Wo ist denn eigentlich dieses Glück?. Katja Pelzer

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Wo ist denn eigentlich dieses Glück? - Katja Pelzer

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Mensch. Mit lustigen Freunden und ganz viel Glück Aber es ist gar nicht so einfach ein guter Mensch zu sein, und gleichzeitig glücklich.

      Den frühen Tod meiner Eltern konnte ich jedenfalls weder verhindern noch verwinden. Sie sind bei einem Busunglück ums Leben gekommen, als sie sich einmal alleine eine Reise gönnten. Da war ich gerade mit der Schule fertig und achtzehn Jahre alt. Lange hatten sich meine Eltern auf diese Fahrt nach Slowenien gefreut. Sie hatten schon so viel über die unberührte Natur dort gehört und mein Vater war ein leidenschaftlicher Fliegenfischer. Er stand dann in Slowenien mit seinen wasserdichten Hosen und hohen Gummistiefeln in den wilden Flüssen. Die meisten Fische, die er fing, ließ er wieder frei. Nur zwei Regenbogenforellen ließen er und meine Mutter sich in ihrem Hotel zubereiten. Sie hatten eine wunderbare Zeit. Das erzählten sie mir am Telefon.

      Ich habe sie nie wiedergesehen.

      Der Bus war an der Steilküste in einer Kurve mit einem Lkw kollidiert, der viel zu schnell unterwegs gewesen war. Der Bus war in Flammen aufgegangen und meine Eltern hatten sich nicht mehr rechtzeitig aus dem brennenden Bus retten können.

      Das ist schon eine ganze Weile her.

      Aber so kommt es, dass ich noch immer dort lebe, wo ich aufgewachsen bin. In der Wohnung meiner Eltern. So kann ich ihnen auch weiterhin nah sein und mich auf eine Art sicher fühlen, wie ich es nicht tue, wenn ich mich außerhalb meiner Komfortzone bewege.

      Ich habe dann doch nicht Literatur und Sprachen studiert, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte.

      Das ging nicht. Mir fehlte einfach das Geld. Eine Ausbildung schien mir vernünftiger. Krankenschwestern wurden immer gebraucht. Und nach dem Tod meiner Eltern, hatte ich das Bedürfnis zu helfen. Das war beinahe organisch. Eines hat sich aus dem anderen ergeben. Ich habe diese Entscheidung später nie hinterfragt. Wahrscheinlich habe ich irgendwann auch keine andere Wahl mehr gehabt. Also bin ich jetzt Schwester und Kümmerin Alice.

      Kapitel Vier

      Als ich nach der Arbeit nach Hause komme, steht Iris im Hinterhof vor ihrer Wohnung und raucht eine ihrer langen eleganten Zigaretten.

      Iris ist groß und schlank und hat fast schwarze Haare, die sie in einem sehr akkuraten Pagenschnitt trägt. Ihr Pony endet mitten auf der Stirn. Dort bleibt er seit Jahren. Weil sie ihn konsequent einmal in der Woche Millimeter genau selbst nachschneidet.

      Noch bevor ich bei Iris ankomme, schießt ihre Zwergschnauzer-Hündin Nelly auf mich zu, schwänzelt um mich herum und springt an mir hoch. Sie stellt ihre flauschigen Pfoten auf meine Knie, schaut mich aus langbewimperten braunen Augen steinerweichend an und lässt sich ausgiebig von mir begrüßen. Dankbar streichele ich ihr weiches schwarz-silbernes Fell. Das ist nach so einem Arbeitstag die beste Therapie.

      Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich liebe meine Arbeit. Aber natürlich ist sie auch anstrengend. Da ist es gut, dass das Nachhause-kommen, wie die Fahrt auf eine Insel oder in eine Oase ist. Still ist es hier. Ein großes Tor schottet uns abends von der Außenwelt ab.

      Unser Hinterhof besteht aus vielen kleinen Gärten. Die meisten Bewohner haben ein echtes Händchen für alles Blühende. Iris ist eine davon. Vor dem ebenerdigen Eingang zu ihrer Wohnung wächst eine Eiche. Drumherum hat sie Narzissen und Tulpen gepflanzt, aber auch Spätblühendes, damit hier das ganze Jahr über Blumen wachsen. Außerdem hat sie mehrere Salat- und Kräutersorten gesetzt.

      An den Wochenenden stellt sich Iris manchmal einen Stuhl nach draußen und liest im Schatten ihres Baumes die Zeitung oder ein Buch. Manchmal setze ich mich zu ihr und wir erzählen uns von unserer Woche, von den Menschen, die uns begegnet sind und überhaupt, was alles so passiert ist, in der Welt.

