Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Halbmondamulett. - Jens Petersen страница 22

Автор:
Серия:
Издательство:
Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

Скачать книгу

hohe Ansehen umkehrte, das hat mit den Ereignissen bei der Burg der Schande zu tun. Solltet es euch wirklich gelingen, bis dorthin zu kommen, so werdet ihr erkennen, welch ein besonderer Ort das ist. Ich kenne keinen anderen Ort, an dem etwas so wichtiges so deutlich zu erfahren ist, die Quelle aller Dinge, der Schoß der Fülle der Erscheinungen, der Schlüssel zum Verständnis. - Aber es wäre unmöglich, euch dieses hier und jetzt erklären zu wollen. Entweder ihr gelangt dorthin und macht diese Erfahrung, oder nicht. Genaugenommen begann alles mit jenen, von denen es hieß, sie seien aus dem Gluthauch der Wüste erschaffen.“

      Er sah unsere fragenden Gesichter und nickte:

      „Ich hatte mir gedacht, dass ich euch auch dieses erklären müsste. Seht ihr, das ist es, was diese Art von Geschichten so ausschweifig macht. Also, über jene Wesen wäre zu sagen...“

      Was darüber zu sagen wäre, und was weiter geschehen war, wir sollten es nicht erfahren, denn durch die offene Tür klang ungeduldiges Hupen. Hastiges Verabschieden, es widerstrebte uns sehr, aber offensichtlich waren wir noch nicht so weit, ein einmal gefasstes Programm kurzentschlossen fallen zu lassen. Mit ein wenig mehr Praxis, in "nicht das zu tun, was alle taten", hätten wir wahrscheinlich dem Busfahrer leichten Herzens zugewunken, er möge ohne uns weiterfahren. Später erfuhren wir noch so manches, was es uns umso mehr bedauern ließ, die Geschichte nicht zu Ende gehört zu haben. Die Silberschmiede winkten uns zum Ausgang nach mit eigenartigem Blick, so als müssten sie Nachsicht mit uns haben.

      Die Nachmittagssonne hatte sich schon merklich gesenkt und überflutete die Landschaft mit einem weichen, goldenen Licht, als wir in eine ausgedehnte Talmulde fuhren, fast schon eine Ebene. Die Vegetation nahm zu, und wie in einer großen Oase lag die Stadt Gondar.

      Obwohl verhältnismäßig groß, wirkte die Stadt ein wenig verträumt unter ihren vielen Bäumen. Das Zentrum war ein riesiger, verwilderter Park, eigentlich ein Wald mit den Lustschlössern der verschiedenen Kaiser. Welch ein Gegensatz nach stechender Hitze, Staub und Steinen waren laue Luft und von schattigem Grün gefiltertes Sonnenlicht. Tagelang streiften wir umher, kletterten über Baumwurzeln und umgefallene Mauern. Gerade das Halbzerfallene und überwucherte, die unretuschierten Spuren der Zeit machten diese Mischung aus Vegetation und Architektur so reizvoll. Stil und romantisches Flair erinnerten an mitteleuropäische Burgen, und doch war da eine wilde Fremdartigkeit. Exotische Bäume und gewaltige Luftwurzeln über den Mauern wechselten mit Lichtungen. Durch hohe Disteln und blühende Sträucher führten Zinnen gekrönte Bögen von Brücken zum nächsten Schloss. Alles war so belassen, wie es war, nichts geordnet oder geschönt, keine Hinweisschilder, keine Souvenirbuden, keine Straßen. Man ging auf natürlichen Wegen und Pfaden von einer Entdeckung zum nächsten Durchblick, den ein Bogen öffnete zu alleinstehenden Mauerteilen, die aus dem Gras oder zwischen blühenden Büschen herausragten, und endete manchmal abrupt vor einem Turm oder einem noch erhaltenen Stück Umfassungsmauer des weitläufigen Geländes. Treppen führten zu angebauten Terrassen, hinter die Zinnen von Dächern und Türmen oder endeten einfach zwischen den Wipfeln von Palmen und dem Laub mächtiger Bäume. Diese Tage in Gondar waren wohltuend und erholsam. Aber da war noch mehr. Wir erinnerten uns schon noch unseres zuvor so dringenden Zieles, das zu erreichen wir Risiken und Strapazen auf uns genommen hatten. Was hinderte uns jetzt eigentlich noch daran? Zwar erhielten wir wiederholt den wohlgemeinten Ratschlag Amhars, doch besser hier zu bleiben, untermauert mit dem Argument, im Jemen trieben ohnehin Dschinns und Dämonen ihr Unwesen. Der Versuch dieses als Gespinst zu entlarven, verursacht durch allerlei Gerüchte der Bürgerkriegswirren, scheiterte gründlich. Nein, das wären echte Dschinns und Dämonen, und die hätten es auf Menschen abgesehen, und überhaupt, alle sagen das. Diesem Argument war natürlich keine Vernunft gewachsen, zumal mir dabei wieder die Warnung des Mönches einfiel, vor den Gefahren in der "Stadt Sems". So fragte ich Amhar, ob irgendeine bestimmte Stadt in diesem Zusammenhang genannt würde. Nein, er wüsste nichts weiter, aber wir hätten besser die vier Magier danach fragen sollen, die hatten ja auch etwas von Geistern erwähnt. Die würden sicher mehr gewusst haben, und er hätte es gleich bedauert, dass wir solch eine günstige Gelegenheit, über dieses Thema Einzelheiten zu erfahren, verstreichen ließen.

