Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

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Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

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Der Staub hatte sich gelegt, und das Licht eines anderen Morgens drängte durch die Türen. Atbara hieß die Station, wie der Nebenfluss des Nils, an dem sie lag.

      Was als Reiseziel immer noch sehr weit von der Verwirklichung entfernt lag, jenseits vielerlei Hindernisse und Unwägbarkeiten, bislang nur durch Lektüre angeheizte Phantasie, tauchte am Ausgang dieser Traumbilder als Gewissheit auf. Irgendetwas hatte sich verändert, folgte einem unsichtbaren Ablauf. Die Inhalte dieser Bilder bewegten sich auf mich zu.

      Es sah so aus, als kämen auch die jüngsten Ereignisse meinen Plänen entgegen. Im September 1962 holte die Revolution den Jemen aus der Versenkung eines tausendjährigen Dornröschenschlafes. Es ging nicht allein um die Beseitigung einer despotischen Monarchie, es ging auch um den Anschluss an die Neuzeit und die Außenwelt. Lebte doch das Land Rechts von Mekka absichtlich völlig isoliert, betrieb kaum Außenhandel, und hatte nur in wenigen Hauptstädten der Welt eine diplomatische Vertretung. Es führte sein introvertiertes Eigenleben, der Weltpolitik abgekehrt. Lediglich die Engländer besetzten 1839 Aden, den wichtigsten Hafen und verhalfen einigen Dutzend kleiner Sultane und Scheichs im südlichen und südöstlichen Landesteil zu bevormundeter Unabhängigkeit.

      Am Nachmittag erreichten wir Kassala, Endpunkt der Strecke. Die zackigen Berge über der Silhouette der Stadt gehörten schon zu Äthiopien.

      Der zweite Wächter

      Beabsichtigte man in einem orientalischen oder afrikanischen Städtchen einen größeren Verkauf zu tätigen, so war die einfachste Methode: Man erzählte davon einigen Leuten, sodann brauchte man nur noch zu warten, wie alles seinen Lauf nahm. Die, schon bald eintreffenden Interessenten, ließen sich klar in drei Kategorien einteilen. Die erste bestand aus Neugierigen, die zweite aus Angebern, die weder die Absicht noch die Mittel zum Kauf hatten, dafür aber gleich alle Freunde und Bekannten mitbrachten, denen sie imponieren wollten. Die dritte Gruppe waren Interessenten, die allerdings die Hoffnung hegten, das Auto mehr oder weniger geschenkt zu bekommen. Abdul jedoch, Besitzer mehrerer Fahrzeuge und einer Garage, hatte sowohl die Mittel, als auch ein gesundes Geschäftsinteresse.

      Bevor wir überhaupt uns anschickten über den Preis zu reden, bat er darum, den Wagen in seiner Garage untersuchen zu lassen. Er fand meine Angaben von seinem Mechaniker bestätigt. Die Verhandlungen zogen sich dann gemächlich über den Nachmittag und den ganzen Abend hin. Eine meiner Bedingungen war von vornherein: Abdul übernahm den Zoll, was hieß die Gebühren sowie alles, was sonst damit zusammenhing.

      Pünktlich am nächsten Morgen erschien Abdul, um mit mir zur Zollstation zu fahren. Etwas leichtsinnig hatte ich mich von 0-Chang, Hermann und Bernd verabschiedet, die eine günstige Fahrgelegenheit nach Asmara wahrnahmen, wo wir uns wiedertreffen wollten. Die Zollstation, ein schlichtes ebenerdiges Gebäude, befand sich, wie bei Ämtern üblich, im Zustand der Belagerung. Dabei hatten die wenigsten etwas mit dem Zoll zu schaffen, sondern warteten auf irgendwen oder irgendwas, oft auch darauf ihre Dienste anbieten zu können oder waren einfach nur Publikum, welches sich an diesem Ort die Zeit vertrieb und gelegentliche Unterhaltung versprach. Wir fuhren in den Hof hinein, stellten den Wagen gut sichtbar ab und gingen geradewegs durch das frisch erwachte Interesse der Menge ins Büro.

      Eines war leider sofort deutlich: Der hier hofhaltende Beamte war von der unangenehmsten Kategorie. Es gibt sozusagen die Passiv-Korrupten, meist von einem Flair gutmütiger Trägheit umgeben, die bei entsprechender finanzieller Aufmunterung ihr phlegmatisches Naturell überwinden und Dinge möglich machen, nach denen ihnen sonst gerade nicht so wäre. Die Aktiv-Korrupten dagegen, zu denen eindeutig dieser gehörte, bieten sich nicht zur Überwindung irgendwelcher Probleme an, sondern sie schaffen erst einmal solche. Und die können sehr violent sein, über Drohungen bis hin zu Beschlagnahmen und Verhaftungen. In gewisser Weise sind diese Art Beamte wesensverwandt mit Schutzgelderpressern, denn auch sie bieten gegen Bezahlung Schutz an, vor nichts anderem als vor sich selbst. Und damit das als Notwendigkeit auch begriffen wird, heißt es erst einmal zu zeigen, wie gefährlich man sein kann. Wie den meisten seiner Spezies sah man es auch diesem nur zu deutlich an. Alles an ihm, Haltung, Rede, Gestik war herrisch, herablassend, aburteilend. Jeder vor ihm Stehende hatte sich von vornherein eines schweren Vergehens schuldig gemacht. Die Tatsache, dass er selber keine Ahnung davon hatte, konnte natürlich nicht den geringsten Einfluss auf die zu erwartende Verdammung haben. Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Eine eventuelle Linderung war nur auf dem Wege der Gnade zu erhoffen, und die hatte ihren Preis.

