Wo ist denn eigentlich dieses Glück?. Katja Pelzer

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Wo ist denn eigentlich dieses Glück? - Katja Pelzer

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sind.

      Und ja, das liegt noch immer daran, dass ich am liebsten meinen Eltern diese Wertschätzung entgegenbringen möchte. Aber sie sind nun mal nicht mehr da.

      Eine Beziehung habe ich seit einiger Zeit auch nicht mehr gehabt. Und ich bin auch schon ein klitzekleines Bisschen über Vierzig, also genauer gesagt zweiundvierzig.

      Mir fehlen einfach die Zeit und die Gelegenheit für eine Beziehung und vielleicht fehlt auch noch irgendetwas anderes. Auf jeden Fall der Mut.

      Kapitel Sieben

      Die Tür zu Piets Werkstatt steht weit offen, als ich auf unseren Hinterhof trete. Ich husche hinein, um ihm einen schönen Abend zu wünschen.

      Er trägt seine übliche Kluft. Armeegrüne Hosen und ein dunkelblaues Hemd. Seine langen braunen Haare hat er in einen Dutt nach oben gedreht, genau wie ich, damit sie ihm bei der Arbeit nicht in die Augen fallen.

      Er ist über etwas gebeugt gewesen, als ich hereinkam, hat sich jetzt aber mir zugewendet.

      Ich schaue auf das Brett, das da vor ihm liegt und stelle fest, dass es ein Schild zu sein scheint, dass er mit Hilfe eines Pinsels mit roter Farbe beschriftet.

      Darauf steht: „Füttern Sie die Enten oder die Ratten?“

      Ich stutze. „Was machst du da?“, frage ich. Und versuche seine Botschaft zu verstehen.

      „Das will ich an den Teichen im Hofgarten aufstellen. Jeden Sommer kippt dort das Wasser um, weil die Leute immer noch die Enten mit Brot füttern und nicht kapieren, dass die Tiere gar kein Brot vertragen. Vielleicht kapieren sie es, wenn man ihnen sagt, dass die Ratten sich am meisten über das ganze Zeug freuen. Sie vermehren sich wie... wie die Karnickel.“ Er lacht über seine Formulierung.

      Ich staune immer wieder über Piets Energie. Er kann sich über alles aufregen, was nach Ungerechtigkeit oder Dummheit riecht. Allein mit dem Aufregen ist es aber nicht getan. Er begehrt auch auf. Wird aktiv.

      Piet schaut mich forschend an. „Ach Alici! Du bist so süß. Das ist Dir alles zu aufgeregt. Oder? Ich kenne niemanden, der so ein gutes Herz hat wie du.“

      Ich seufze, widerspreche aber nicht. Was soll ich darauf auch entgegnen. Ein bisschen Recht hat er ja. Ich muss nämlich jetzt gerade auch wieder an die rührenden Großeltern denken, die sich freuen, wenn ihre Enkelkinder sich darüber freuen, dass die Enten sich über das Brot freuen. Aber „Alici“ lasse ich mich nicht nennen. Ich habe mal Italienisch gelernt, als ich noch von Italien geträumt habe. Bevor meine Eltern gestorben sind, war das. Und ich weiß, dass Alicci – so spricht er es nämlich aus – Sardellen sind. Das habe ich Piet schon tausendmal gesagt. Aber es prallt an ihm ab.

      „Ich kann kein Italienisch, Alici“, sagt er dann nur und lacht. Ich mag ihn, auch wenn er mir manchmal zu viel ist.

      Kapitel Acht

      Manchmal wünschte ich, ich hätte drei Paar Hände. Am nächsten Tag beispielsweise. Ich habe Spätschicht und muss um 16 Uhr anfangen.

      Frau Engels hat ein Nagellackfläschchen in ihr Handwaschbecken fallen lassen, als sie sich mal schnell die Nägel lackieren wollte. Schnell geht in dem Alter eben kaum noch etwas. Ihre Hände zittern außerdem ziemlich, da ist das gar keine so einfache Angelegenheit, sich die Nägel zu lackieren und schon mal gar nicht schnell. Jetzt ist die weiße Beckenoberfläche jedenfalls über und über mit roten Flecken bespritzt, die ich kleinteilig mit Nagellackentferner herausreiben muss.

