Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

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Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

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noch für unreal hielt oder nicht. Auch sie war dabei, sich mehr und mehr zu verdichten.

      Das reine Licht der Höhe

      Stockfinster war es, so schwarz wie eine Nacht nur sein konnte, eine Stunde zu der noch kein Hahn auch nur ans Krähen dachte. Hin und wieder war man nahe daran gegen eine Mauer zu rennen, was daran erinnerte, sich mitten in einem Ort zu befinden. Wenigstens hatten wir einen guten Grund, zu so früher Zeit in der Dunkelheit herumzutappen. Auf dem Platz von Axum endlich waren einige Gestalten auszumachen, Wartende mit Paketen und Bündeln, und das auch nur, weil aus dem Inneren eines der Busse ein wenig trübes Licht drang.

      Wir waren noch nicht allzu lange gefahren, als es begann zu dämmern. Das aufkommende Licht zeigte, wie nicht anders erwartet, eine staubige, ungepflasterte Strasse inmitten wilder Berglandschaft. Immer grandioser wurde diese mit skurrilen Spitzen und Tafelbergen. Neben einer Bergwand zwischen zwei Kurven, weit abseits von auch nur den bescheidensten Anzeichen menschlicher Existenz, hielt der Bus. Der Fahrer drehte sich um, um uns einen zweifelnden Blick zuzusenden. Wir gaben den Blick an Amhar weiter. Ja, das sei der nächstgelegene Punkt. Nun gut, er hatte in der kurzen Zeit schon mehrfach bewiesen, dass wir ihm vertrauen konnten. Also schulterten wir unser ausgesucht kleines Gepäck und stiegen die Böschung hinunter. Der Bus, samt Fahrer und Insassen, die das alles von nun an nichts mehr anging, entschwand unterdessen hinter der nächsten Biegung.

      Alleingelassen in einer weiträumigen, leeren Landschaft schlug die Stille über unseren Köpfen zusammen. Aktivität lenkt ab, schafft Selbstvertrauen, und so marschierten wir einfach drauflos in die angegebene Richtung, hinein in die Landschaft, ohne Weg, ohne erkennbares Ziel. Außer einigen Vögeln war kein Lebewesen auszumachen. Hin und wieder standen einzelne Bäume herum, sonst gab es nur nackte Erde mit etwas Geröll. Später entdeckten wir darin Spuren einer früheren, womöglich auch sporadischen Bebauung. In der angenehmen Morgenluft ließ es sich wenigstens frisch ausschreiten. Aber die Sonne erhob sich mehr und mehr über dem Horizont. Wir wollten unser Ziel erreichen ohne allzu lange der Hitze ausgesetzt zu sein. Weite Äcker erschienen jetzt, darin Männer, die noch mit alten Holzpflügen und vorgespannten Ochsen sich abmühten. In vorsichtigem Abstand hinter ihnen staksten große Vögel, aufmerksam die frischen Furchen inspizierend. Immer noch der gleichen Richtung folgend, von einem Weg konnte nach wie vor nicht die Rede sein, ging es abwärts in ein Tal mit Terrassen und einigen kleinen Gruppen von Tukuls, in deren Nähe auch Ziegen, Schafe, Rinder, Frauen und Kinder zu erkennen waren. Gegenüber, in einigen Kilometern Entfernung wurde die andere Talwand weit überragt von einem imposanten Berg, den die waagerechte Linie einer Tafel abschloss. Dieses Plateau fiel rundherum über eine beachtliche Höhe senkrecht herab, bevor mit einem Knick die normale Schrägung des Berges ansetzte. Dort oben läge Debre Damo, sagte Amhar.

      Was ist Debre Damo? Noch vor drei Tagen wussten wir das selber nicht, hatten noch nicht einmal diesen Namen gehört und es erübrigt sich zu erwähnen, dass unsere ursprüngliche Reiseplanung ganz anderes vorsah. Zufällig hatten wir dann von Debre Damo gehört. Und ebenfalls für Zufall hielten wir den auf einmal gänzlich unverzichtbaren Wunsch, ihm einen Besuch abzustatten, obwohl uns zu diesem Zeitpunkt schon klar war, dass solch ein Ausflug ganz erhebliche Anstrengungen beinhaltete.

      Doch jetzt vor dessen Anblick schauderte mir bei dem Gedanken, wie dieser überall mit so viel scheuer Ehrfurcht genannte Ort räumlicher und geistiger Entrückung zu erreichen wäre.

      Von den bebauten Terrassen ging es noch tiefer auf den Boden des Tals hinab. Dichte Vegetation unverfälschter Natur umfing uns. Ganz unten war ein Wildbach zu durchqueren, bevor es wieder hinauf ging durch Gestrüpp und über Felsbrocken. Der Schatten im Laub dieses feuchten Einschnittes war nur von kurzer Dauer. Die Sonne brannte jetzt schon heiß. Hinzu kam, dass es von nun an überwiegend bergauf gehen würde. Auch ohnedem fing zu diesem Zeitpunkt der Schweiß an, uns den Körper hinabzurennen. Endlich hatte wenigstens das mühsame querfeldein Marschieren ein Ende. Kurz vor dem Steilhang erreichten wir einen ausgetretenen Pfad. In weitem Bogen führte er um den Berg herum und in dessen Schattenseite. Ein seltsam verschwiegenes Reich von saftgrünem Kakteen- und Euphorbienwald umgab uns dort mit kühler, feuchter Luft. Wie geschaffen um sich gegen einen Baumstamm gelehnt ein wenig auszuruhen, der Schuhe zu entledigen und die Beine zu strecken.

