Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Halbmondamulett. - Jens Petersen страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

Скачать книгу

Jahre danach. Auch mag dies der Grund dafür gewesen sein, warum ich diese Aufzeichnungen erst dreißig Jahre nach ihrem Geschehen abschloss.

      Geschichten und deren Verdichtung

      Stunde um Stunde drangen wir tiefer ein, in ein wildes, bizarres Land. Schroffe Berge von mondartiger Kargheit, alles versengende Hitze, zähe, von der Sonne gegerbte Bewohner. Wir wussten nur soviel: Wir waren irgendwo zwischen Asmara und Axum, aber auch das waren nicht viel mehr als Namen. Nicht einmal die Farbe des Himmels vermochten wir zu erkennen. Da war nur ein unendliches Gleißen und rings umher verbranntes Land.

      Dennoch hätte unter all dem Befremdlichen eines uns aufschrecken müssen: Wir fuhren in die falsche Richtung. Seitdem der zweite Wächter glücklich überwunden, waren keine Hindernisse mehr auszumachen auf dem Weg zu unserem zuvor doch so hartnäckig verfolgten Ziel. Von Asmara hätten wir in bequemen drei Stunden Massawa erreicht, um dort nach einer Passage zum gegenüberliegenden Jemen Ausschau zu halten. Stattdessen saßen wir hier, kaum einer Bewegung fähig, eingekeilt zwischen anderen schwitzenden Leibern und vibrierenden Blechen, auf einer schier endlos anmutenden Fahrt in die entgegengesetzte Richtung. Es kam uns noch nicht einmal in den Sinn, daran etwas merkwürdig zu finden. Wieso taten wir das? Zwar meinten wir, schon einmal hier, uns noch ein wenig mehr von Äthiopien ansehen zu müssen, die Wahrheit aber war, wir wussten es selber nicht, es geschah mit uns. Ganz unversehens befanden wir uns bereits mitten drin. Irgendwann hatte ich den Faden dieser Reise aus den Händen verloren. Einfach so. Eigenartigerweise war ich überhaupt nicht beunruhigt darüber. Und so entfernten wir uns immer weiter von unserem vermeintlichen Ziel, immer weiter in ein seltsames Land, nicht ahnend, dass wir schon angekommen waren, denn es sollte sich als ein Bestandteil unseres Zieles erweisen. Ohne es zu wissen waren wir an jenem Punkt angelangt, wo man den Dingen nur noch ihren Lauf zu lassen brauchte.

      Der nächste Halt sollte Adua heißen. Äußerlich erwies es sich als ein nichtssagendes Nest. Ein paar Feldsteinhäuser mit Wellblechdächern zogen sich den Hang hinauf, dazwischen Mauern aus aufgeschichteten Steinen. Der Name war es, der dem Ort Gewicht verlieh. Unmöglich sich berühmten Stätten ohne vorgefasste Bilder zu nähern. Nahe dieses Städtchens, in der grünen Mulde am Fuße mächtiger Berge, wurde 1896 eine waffentechnisch haushoch überlegene, europäische Armee vernichtend geschlagen. Kaiser Menelik II. hatte es zuvor fertig gebracht die Stämme und Völker des Reiches zu einen, um dieser Bedrohung von Außen zu begegnen. Zwar besaßen die Äthiopier einige Gewehre, aber die meisten sollen noch mit Schwertern und Lanzen gekämpft haben. Zuvor hatten geschickte Scheinangriffe und kleine Überfälle ständig die Italiener genervt und zu strapaziösen Märschen in wildem Berggelände genötigt mit stets frustrierendem Ausgang. Sie hatten einzig den Zweck, den Feind zu ermüden und zu zwingen immer mehr seiner schweren Waffen einschließlich der gesamten Artillerie zurückzulassen. Meneliks listiger Feldherr Ras Alula hatte es auch verstanden, dem italienischen Stab unentwegt irreführende Informationen über Stärke und Standort der Äthiopier sowie über die Wegeverhältnisse zukommen zu lassen. Bei der überraschend aufgezwungenen Entscheidungsschlacht sahen sich die Italiener überrumpelt von einem Gegner, der sie mit der Wildheit von Raubkatzen anfiel.

      Der Sieg war total und muss für ganz Afrika das Ereignis gewesen sein. In dieser Nacht hielt man in Europa den Atem an ob der unfassbaren Nachricht. In Äthiopien brannten auf allen Bergen Freudenfeuer. Die Buschtrommeln dröhnten für etliche Tage und Nächte, bis es der ganze Kontinent wusste: Es gibt Hoffnung, der weiße Mann wurde besiegt in den Bergen Habaschas. Menelik selbst schickte Boten nach London, die für ihn um die Hand von Königin Victoria anhalten sollten. Man kann sich die Gesichter im Buckingham-Palast und das Antwortschreiben ausmalen.