      Was also hielt uns hier? War es der Müßiggang, der jede Weiterreise nur immer ungewisser und strapaziöser erscheinen ließ? Da war das Funkeln goldener Sonnenflecken auf dem Boden, der Zauber verlassener Schlösser, ausgemalter Kirchen, naheliegende Besuche zu den Inseln des Tanasees oder den Felsenkapellen Lalibelas. Die Stunden der Nachmittage schienen immer bleierner zu werden, die Tage immer schneller dahin zu schrumpfen und das Ziel sich täglich in weitere Ferne zu entziehen.Eines frühen Morgens fanden wir uns, selbst überrumpelt im Bus nach Asmara sitzend. Unterwegs in Axum mussten wir uns von Amhar trennen, der uns längst ein Freund geworden war.

      0-Chang, Bernd und Hermann fuhren gleich am folgenden Nachmittag nach Massawa weiter. Eine Schiffspassage für den Jemen zu finden, konnte noch eine Weile dauern. Im dringenden Fall wäre ich über das Hoteltelefon zu erreichen. Heimlich wünschte ich mir sogar, sie wären nicht so bald erfolgreich. Viel fehlte nicht und alle meine Pläne wären an diesem letzten Hindernis buchstäblich hängen geblieben. Ausgerechnet hier, der letzten Station vor dem Erreichen des Zieles, wo ich schon meinte alle Hindernisse längst hinter mir zuhaben. Nun, dieses war auch in keiner Weise zu vergleichen mit den bisherigen, selbst die Bezeichnung Hindernis war eigentlich recht unpassend. Ich hatte einen triftigen Grund, noch so lange wie möglich in Asmara bleiben zu wollen.

      Es war am Morgen nach unserer Ankunft, irgendetwas wollte ich besorgen. Allzu wichtig konnte es nicht gewesen sein, denn ich hatte später völlig vergessen, worum es sich handelte. Die Sonne stand noch niedrig und fiel schräg in die belebte Hauptstraße, so dass die langen Schatten der Königspalmen ihre Muster auf das Pflaster warfen. Kaum einer hatte es eilig, die meisten Menschen schlenderten durch die Reihen der ausgestellten Tische von Cafees und Restaurants, ließen gemächlich ihre Blicke über die dort Sitzenden promenieren, oder auf den Auslagen der Geschäfte und ambulanten Stände verweilen. Ich selbst ließ mich mittreiben und tat nicht anders. Jedenfalls solange, bis mein Blick auf der gegenüberliegenden Straßenseite hängen blieb. Er hakte so fest, dass auch der mähliche Fluss meines Schlenderschrittes mit einem Ruck zum Stillstand kam. Am Fahrbahnrand standen, scheinbar etwas unschlüssig, zwei Stewardessen der Ethiopian Airlines. Soweit ganz und gar kein ungewöhnlicher Anblick, wäre nicht die eine von derart ausgefallener Erscheinung, von jener Art wie man sie so selten zu Gesicht bekommt, dass man leicht der Annahme erliegt, solche Wesen wären höchstens Ausgeburten männlicher Phantasie. Mehr noch als das Spektakuläre ihrer wilden, exotischen Schönheit, war da eine Ausstrahlung, die sehr vergesslich machte. Nicht nur ihr Äußeres war eine Provokation der Sinne, alles an ihr wirkte sinnlich in einer selbstverständlichen, stolzen Natürlichkeit. Als mir bewusst wurde, mit der darauf folgenden peinlichen Betroffenheit, dass ich, alles um mich her vergessend, dieses Wesen anstarrte, da war es bereits zu spät. Obwohl mit ihrer Kollegin im Gespräch vertieft, musste sie den Blick gespürt haben. Sie hielt inne, musterte mich die Ewigkeit von zwei, drei Sekunden, um dann quer über die Straße auf mich zuzukommen. Sie war nicht verärgert, im Gegenteil, sie lächelte. Oder war das nur boshafte Vorfreude auf einen Schabernack, den sie mit mir treiben wollte? Nein, nichts dergleichen, kein Zweifel, Irrtum ausgeschlossen, sie machte mich richtig an, flirtete aufs Unverfrorenste. Emanzipiert und selbstbewußt waren uns die äthiopischen Frauen schon begegnet. Und was ihre sexuelle Freizügigkeit betraf, so erfuhren wir die schon gleich im ersten Ort hinter der Grenze. Dunkle Augenpaare, die uns völlig unbefangen buchstäblich von oben bis unten abtasteten. Ein ganz neues Gefühl, selber das Objekt unverholenen Interesses zu sein. Ziemlich bald verloren wir uns danach aus den Augen, und ein jeder versank in der lauen Wärme der Nacht. Kein Wunder, wenn der Aufenthalt in Tessinei etwas länger währte. Nur gemessen an dem, was hier auf mich zukam, waren das Sandkastenspiele. Der Puls hämmerte mir bis in die Ohren. Ich wusste nicht mehr, was ich sagte, befand mich im dicksten Nebel auf fremden Gewässern. Mein verlegenes Gerede des ersten Augenblicks schien wenig bemerkt zu sein. Wie sich bald herausstellte, verdankte ich es einzig dem Umstand, dass sie nur sehr wenig Englisch verstand, und auch das waren mehr berufsspezifische Phrasen. Und wie man die Notausgänge öffnet oder die unter dem Sitz befindlichen Schwimmwesten

Скачать книгу