      Iris versorgt mich immer mit den neusten Liebesromanen aus dem Buchladen, in dem sie seit ihrer Jugend arbeitet. Sie ist etwas älter als ich. Ihr Sohn ist längst aus dem Haus und ihr Mann noch länger. Wenn sie heute Kontakt zu ihm hat, dann nur, um mit ihm über ihren Sohn zu sprechen oder um der alten Zeiten willen. Heute verbindet sie kaum noch etwas sonst mit ihm. Aber sie sind sich auch nicht mehr böse. Die Menschen, derentwegen sie auseinander gegangen sind, gehören ebenfalls längst ihrer Vergangenheit an.

      Zugegeben – es ist auch nicht immer nur still bei uns im Hof. Denn hinterm Haus verlaufen Bahngleise. Aber es ist ein relativ gleichmäßiges schnurrendes Geräusch, das die vorbeifahrenden Züge verursachen. Wenn auch Schlafen bei geöffnetem Fenster unmöglich ist.

      Aber Grün ist es bei uns. Der Bahndamm – wild bewachsen mit Brombeerbüschen, Kirschbäumen und Sommerflieder – ist das reinste Biotop. Hier brüten viele Vögel.

      „Hast du schon die Sache mit Piet gehört?“ fragt Iris mich.

      Ich schüttele den Kopf. Was er wohl jetzt wieder angestellt hat?

      Piet ist ein weiterer Nachbar und gleichzeitig der Vermieter und Verwalter des Gebäudes, in dem meine Eltern einst unsere Wohnung gekauft haben. Piet ist eigentlich gelernter Schreiner und hat seine Werkstatt ebenfalls in unserem Hinterhof. Er hat von seinen Eltern verschiedene Immobilien geerbt, die er verwaltet und von deren Mieteinnahmen er ganz gut leben kann.

      Piet ist aber auch Umweltaktivist. Er ist Mitglied bei sämtlichen Organisationen von Avaaz über change.org bis hin zu Sumofus. Und natürlich bei Greenpeace. Er unterschreibt jede Woche mindestens eine Petition. Für die Orang Utans in Borneo, die Elefanten in Afrika oder gegen den Plastikmüll. Häufig startet er auch eigene Aktionen. Dabei kommt er manchmal mit dem Gesetz in Konflikt.

      Iris versorgt ihn mit Büchern von Alain de Botton, Schätzing oder Precht. In meine Gedanken hinein erzählt sie mir von Piets neustem Projekt:

      „Er hat tonnenweise leere Pappbecher aus den Mülltonnen in der Innenstadt zusammengetragen und sie mit seinem Sprinter vors Rathaus gekippt. Dann hat er sich selbst als Riesenpappbecher verkleidet und mit ein paar Freunden und Plakaten gegen die Verschwendung und die Riesenmüllberge protestiert, die wir mit unserem wahnwitzigen Coffee-to-go verursachen. Das kam nicht so gut an. Dabei hat er ja Recht!“, erzählt Iris mir. „Er hat mir vorgerechnet, dass die leeren Becher nur eines Jahres, würde man sie übereinanderstapeln, bis zum Mond reichen würden.“

      „Das ist schon ein echter Wahnsinn“, sage ich und muss kurz an den schönen Bambusbecher mit den bunten Blumen und den schön hin geschnörkelten Worten All you need is love denken, den Piet mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut, obwohl ich eigentlich gar nicht der Coffee-to-go-Typ bin. Ich setze mich lieber hin, wenn ich einen Kaffee trinke. Aber mit meinem Bambusbecher gehe ich seitdem immer in die Kantine des Seniorenheims und lasse mir einen frischen Cappuccino hineinfüllen.

      „Und wie geht es dir und dem schönen Herrn Doktor?“, fragt jetzt Iris in meine Gedanken und stupst mir grinsend mit dem Ellbogen in die Seite.

      Ich habe ihr irgendwann mal von meiner Schwärmerei erzählt. Ja, peinlich, ich weiß. Heimlich verknallt zu sein ist ja das eine, darüber zu reden, ist einfach nur peinlich. Aber vor Iris ist mir tatsächlich gar nichts peinlich. Sie ist superpatent, aber auch ein wirklich mitfühlender Mensch. Und sie ist vermutlich der einzige Mensch auf der Welt, dem ich meine größten Geheimnisse anvertrauen kann. So auch das über Dr. Benno Franzen.

      „Hach ja“, sage ich und seufze. „Ich bin ja schon froh, dass er sich meinen Namen merken kann.“

      Wir lachen. Obwohl es ja eigentlich gar nicht lustig ist. Ich bin ja wirklich ziemlich verknallt in Dr. Benno Franzen.

      Iris

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