      Auf dem Platz von Axum angelangt, drehte der Bus noch eine müde Schleife, bevor der Motor zum Stillstand kam, und mit ihm auch das alles durchdringende Vibrieren.

      „Seltsam“,

      sagte Hermann, als wir auf unser Gepäck warteten, welches gerade der Beifahrer vom Dach herunterreichte.

      „Da war doch so ein Typ im Bus, ich bin mir ganz sicher, den schon in Port Sudan gesehen zu haben. Nein, keiner von den „Freunden“. Ich hatte mir deswegen auch noch nichts dabei gedacht. Der fiel mir auf, weil er ein so seltsames Amulett an einem Kettchen um den Hals trug. Sah aus, wie ein liegender Halbmond, aber doch noch anders, da war noch mehr. Ich konnte nicht so genau hinsehen, sonst wäre er auf mich aufmerksam geworden. Später sah ich ihn dann gleich nach uns in den Zug steigen.“

      „Das wäre in der Tat seltsam, die ganze Strecke über viele Tage und in verschiedenen Transportmitteln? Man könnte fast glauben, er verfolgte uns und das auch noch über die Grenze!“

      Alle vier dachten wir laut darüber nach, was der Anlass sein könnte, uns seit Port Sudan im Auge zu behalten, bis 0-Chang einwarf:

      „Vielleicht haben wir den falschen Denkansatz und es sollte besser Suakin heißen.“

      „Die merkwürdige Dhau mit den verschwundenen Passagieren?“

      „Das würde heißen, wir wären zufällige Zeugen geworden von etwas, was niemand sehen sollte.“

      „Ja“,

      nickte 0-Chang,

      „und das würde auch unsere „Freunde“ in Port Sudan erklären.“

      „Aber es war keiner von denen“,

      warf Hermann ein.

      „Auch sah er nicht aus wie ein Weißer, eher wie ein Orientale, was weiß ich woher.“

      Heiß und staubig wie die sechs Stunden der Fahrt war es auch hier. Wir hatten uns bereits daran gewöhnt, durch unsere bleiche Hautfarbe schon von weitem als Fremde erkannt, überall Gegenstand der Neugier und Zielgruppe diverser Annäherungsbemühungen zu sein, mit überwiegend gewinnorientierten Hintergedanken. Darunter waren auch Jugendliche, die ihre Dienste als Fremdenführer anboten. Bis Asmara war es gerade noch möglich gewesen, mit Englisch zurechtzukommen. Danach wurde fast aus schließlich Amharisch gesprochen. Amhar sprach erstaunlich gut Englisch, und bewies schon bei der Hotelsuche, sowie der Verhandlung über Zimmer und Preis, dass wir es besser gar nicht hätten treffen können.

      Der erste Eindruck von Axum glich einem jener unbedeutenden Flecken, an denen man sich fragte, was man hier zu suchen hätte. Wusste man es, so gelangte man am Rande der Kleinstadt zu dem Bezirk von Maria Zion. Die Anlage machte einen Eindruck, dem man sich schwer zu entziehen vermochte, jene Atmosphäre, wie sie uralten, sakralen Stätten eigen ist. Die langen Zeiträume geistiger Hingabe hatten deutliche Spuren hinterlassen.Erhabene Bäume umgaben das Allerheiligste. Nur das Summen von Insekten war zu hören und das Murmeln der Mönche. In langen weißen Umhängen und Kappen aus dem gleichen fließenden Stoff bewegten sie sich wie Gestalten eines Traumbildes oder hockten in tiefer Versenkung stumm auf geborstenen Steinen und freiliegenden Baumwurzeln.

      Vorbei an einer zweiten, Zinnen bestückten Mauer führten Steinstufen hinauf zur Kirche. Schon äußerlich anders als das gewohnte Bild von Kirchen war hier irgendetwas völlig fremd. Als hätte die letzte Zeit uns nicht schon genug Unerklärliches beschert. Was von weitem wie Portale aussahen, drei große Bögen der Frontseite, erwiesen sich eher als eine Art Fenster. Aber auch das waren sie nicht, dienten scheinbar nur der Luftzufuhr, denn enge Holzgitter verwehrten den Einblick in das Dunkel dahinter. Nicht nur, dass das sonst übliche pompöse Portal fehlte, überhaupt kein Eingang war auszumachen. Das war kein öffentlich zugängliches Gebäude, eher wie ein großer Behälter kam es mit vor, wie ein Schrein. Spuren von Regenwasser und auszehrender Dürre, Überwucherungen von Flechten und Moos, mit der zähen Unbeirrbarkeit der Zeit hatten die Jahrhunderte den Anschein des Erdachten und Konstruierten verwischt,

Скачать книгу