekommener junger Mann geworden. So hoffnungsvoll wie früher war dieser Jüngling nicht mehr zu beurteilen. Die Meinung meiner Pauker der Unterprima über mich in Noten: P. bemüht sich nach Kräften, seine Leistung in den germanistischen Fächern: gut, sonst mehr oder weniger: zufrieden stellende Mitarbeit und Güte und - nun kommt der Clou - Religion und Singen sehr gut. Nun, das gute Singen hatte ich ja bei den Jungsoldaten Ammons gelernt, etwa laut Kommando: Gleichschritt, Marsch, Gesang! Die abseitige Religion mit guter Benotung bedeutete möglicherweise im übertragenen Sinn so etwas wie große Bußbereitschaft oder Kompromissneigung meinerseits der Schule gegenüber, „tut Buße, denn das Abi ist nah“! Es war ganz sicher der richtige Entschluss, dem Marschieren zu entsagen und meine lieben Lehrer von meinem guten Wollen und etwaigen Können zu überzeugen. Meine lieben Lehrer, in Häkchen gesetzt, sind zweifellos hinsichtlich etlicher Vertreter ein Kapitel für sich, und ich erspare mir detaillierte Beschreibungen. Sie waren bestimmt in ihren Fächern Qualitätsware, aber als Produkt Mensch war dieser und jener in Schüleraugen sowohl als auch leibhaftig, also in Beurteilung und kompetenter Betrachtung, ein skurriler Typ. Solcher wollte er bei Antritt seines hohen Amtes bestimmt nicht werden, aber er oder sie wurden es trotzdem ihrer Eingleisigkeit und ihres Bierernstes wegen, sie waren es vielleicht auch nur im Laufe von Jahren schwierigen Umgangs mit Lernenden, nicht immer einfach zu bändigenden Jünglingen geworden, und die mit dem höchsten Berufsethos waren oft die seltsamsten Vertreter ihres Faches. Lehrer hatten zu meiner Zeit im Übrigen weitaus mehr Machtbefugnisse und Souveränität als heute, sie waren indirekt fast Richtern vergleichbar bzw. Herren über Sein oder Nichtsein ihrer Schüler. Sie wachten nicht nur in der Schule über ihr „Lehrgut“, sie waren gegebenenfalls auch außerhalb des „Intelligenzpalastes“ gegenwärtig, ein Polizist war im Vergleich mit ihnen trotz Ehrfurcht gebietender Insignien von Uniform und Tschako ein kümmerliches Element der Ordnung. Ein Wehe, Wehe über dich, wenn dich einer der seltsamen Vertreter deiner Schulgemeinde auf der Straße mit brennender Zigarette antraf oder in einer Gaststätte ohne begleitenden Erziehungsberechtigten stellte. Eine morgige längere Standpauke mit anschließender strenger Verwarnung war dir dann gewiss. Lachen im Unterricht war eine halbe Todsünde, es sei denn, du lachtest pflichtgemäß zu einer kümmerlichen, pointenlosen, in jedem Schuljahr jeder neuen Schülergeneration vorgetragenen Schnurre des betreffenden Lehrers. In den von einer zur anderen Klasse weitergegebenen Lehrbüchern waren mitunter derartige Jovialisierungsversuche eines gewissen Paukers mit - dick unterstrichen - „an dieser Stelle Witz“ vermerkt. Dass wir dann kaum über den angekündigten Witz als vielmehr über dessen promptes Eintreffen lachten, war ein Ei. Jünglingen von 17 Lenzen und mehr kam bei solcher Bevormundung auch damals schon der Kaffee hoch. Zum Glück waren nicht alle Pauker gleichen Formats, manche sahen eben auch alles und hatten nichts gesehen, und sie waren ganz gewiss beliebter, als die korrekten Pedanten. Mein Unterprima-Jahr war übrigens insofern abweichend von der bisherigen Schulnorm, als wir Schüler uns je nach Neigung einen Bildungszug unter vier angebotenen aussuchen konnten. Ich wählte den germanistischen Zweig mit besonderer Betonung der Fächer Latein, Deutsch und Geschichte. Englisch lief als zweite Fremdsprache nebenher, mein wenig geliebtes Französisch fiel fort. Natürlich war Mathematik für ein Realgymnasium in allen vier Zweigzügen eine selbstverständliche Beigabe mit unterschiedlichen Akzenten in den einzelnen Wahlgängen. Leider lief diese Einrichtung als Versuch nur ein Jahr, auch in der Weimarer Republik war man wie heute auch sehr experimentierfreudig. Jährlich mehrtägige weite Schulreisen außer einem eintägigen großen Schulausflug mit allen Klassen gab es damals noch nicht, es sei denn, dass ein wanderfreudiger Klassenlehrer der Oberstufe in den Ferien mit etlichen seiner Schüler auf freiwilliger Basis und zu Lasten jedes Teilnehmers eine größere Reise arrangierte. Eine ausgedehnte Ferien-Fahrt in den Thüringer Wald und mehrtägige Wandertouren durch alle

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