Frequenzwechsel. Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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Frequenzwechsel - Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

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Hochs und Tiefs. Den Verlauf dieser Kurve bedingen, vom unerforschlich Schicksalhaften abgesehen, hauptsächlich Mentalität, Naturell und Neigungen des Einzelwesens. Diese drei jedem Menschen anhaftenden Eigentümlichkeiten oder Gaben nutzt oder pflegt der einzelne mehr oder weniger in seinem Sinne und in bestmöglicher Anpassung an die Realitäten seiner Zeit. Die Summe alles Schaffens, Strebens und gegebenenfalls auch Versagens wird ihn bei der Beurteilung seines Lebenspfades an dessen Ausgang das Fazit ziehen lassen können, erfüllt oder unerfüllt gelebt zu haben oder, bildlich laut meinem Vergleich, in irgendwie wunschgemäßer Wellenbewegung geschwungen zu haben. Insofern bin ich selber meinem Schicksal dankbar, dass es mir zumindest ein Arbeitsleben in einem Wirkungskreis bescherte, in dem ich á conto Neigung und Veranlagung kontinuierlich hineinwachsen und mit ihm allmählich regelrecht verwachsen konnte. Meine langjährige Arbeitsfirma war damit ihrer soliden, steten Existenz ein guter und zuverlässiger Wegbegleiter, sie hielt mir die Treue, wie ich es ihr gegenüber tat. Die „Firma“ wurde während bestimmt sehr unruhiger und wechselvoller Zeitläufe gewissermaßen mein ganzes Leben und darüber hinaus auch ein Garant für den Erhalt meiner Familie, von den persönlich ideell empfundenen Werten meines beruflichen Schaffens einmal ganz abgesehen. Viel herzlicher Dank meinerseits gilt daher der Bugsier-, Reederei-, Bergungs-Aktiengesellschaft Hamburg, die mir über 40 Jahre hinweg ein gerechter, verständnisvoller und darob hochgeschätzter Arbeitspartner gewesen ist.

      Herkunft, Kindheit, Jugend – 1006 - 1926

       Kindheit im Kaiserreich

      Wie auch immer die Konstellation der Gestirne ausgesehen haben mag, sie muss, hätte man sich die Mühe einer Nachprüfung seinerzeit oder späterhin gemacht, für den Neubürger des damals kaiserlichen Deutschlands am 29. November anno 1906 jedenfalls nicht ungünstig gewesen sein. An besagtem Tage wurde ich um 4:15 Uhr laut entsprechenden amtlichen Dokuments als zweiter Sohn des damaligen Oberpostassistenten Heinrich Patschke und seiner Ehefrau Elisabeth in Tilsit / Ostpreußen geboren und mit den Zunamen Hans, Paul, Theodor aktenkundig gemacht.

      Da die Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges zumindest für die deutschen Mittelstandsbürger eine irgendwie — jedenfalls äußerlich betrachtet - geruhsame und glückliche war, zum anderen der genannte Neubürger als Kleinkind und Kind kaum an und von den Weltgeschehnissen und jeweiligen Zeittendenzen interessiert oder beeindruckt sein konnte, verliefen seine ersten Lebensjahre ohne nennenswerte markante Erinnerungen, außer seinem noch unbewussten Fühlen, in stets liebevoller elterlicher Obhut zu sein. Natürlich steht einem heute rückblickend noch manches Bild oder Ereignis vor Augen, manche Kleinigkeit sogar so klar, als hätte sie sich erst kürzlich zugetragen‚ wenn dabei die Dimensionen Alter, Raum und Zeit außer Betracht bleiben. Ich denke da z.B. an die Weihnachtsbescherungen in den frühen Kinderjahren, meine Aufregung vor dem Gedichtaufsagen, dass der Opa mütterlicherseits — Großvater wohnte bei den Eltern — meines Bruders und meine Erwartungen vor dem Eintritt ins Festzimmer, unser beider Erregung durch Erzählen von kleinen Geschichten zu mildern versuchte, wie feierlich mich die Weihnachtsmelodien der Töne pustenden Stadtkapelle berührten. Diese Stadtmusikanten, von uns Kindern „Posauniers“ benannt, bliesen als emsige Musikamateure sicher mehr laut als schön, aber ihr Durchzug durch etliche Straßen der Stadt unter Abspielen von Weihnachtsklängen gehörte für uns eben zum Heiligabend, etwa, wie die Butter aufs Brot. Unerklärlich ist es mir heute, weshalb mich in früher Jugendzeit das Tuten dieser „musici“ mehr beeindrucken konnte, als im Gegensatz dazu die flotten und zweifellos gekonnt gespielten Märsche unserer zwei Tilsiter Militärkapellen, wenn letztere die von Felddienstübungen heimkehrenden Soldaten vom Stadtrand zu den Kasernen mit melodisch vernehmlichem Tschinderassa-Bum reinholten. Wahrscheinlich störte mich damals das Zackige der Uniformierten. Schließlich aber - Ostpreußen war ja eine Soldaten-Provinz - fand auch alles Soldatische, das speziell zu des Kaisers Geburtstag am 27. Januar jedes Jahres seinen besonderen Niederschlag auf Tilsits Bürger hinterließ, bei ihrer Teilnahme am Militär-Feldgottesdienst und dem daran anschließenden irgendwie farbenträchtigen Schauspiel vom Paradeaufmarsch der Tilsiter Garnisonstruppen (1. Dragoner-, 41. Infanterie-Regiment), meinen uneingeschränkten Beifall. In lebhafter Erinnerung sind mir außerdem aus jener Zeit drei in zweijährigem Abstand gemachte Sommerfrische-Reisen der Familie an die Ostsee, zweimal nach Neukuhren / Samlandküste, einmal - kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs - nach Försterei bei Memel. War ich als dreijähriger Bub‘ beim Seebad an sich und angesichts der uferlosen Weite des Meeres vor mir noch ein ängstlich schreiender, wasserscheuer Bursche, so scheint die riesige Wasserfläche zumindest vom ersten Anblick an auf mich bewusst oder unbewusst überaus beeindruckend gewirkt zu haben. Diese kindliche Faszination hat sich dann wohl allmählich in stille Zuneigung und schließlich Liebe zur mysteriösen Salzflut verwandelt und ist später in den Wunsch zu einem Leben auf See gemündet. Zweifellos haben zur Verwirklichung dieses Wunsches auch eine Masse anderer Faktoren beigetragen, beispielsweise gute See-Literatur und schulisch gewecktes Interesse für Entdeckungs- und Forschungsreisen auf unserem Erdball und alle Erkenntnisse der Geographie schlechthin.

