Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Halbmondamulett. - Jens Petersen страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

Скачать книгу

an Land gegangen sein. Ja und, was dann? Und überhaupt, wozu diese ungewöhnliche Eile? Nach Bernds Schätzung müssten es etwa zwanzig Personen gewesen sein. Wir überlegten: Weggefahren könnten sie nicht sein, dazu waren die Gassen an vielen Stellen entschieden zu eng und teilweise auch noch durch Schutt und einstürzendes Mauerwerk blockiert. Außerdem hätten wir in dieser Stille jedes Motorgeräusch gehört. Das galt auch für ein eventuelles Motorboot. Selbst zu Fuß könnten sie kaum so schnell und geräuschlos verschwunden sein. Sie hatten sich einfach in Luft aufgelöst. Gut, wir werden auf alle Fälle bei unserer Rückkehr die Fischer fragen, schließlich haben die den einzigen Zugang im Auge. Seltsam, wir waren uns sicher, dass wir dort nichts erfahren würden. Eigentlich blieb allein die Möglichkeit, dass alle ziemlich hastig in einem der nächstgelegenen Häuser verschwunden waren. Nur warum diese Eile und dieses sich verbergen? Kein Laut drang aus den fest verschlossenen Mauern. O-Chang sagte, was wir alle dachten: „Genau betrachtet lässt dieses Rätsel nur eine Erklärung zu: Irgendwer hatte da etwas zu verbergen und nicht mit unserer Anwesenheit gerechnet, meinte vermutlich, wir hätten schon viel zu viel gesehen.“

      „Ein Geisterschiff voll mit Dschinns, die sich jetzt schnell unsichtbar machen",

      spottete Bernd.

      „Sehr witzig! Vielleicht war es sogar unser Glück, dass wir nicht mehr gesehen haben. Lasst uns lieber eilen, dass wir weiter kommen!“

      Dennoch die Dhau voller Menschen, die so unerklärlich schnell verschwunden waren, hatten wir damit nicht abgeschüttelt.

      Am anderen Ende setzten wir uns auf die warmen Kantsteine der Kaimauer und ließen den Blick über das Wasser gleiten. Eine Durchfahrt zwischen zwei flachen, kargen Sandzungen war zu sehen, dahinter das offene Meer. „Tor der Tränen“,

      wie immer noch der Ausgang des Roten Meeres genannt wurde, wäre für diesen ebenso zutreffend. Wir starrten auf das glasklare Wasser. Vermutlich hingen wir alle vier ähnlichen Gedanken nach, über das Auf und Ab des Schicksals, bei Städten nicht anders als bei Individuen. Was immer wir hier erwartet hatten, es trat nicht in Erscheinung.

      „Wenn möglicherweise irgendwer hinter den Gerüchten stecken mochte, so hielt er sich gut bedeckt“,

      sinnierte Hermann.

      „Auch wenn wenn hier vielleicht seltsame Dinge vor sich gehen, Geister bleiben, zumindest vorerst und für uns, das was sie schon immer waren: nichts als Projektionen.“

      „Es sei denn, man sieht sie weniger persönlich, dafür aber als Personifikationen von etwas ganz anderem“,

      warf ich ein.

      „So wie gewisse Projekte, bei denen man nicht umdenken kann?“

      „Du sagst es.“

      Derlei Gedanken kamen an diesem Ort ungerufen. Sie kamen auf leichten Füßen und scheinbar von nirgendwo, wie die kleinen Wellen unter herab baumelnden Beinen, die beschwingt und glucksend gegen den dicken Muschelbelag der Ufersteine schwappten. Es war dieses Stillsitzen, an nichts denken und nur die Bewegung des Wassers betrachten, was es diesen leichten Gedankenwellen ermöglichte mich zu erreichen. Der Zeitpunkt schien angebracht, die Suche nach einer gewissen Sorte anderer Geister fortzusetzen. Kindisch und nach einem nicht gerade bewährten Verhaltensmuster hatte ich mich in dieser Unternehmung festgefahren. Als sie nicht ablaufen wollte wie geplant, war ich mit geschlossenen Augen losgerannt und mit dem Kopf durch die Wand, nichts anderes in der Hand als die Hoffnung, diese Wand möge dünn genug sein. Daumen drücken allein hatte sich als nicht ausreichend erwiesen. Jetzt saß ich mit dem Kopf in der Wand fest. Die bewaffneten Kamelreiter hatten uns zu der Grenzstation Halaib gebracht. Auch wenn die anfängliche Aufregung sich bald gelegt hatte, so bestand kein Zweifel, dass wir wegen illegaler Einreise verhaftet waren. Nach Port Sudan gebracht und dem dortigen Kommandanten vorgeführt, drohte uns eine Anklage und womöglich ein Aufenthalt in hiesigen Gefängnissen, von denen es hiess, dass nur wenige sie wieder gesund verliessen. Anschließend würde man uns dorthin abschieben, wo wir vor vierzehn Tagen schon einmal waren. Höchste Zeit selber zu handeln!

