Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

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Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

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      „Und?“

      „Ich hab so was schon mehrmals erlebt, in der Sahara.“

      „So wie die Stimmen waren, hätten sie ganz in unserer Nähe sein müssen. Aber da war weit und breit niemand." „Ich weiß. Ziemlich sicher, dass wir tatsächlich im Umkreis von mehr als hundert Kilometern allein sind.“

      „Und? Was ist das denn?“

      „Das hat mir bislang noch niemand sagen können. Nur dass es eines der Phänomene ist, die einem in der Wüste begegnen.“

      „Unheimlich - wundert einem nicht, wenn die Leute an Geister glauben.“

      Die Wüste erschien mir von der ersten Begegnung an, als ein magischer Ort anderer Realität. Begab man sich einmal dort hinein, so ließ man die gewohnte Welt hinter sich. Aber da war noch etwas anderes, unerklärliches, wahrnehmbar nur als eine Art Glücksgefühl. Es war, als fließe einem dort Energie zu, möglicherweise die Ursache der großen Anziehung, welche die Wüste immer wieder ausübt. Gar nicht denkbar wäre der Orient ohne die Wüste. Aller Zauber rührt ursprünglich daher. Erst die Wüste gibt den nötigen Hintergrund für das so ungemein farbige Gepränge, ist die wahre Quelle der üppigen Phantasie.

      Tagsüber sah ich sie diesmal nur an den geschlossenen Scheiben vorbeiziehen, bei offenen erwies sich der hereinfliegende Sand noch lästiger als die Hitze. Jetzt nach dem Abgang des Tages überkam mich das Verlangen hier allein zu sein. Als ich mich leise erhob, drangen aus den anderen drei Schlafsäcken nur noch ruhige, gleichmäßige Atemlaute. Der Boden, an dieser Stelle weich wie ein flauschiger Teppich, schluckte jedes Geräusch meiner Schritte. Nur wenige Minuten von Auto und Lagerstätte entfernt setzte ich mich auf eine der vielen Sandwellen.

      Erst des Nachts zeigte die Wüste ihre wahre Schönheit. Nichts lenkte mehr davon ab, kein Geräusch, kein Hitzeflimmern, nicht einmal ein Lufthauch. Der tägliche Jahrmarkt der Sinne mit seinem Gaukelspiel war verschwunden, hatte sich aufgelöst wie eine Luftspiegelung. Es gab nur noch Unendlichkeit. Alles um mich herum war Sternenhimmel, von einer nie gesehenen, unwirklichen Pracht. Zum ersten Mal ging mir auf, dass er in Wahrheit hinabreichte bis an den Boden, auf dem ich saß. Auch dieser letzte Rest Erdenkontakt schmälerte nicht die plötzliche Erkenntnis, mitten im Weltraum zu sitzen, gefolgt von der Einsicht, absolut allein zu sein, so allein wie man nur sein konnte. Nichts erinnerte mehr an vertraute Umgebung, auch Vorstellungen von Nähe und Gemeinschaft verflüchtigten sich als imaginär. Da war nur unermessliche schwarze Tiefe, verwirrend angefüllt mit Glitzern, kalt, unnahbar und doch unerklärlich anziehend wie ein fernes, unbekanntes Ziel. Vielleicht sollte Furcht aufkommen angesichts dieses Gewahrwerdens eigener Bedeutungslosigkeit. Etwas ganz anderes stellte sich ein, wie bei jeder Begegnung mit der Wahrheit: Ein Gefühl tiefer Befriedigung. Die natürlichste Art zu leben, nannte Ibn Al-Arabi das Reisen, da nicht das Verweilen die Natur aller Dinge im Universum sei, sondern das ständige in Bewegung sein. Mir war eher so, als wäre ich von langer Reise endlich angekommen, angekommen in einem wahren Zuhause. Das konnte nicht mehr sein, als eine vorübergehende Vision, ein Gefühl von einem Zustand zu fern und zu unbekannt, um selbst in Bildern sich auszudrücken. Doch bei all seiner Flüchtigkeit unterschied dieser Eindruck sich gar zu deutlich von üblichen Emotionen, blieb mir für immer als Erinnerung wie eingraviert. Und mit ihm die unerklärliche Gewissheit, es gäbe für mich irgendwo ein Ziel, auch wenn ich noch keinerlei Vorstellung davon hätte, ja nicht einmal einen Namen dafür. Nur die ungeheure Bedeutung begriff ich, sich dorthin zu bewegen, auch wenn selbst die einzuschlagende Richtung noch unbekannt blieb. Gewiss war überhaupt nur eines: Verweilen wäre ein Fehler. Vorübergehendes Verweilen gehörte zum Weg mit seinen Intervallen, aber völliges Stehenbleiben rührte zu so etwas wie dem Aufhören zu existieren. Weiterziehen erschien mir als etwas Elementares, ein kosmisches Gesetz, dass alles in Bewegung bleibe, in Wandlung und ständigem Fortschreiten, sei es nun reine Materie, eine Lebensform oder ein Bewusstsein mit der Fähigkeit eigener Entscheidung. Das unfassbare Chaos ringsherum zeigte auf einmal so etwas wie Vollkommenheit, die sich mir in einer Musik jenseits des Hörvermögens ausdrückte. Für einen zeitlosen Moment nahm ich mich wahr als einen Teil dieser Schwingungen. Was blieb war diese unerklärliche Gewissheit, namenlos, nicht fassbar, aber ähnlich einem erhaltenen Versprechen.