      Ich wünschte in diesem Moment, ich säße auch unbeschwert im Wagen nach Asmara. Wieso blieb es den anderen erspart an diesem zweiten Wächter, denn als nichts anderes erwies er sich, vorbei zu müssen? Erst sehr viel später, seit dem Erlebnis in Debre Damo, begann es mir zu dämmern; unsere Wege trennten sich schon hier, auch wenn wir weiterhin auf den gleichen Wegen und Straßen einher fuhren. Wie sollte es auch anders sein, jeder konnte nur seinen ihm ganz eigenen verfolgen. Das hieß nicht, es würde nicht hin und wieder Punkte der Begegnung, oder wie z.B. später mit Hermann, längere Strecken gemeinsamen Weges geben. Auf der Zollstation in Tessinei war mir dies alles noch längst nicht klar. Nur soviel begriff ich und das wurde auf höchst unangenehme Art immer deutlicher, dass ich hier allein mit dem zweiten Wächter konfrontiert war. Und wie es in den Erzählungen üblicherweise heißt, war er "weit schrecklicher als der erste". War jener, um die beliebte Floskel anzuwenden, "streng aber gerecht" und obendrein gar noch ein wenig wohlwollend, so erschien dieser bösartig und sich an keine der bekannten Regeln zu halten. Trotzdem musste er irgendwo berechenbar sein. Das herauszufinden musste ich mich verdammt beeilen, wollte ich nicht an ihm scheitern. Im Gegensatz zum ersten Hindernis, war ich hier auf mich allein gestellt, und selbst ein möglicher Rückweg blieb verschlossen. Auch wurde mir bald klar: Ein Kampf blieb mir diesmal nicht erspart. Das Glück sollte mir jedoch erstens zu einem mächtigen Verbündeten im Hintergrund verhelfen und zweitens zum rechtzeitigen Erkennen der Schwäche meines Gegners. So konnte ich schon sehr bald die richtige Waffenart wählen: Die Lächerlichkeit.

      Nachdem wir den ein leitenden Höflichkeiten genüge getan hatten, selbst das schon erschwert von barschen Unterbrechungen unseres Gegenübers, die meine schlimmsten Vermutungen bestätigten, erklärten wir unser Anliegen. Abdul betonte, wie abgemacht, dass er die Verantwortung übernähme für alle Formalitäten und Kosten der Verzollung. Was mich betraf, ging es jetzt nur noch um den Vermerk in meinem Pass, dass ich der Zollpflicht für das darin eingetragene Fahrzeug enthoben sei. Ein vernichtender Blick, eine von gespielter Empörung getragene Zurechtweisung belehrte mich über die Vermessenheit dieses Anliegens, leider nur nicht über deren Grund. Während er noch weiter redete, überlegte ich: Zu nachgiebig sein hat keinen Sinn, dann fühlt er sich gar noch bestätigt und macht vollends mit mir, was er will. Und selber auftrumpfen, wenn man keine Karten hat, könnte noch gefährlicher werden. Am besten wäre wohl eine Art von korrekter Unnachgiebigkeit. In seiner Rede tauchten nämlich auffallend häufig die Worte Pflicht und Vorschrift auf. Ihm war also daran gelegen, den Schein eines pflichtbewussten Beamten aufrecht zu erhalten. Aber die tragende Rolle bei allem schien seine Eitelkeit zu spielen. Ich fragte also wieder und wieder nach den Vorschriften, die meinem Wunsch im Wege stünden und so sehnlichst nach Erfüllung verlangten, ohne darauf etwas anderes als vage Ausflüchte zu erhalten. Unter einem Vorwand bat ich ihn hinaus und als wir, so gut wie hier überhaupt möglich, unter vier Augen waren, fragte ich, was ich denn meinerseits tun könnte, um den Vorschriften zu genügen und seine so schwere Entscheidung zu erleichtern. Und siehe, da war es: Eine gewisse Gebühr wäre da noch fällig, die sich näherer Bezeichnung schamhaft entzog. Auf welchen Betrag sich denn diese Gebühr beliefe? Und jetzt machte er eigentlich den ersten Fehler, denn er überlegte. Jede tatsächliche Gebühr müsste er entweder wissen oder in einer Tabelle nachsehen. Auch ich überlegte indessen: Ärgere dich nicht! Wenn es irgendwie erschwinglich ist, kannst du dir weit größeren Verdruss ersparen. Die Höhe der Gebühr die ich nun erfuhr, verriet wenigstens keinerlei Kenntnis der Kaufsumme. Dafür war sie derart ungeheuerlich, dass ich Mühe hatte aufwallenden Zorn unter Kontrolle zu halten. Ich raffte mich nur noch auf zu sagen:

      „Stellen

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