      Während der Wartetage auf eine Entscheidung hatte man uns diesen Ausflug gestattet, unsere Pässe in Verwahrung und wohl wissend, dass nach diesen sechzig Kilometern, ohnehin der einzige Weg zurück nach Port Sudan führte. Wir standen vor so etwas wie einem Wächter, dem wir nicht das richtige Losungswort präsentieren konnten. Bei ihm lag es, uns passieren zu lassen, zurückzuweisen oder auch einzukerkern. Gründe genug, den Mann, an dem wir vorbei mussten etwas näher in Augenschein zu nehmen. Erfreulicherweise konnte man sagen, wir waren uns eher sympathisch. Das würde die Sache angenehmer machen, aber keineswegs leichter. Schließlich hatte er keine Veranlassung Position und Karriere auch nur für einen Moment aus den Augen zu verlieren. Darüber hinaus schien er geleitet von ehrlichem Engagement für sein Land. Korrektheit und Fairness bedeuteten ihm offenbar etwas und ließen ebenso wie sein geschliffenes Englisch eine britische Ausbildung vermuten.

      „Vor allem die Drohung einer Anklage muss vom Tisch“,

      unterbrach 0-Chang meine Überlegungen, der offensichtlich gerade an das gleiche dachte.

      „Wenn uns das nicht in den nächsten Tagen gelingt, sollten wir unsere Botschaft informieren und um die Vermittlung eines Anwalts bitten.“

      „Übrigens“,

      mischte sich Bernd ein,

      „unser nicht mehr ganz neuer Wagen macht mir Sorgen. Die Strapazen des Wüstentrips haben ihre Spuren hinterlassen. Genaues kann ich erst sagen, wenn ich ihn in einer Werkstatt mit Hebebühne oder Arbeitsgraben gründlich angesehen habe. Nur eines möchte ich jetzt schon bezweifeln, solch ein Programm, wie wir es uns vorgenommen haben, wird er kaum bewältigen.“

      „Das wäre ein Grund mehr zum Umdenken, aber auch, um das Ansinnen einer Rückfahrt über 350 Kilometer Wüste bis Marsa Alam mit ehrlicher Überzeugung zurückzuweisen.“

      In Gedanken versunken schauten wir alle auf das sonnenbeschienene, türkisklare Wasser vor uns. Suakin: Elfenbein, Gold, Felle, Edelhölzer und immer wieder Sklaven gingen von hier übers Meer. Verzweiflung und unerträgliche Hitze in den überfüllten Schiffsbäuchen. Aber Suakin war nur der Exporthafen. Die vom rechten Glauben und seiner Überlegenheit durchdrungenen Eroberer kamen von Norden. Sie kamen immer wieder und stets von Norden. Wer sprach heute noch von der arabischen Kolonisation und dem arabischen Sklavenhandel? Gewiss wird seine Geschichte irgendwelche Bücherregale füllen, diskutiert wird nur über die europäische. Die Bedrohung kam noch immer aus dem Norden, nur saß sie heute tief und fest mitten im Land, fester und dauerhafter als die europäischen Kolonialherrschaften je waren, denn mit dem Lande verwachsen, hatte sie so etwas wie Unumkehrbarkeit. Ausgeschlossen davon war nur noch der afrikanisch-animistisch gebliebene Süden. Dieses Land, welchem einst die Araber den Namen "Land der Schwarzen" gaben, nannte sich heute selbst ein arabisches. Darum fürchtete man die Augen anderer Fremder. Es sah so aus, als müssten sie sich noch immer aus dem Norden bedroht fühlen, trotz lautstarker Freundschaftsbeteuerungen sollten die Grenzen scheibchenweise korrigiert werden. Unsere ägyptische Landkarte war dazu angetan, solche Befürchtungen zu bestätigen. Wie so manche Staaten, die statt der tatsächlichen, ihre Wunschgrenzen einzeichnen, war diese 300 Kilometer zu weit südlich, auf sudanesischem Territorium, kurz vor Halaib markiert. Wenn auch wenig glaubwürdig, konnten wir uns doch gut darauf ausreden. Demnach hätten wir noch keine Grenze verletzt.

      „Die Initiationsnarben“,

      stieß 0-Chang aus, wiederum bei dem gleichen Gedanken angelangt.

      „Ja, das ist es! Der Mann, der über unser Schicksal in der nächsten Zeit entscheiden soll, ist höchstwahrscheinlich nicht in muslimischer

Скачать книгу