      Etwas schläfrig dösten wir so ohne Zeitgefühl jeder mit offenen Augen vor sich hin. Fremd, wie eine Kulisse aus einem unbekannten Film, erschien uns der dichte, hohe Kakteenwald. Plötzlich traf uns ein Schatten, und vor uns stand eine noch fremdartigere schwarze Gestalt. Keiner hatte etwas kommen sehen oder gehört. Eben so lautlos wie geschwind musste sie hinter der Kakteenhecke hervorgekommen sein. Ausnahmslos schwarz war die ganze Erscheinung, natürlich die Haut, aber auch der Vollbart, der weite Umhang, der Fliegenwedel in der Hand und der hohe Hut, von der Art, wie ihn griechische Popen trugen. Erst jetzt, nach geraumer Weile ging uns auf, dass er ein Mönch sein müsste. Seinerseits schien er über den unerwarteten Anblick von uns vier Farblosen an diesem Ort gleichermaßen verwundert. Amhar trug ihm unseren Wunsch vor Debre Damo zu besuchen. Der schwarze Mönch zupfte sich nachdenklich den Bart und fragte nach schriftlichen Empfehlungen kirchlicher Autoritäten. Wir hatten nichts Derartiges vorzuweisen, auch gar nicht bedacht, dass spontane Besuche irgendwelcher Fremder nicht unbedingt gelegen kommen könnten. Er musterte unsere Gesichter, als stünde darin das Fehlende geschrieben. Ich möchte bezweifeln, dass er so etwas wie eine Empfehlung erkennen konnte, sicher aber ehrliches Interesse. Nach einem Moment des Überlegens nickte er uns freundlich auffordernd zu. Eigentlich wollte er ins nächste Dorf gehen, aber wir möchten ihm bitte folgen. Das waren so ziemlich die letzten Worte, die wir von ihm hörten. Später auf Debre Damo sollten wir erfahren, dass diese Wortkargheit keine Ablehnung bedeutete, sondern ganz andere Gründe hatte.

      Wir hatten Mühe leidlich mit ihm Schritt zu halten. Der Weg wurde immer steiler und endete in einer kleinen Lichtung vor der Wand. Senkrechter, nackter Fels stand vor uns, und der Blick in die Höhe ließ verzagen. Der Mönch rief hinauf. Oben über der Kante erschien ein Kopf mit ebensolchem schwarzen Hut, und dann flog ein Seil herunter, das aus vielen kleinen Lederriemen zusammengeflochten war. Der Mönch stieg daran hoch mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Oben angekommen warf er noch ein zweites Seil herunter mit der Andeutung es fest um den Leib zu binden. Abgesehen von dem Gefühl größerer Sicherheit, glaubte ich, ohne das zweite Seil, an dem ich nach Kräften mit hochgezogen wurde, hätten mir vor dem Erreichen der Kante die Arme versagt.

      Oben sah ich Holzpfähle in den Fels gelassen, an denen man die Seile befestigt hatte und auch sich selber halten konnte, wenn man über den Rand hinuntersehen wollte. Jeder weitere Blick war schon nach wenigen Schritten durch Mauern verstellt, die ein kleines Tor einfassten. Als wir alle oben angekommen waren, durchschritten wir es und waren von allen Seiten aufs Neue von Mauern umgeben. Einige Stufen führten hinauf zu einem zweiten, inneren Tor. Hier hieß man uns in aller Form willkommen, reichte aus zugedecktem Brunnen einen symbolischen Willkommenstrunk, der angenehm frisch und kühl schmeckte. Drei Dinge seien nicht gestattet auf Debre Damo, wurden wir belehrt: Alkohol, Tabak und Frauen. Der Ausschluss letzterer erstreckte sich auch auf Tiere weiblichen Geschlechts.

      Damit war uns der Eintritt gewährt in eine weitestgehend spirituelle Welt der Zurückgezogenheit, allem Lärm und Treiben der gewöhnlichen Welt auf 3290 m.Höhe entzogen. Auch wurde es unsere erste Erfahrung mit dem Reisen in andere Zeiten. Nicht dass hier die Vergangenheit konserviert wurde, nur war Zeit einfach unbedeutend, wie nahezu alles andere auch und zeigte - vom Gang der Gestirne einmal abgesehen - keinen linearen Verlauf. Bald erschienen uns jene Geschichten gar nicht mehr so abwegig von Leuten, die an solchen Orten einige Tage verbracht zu haben glaubten und zurückgekehrt in die Außenwelt feststellen mussten, dass es Jahre waren. Von den fast 600 Mönchen jedoch, die hier leben sollten, bekamen wir, außer bei religiösen Zeremonien nur wenige zu Gesicht. Auch wir, sonst überall Objekt der Neugierde waren uninteressant für sie. Davon unberührt erhielten wir die volle Gastfreundschaft.

      Die naturgeschaffene Isolation dieser nur wenigen hundert Metern Felsplatte

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