      Und dazu kam noch die Memel, dieses Prunkstück Tilsits und aller Tilsiter, und sie war natürlich auch mein Fluss. Er gab mir vielleicht die stärksten Impulse, mich schon als kleiner Mann nach Überwindung aller Wasserscheu eingehend mit dem Wasser als solchem, als interessantestem Spielrequisit an seinen Ufern anfänglich zu beschäftigen, nur wenig später dann, dazu recht rasch, ein guter Schwimmer zu werden. Die Memel, in ihrem Oberlauf der russisch-litauische Njemen, war im Übrigen in meinen Augen etwas, was man lieben und unter diesen und jenen Umständen hassen konnte, besser gesagt, dem man mit stiller Ehrfurcht begegnen musste. Lieben konnte man diesen Strom, weil er dem Beschauer mit seinem auf respektabler Breite majestätisch-ruhigen Dahinfließen zwischen Stadt und Wiesenlandschaft hüben und drüben einen — auch für einen Fremden - prächtigen Anblick bot, besonders nachhaltig, wenn Sonnenstrahlen das Flusswasser gleißen und glitzern ließen. Schier fürchten konnte man diese Memel zum anderen, wenn sie im Winter und Vorfrühling imposante und schier unerschöpfliche Eismassen mit bizarren Schollengebirgen an ihren Rändern mit sich führte und ihr Hochwasser, aus dem fernen russischen Hinterland anlaufend, flache Wiesenniederungen auf dem rechten nördlichen Flussufer kilometerweit überflutete. Nur die wenigen hoch angelegten Chausseen und verstreut auf Wurten erbaute Gehöfte und Häuser überragten dann die in einen See verwandelte, der Stadt Tilsit gegenüberliegende Landschaft. Im Sommer waren Ausflugsfahrten auf kleinen Schaufelrad-Passagierdampfern besonders nach den stromauf auf hügligen Ufern gelegenen Lokalitäten für uns Kinder begehrte sonntägliche Anlaufziele. Wir schätzten sie mehr als etwaige Sonntagstouren “per pedes“ in die stadtnahen Waldgebiete, wo Pilze und Beeren zum nachträglich billigen Verzehr zwar in rauen Mengen wuchsen, zuvor jedoch eben mühsam gesucht werden mussten, was Kindern bekanntlich den Spaß an der Freude zu verderben pflegt. Was besagte Memel für das Werden und Wachsen von Stadt und Region Tilsit beinhaltete, wurde mir natürlich erst in reiferem Alter bewusst, als ich mir über Art und Nutzen des Zusammenwirkens von Industrie und Fluss-Schifffahrt Gedanken zu machen begann, zumal via Memel auch eine direkte Wasserverbindung zu den Seehäfen Königsberg und Stadt Memel bestand. Dem Umfang der in Tilsit angesiedelten Industrien und Versorgungsbetriebe entsprechend war der rege Schiffsverkehr von und nach meiner Geburtsstadt. Dessen Beobachtung bei An- und Abfahrt und Ladungsumschlag faszinierte mich schon irgendwie als Knaben und nährte in Verbindung mit meiner Person mancherlei abenteuerliche Träume. Die an sich wegen des meist niedrigen Wasserstandes der Memel nur kleinen Flussfahrzeuge - Schlepper und Lastkähne mit Besegelung und teilweise Motoren in ihrem Inneren, letztere dortzuland „Boydacks“ genannt - und die mehr oder weniger dürftigen Hafenbecken und Umschlagsanlagen Tilsits wuchsen dann in meiner Vorstellung zu Erscheinungsformen von beachtlicher Größe und Bedeutung. Kurzum, die Memel mit allem Drin, Dran und Drauf war schon eine tolle Sache! Auch hinsichtlich der Holzdriften auf ihrem breiten Rücken. Im Sommer und Herbst trieben in schier ununterbrochener Folge unterschiedlich lange Holzflöße

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