      Der dritte Tag verlief nicht viel anders als der zweite, Staub, Hitze, Monotonie und bei mäßiger Geschwindigkeit im Wagen vor sich hindösen. Einige Kamelgerippe im Sand erinnerten daran, dass das Reisen hier nicht immer unproblematisch verlief, und was aus uns im Falle einer Panne werden könnte. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie versessen ich auf dieses Unternehmen war.

      „Bequemer ist es ja, die Piste entlang dem Niltal zu fahren“,

      feixte 0-Chang.

      „Sicherer allemal.“

      „Ich geb was drum, die Gesichter von den Typen in der sudanesischen Botschaft zu sehen, wenn die uns beobachten könnten, wie wir hier heimlich durch die Hintertür bei ihnen reinbrettern“,

      kicherte Bernd.

      „'N Rad abhaben müssten wir ja, deswegen die kostbaren Jemen-Visa verfallen zu lassen. Du hast übrigens immer noch nicht erzählt, wie du das eigentlich gedeichselt hast.“

      „Ebtehag!“

      „Deine und Hermanns ägyptische Kommilitonin?“

      „Genau, das Mädchen hat eine einmalige literarische Begabung. Die setzt einen arabischen Text in so bestechendem Klang und Rhythmus auf, dass du ihn nur noch in ehrfürchtigem Singsang rezitierst. Sie war es auch, die mir verraten hat, wie verliebt Araber in ihre Sprache sind. Jedenfalls müssen die im Außenministerium in Sana'a so entzückt gewesen sein, dass das bislang Unmögliche geschah.“ „Wie bist du überhaupt auf den Jemen gekommen? Ich mein' inzwischen hast du uns ja alle längst angesteckt, aber woher der Jemen?“

      „Neugierig wurde ich zuerst, als ich im Orient wiederholt Andeutungen auf den Jemen zu hören bekam. Wahre arabische Kultur wäre noch anzutreffen, weil sich dort, seit ihrer Blüte im hohen Mittelalter, nichts verändert habe. Auch von der "Hikma jemenija", der jemenitischen Weisheit war die Rede, und schon seit langer Zeit wollte man wissen, dass der Jemen es war, woher den Propheten "An-Nafas Ar-Rahman" erreicht hatte, der Odem des Erbarmers. Nur Genaueres wußte niemand, weil auch keiner meiner arabischen Gesprächspartner je im Jemen war.“

      „Und woher dann hast du was erfahren?“

      „Ich verschlang alles, was es an Büchern darüber gab.“

      „Da hattest du dir was vorgenommen, wie?“

      „Ach das war nicht so viel, meist Berichte von den wenigen Reisenden. Aber zwei Dinge wurden dabei immer deutlicher und ließen mich nicht mehr los.“

      „Ja?“

      „Ein geheimnisvolles, verschlossenes Land, in dem tatsächlich orientalisches Mittelalter noch lebendiger Alltag ist, und Berichte über eine kaum bekannte antike Hochkultur.“

      „Du meinst Saba mit seiner berühmten Königin?“

      „Nicht nur, da gab es noch die Reiche von Kataba, Ausan und Himjar und noch früher die der Minäer und Hadramoten. Allein was von den wenigen wagemutigen Reisenden entdeckt und berichtet wurde, lässt auf hunderte antiker Fundstätten schließen, ganzer Städte, Tempel, Befestigungen und ausgeklügelter Bewässerungssysteme. Unzählige Inschriften waren gefunden. Immer deutlicher wurde, dass ein ganzer Kulturkreis in diesem entlegenem Teil der Welt verborgen liegt.

      „Und

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