      Das tut Frau Engels furchtbar leid. Mir wiederum tut es furchtbar leid, ihr zerknirschtes Gesicht zu sehen. Und ich beruhige sie, dass es doch gar nicht so schlimm ist. Auch wenn es echt schwierig ist, das Zeug wegzukriegen. Aber es gibt ja wirklich Schlimmeres.

      Gleichzeitig erreicht mich der Notruf einer anderen Bewohnerin. Sie wollte Kaffee kochen, in ihrer Espressokanne. Und hat vergessen, Wasser hineinzufüllen. Der Geruch, der mir aus ihrem Appartement entgegenschlägt, ist eine Mischung aus verbranntem Gummi und reinstem Nikotin. Die zarte Dame ist ganz geknickt. Die Kanne war ein Geschenk ihrer Tochter zum Einzug.

      Als ich gerade den geschmolzenen Dichtungsring vom Gewinde gekratzt und die Kanne mühsam mit Akkopaz geschrubbt habe, piepst mich Christel vom Empfang an und bittet mich, nach Vorne zu kommen.

      Hier erfahre ich, dass Frau Meier auf der Polizeiwache sitzt. Sie ist verhaftet worden. Und ich soll hingehen, um sie auszulösen. Manchmal weiß ich gar nicht mehr, warum ich eigentlich Krankenschwester geworden bin. Mein Job ist längst „Mädchen für alles“. Kümmerin eben, Also, was hilft’s?

      Als ich die Wache betrete, sehe ich sie sofort. Frau Meier sitzt umringt von ihren drei Enkelkindern auf einem unbequemen Polizeibeamtenstuhl. Ihre Enkelsöhne sind fünf und sieben, ihre Enkeltochter neun Jahre alt, das hat Frau Meier mir kürzlich erzählt. Ich kenne die beiden Jungen und das Mädchen auch schon von Fotos und von Besuchen mit ihren Eltern.

      Sie und ihre Oma schauen mich jetzt erleichtert und erwartungsvoll an.

      „Schwester Alice, ich habe nichts Schlimmes getan, das können Sie mir glauben!“, sagt Frau Meier inbrünstig, bevor ich oder der Polizist, der ihr gegenüber hinter dem Schreibtisch sitzt, etwas sagen können.

      Der Polizist nimmt eine Pistole vom Schreibtisch, zielt auf mich und ich reiße reflexartig die Arme hoch.

      Der Beamte, der bestimmt zehn Jahre jünger ist als ich, verzieht keine Miene.

      „Was soll das? Was tun Sie da?“ frage ich. Meine Stimme klingt schrill und angespannt, aber das ist noch gar nichts gegen die Anspannung in meinem Innern. Gleichzeitig kann ich mir aber auch nicht wirklich vorstellen, dass der Typ abdrücken würde. Schließlich ist er ja naturgemäß auf meiner Seite und müsste schon ein Wolf im Schafspelz sein um mir etwas antun zu wollen.

      „Wie fühlt sich das an?“, fragt er jetzt und schaut mich dazu auch noch streng an.

       Wie unverschämt! Wie soll sich das schon anfühlen? Sehr, sehr ungut natürlich!

      Ich schaue ihm direkt in die Augen und versuche deren Ausdruck zu entschlüsseln.

      Der Polizist sieht eigentlich ganz sympathisch aus. Er hat freundliche, sehr blaue Augen und einen netten Mund, den er allerdings gerade nicht zum Lächeln benutzt.

      „Sie machen mir Angst“, sage ich wahrheitsgemäß. Und lasse trotzdem jetzt meine Arme sinken.

      „Sehen Sie“, sagt der Mann triumphierend zu Frau Meier, lässt die Waffe sinken und wendet sich mir zu.

      „Sie müssen nämlich wissen, dass diese nette Dame und die drei sympathischen Kinder die Waffe in der Straßenbahn mit sich geführt haben.“

      Entgeistert fällt mein Blick auf Frau Meier.

      Diese schüttelt entrüstet den Kopf. „Nun machen Sie aber mal halblang! Das ist doch bloß eine Spielzeug-Pistole! Außerdem habe ich damit auf niemanden gezielt. Ich habe sie nur für meine Enkelin Anni gehalten! Der gehört sie nämlich. Und Anni hier, möchte Polizistin werden.“

      „Das mag ja sein. Aber Sie haben eine komplette Straßenbahn damit in Angst und Schrecken versetzt“, kontert

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