Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

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Das Halbmondamulett. - Jens Petersen

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sollte.

      „Ich wollte schon immer mal wissen, was dahinter zu sehen ist.“

      Bernd kletterte auf einen Steinhaufen und drückte das Auge gegen die engen Maschen im Ornament eines der hölzernen Gitter.

      „Und? Was ist?“

      „Nichts. Sonst war es immer verboten, und jetzt, wo man 'mal reingucken kann, - nichts als Dunkelheit.“

      Ein idealer Naturhafen auf einer Insel in einer geschützten Bucht gelegen, war Suakin Jahrhunderte lang der Umschlagplatz für den Sudan, angelegt von den Arabern, ihren Händlern das Tor zu einem riesigen Hinterland. Ein Hinterland welches von ihnen zunehmend kolonisiert und auch missioniert wurde, lange vor den Europäern. Die frisch bekehrten Gläubigen pilgerten über Suakin gen Mekka. - Das heißt nicht alle sich hier einschiffenden Afrikaner waren Pilger und alles andere als freiwillig in Suakin.

      „Ja natürlich“,

      überkam es mich. Die anderen schauten mich verwundert an.

      „Was ist?“

      „Das Gerede von den Geistern. Wenn denn etwas Wahres daran sein sollte, an jenen Geistern, die man die Ruhelosen nennt. Jene, die so Grässliches erlitten, so unerträglich Grausames, dass sie weder unter der Erde noch auf dem Grunde des Meeres ihren Frieden fanden, dann allerdings hätte man Grund, an diesem Ort Geister zu fürchten.“

      Das Geheimnis für den Reichtum Suakins beruhte auf einer Kalkulation für dessen Sollseite Andere mit Verzweiflung und Tränen aufkamen. Ganze Dörfer und Stämme zogen in Hand- und Fußeisen an Ketten geschmiedet durch seine prächtigen Strassen zur Verladung in die Schiffe, überfallen und wie Vieh zusammengetrieben oder auch von eigenen skrupellosen Fürsten verschachert. Die, die solches taten und auch am Ende unter dem Schlussstrich den Profit zusammenzählten, sie saßen in Suakin und jenseits des Roten Meeres.

      „Biläd As-Sudan“,

      Land der Schwarzen, wie die Araber es nannten, musste über die Jahrhunderte ein schier endloses Menschenopfer erbringen. Unvorstellbare, ohnmächtige Wut muss sich an diesem Ort angesammelt haben, Schicksale, die nicht zur Ruhe gelangen konnten.- Nur mit Dschinns hatte das nichts zu tun, die waren etwas ganz anderes. Doch davon wusste ich zu dieser Zeit noch nichts.

      Winzige, kaum sichtbare Geister ganz anderer Art waren dazu bestimmt das vorgesehene Schicksal dieser reichen Stadt zu vollstrecken. Korallen mauerten langsam, aber unabwendbar die enge Passage zum offenen Meer zu. Immer kleinere Schiffe nur noch gelangten hindurch. Von 1904 bis 1908 wurde sechzig Kilometer weiter nördlich in einem bisher unbewohnten Küstenstreifen ein neuer Hafen und eine Stadt angelegt: Port Sudan. Eine Eisenbahnlinie von dort nach Khartoum machte die Entscheidung entgültig. Suakin war nur noch verblieben zu sterben. Nach und nach floh die Bevölkerung diesen offensichtlich verfluchten Ort. Lautlos und unaufhaltsam arbeitete die Zeit an seiner Auflösung.

      Alle zugleich hielten wir im Schritt inne, wie festgefroren im Augenblick der Bewegung und blickten uns fragend an. Es bedurfte keiner Worte, jeder sah, auch die Anderen hatten es gehört: Ein schleifendes Geräusch, metallisch wie von Ketten und ein Tapsen wie von Schritten. Bildeten wir uns das nur ein? Gar zu prompt war es unseren Gedanken gefolgt. Ja, zugegeben, der Ort hatte etwas Unheimliches und das Gerede über Geister tat das seinige dazu. Aber so weit sollte es nicht kommen, dass wir uns gehen ließen und uns selber etwas vormachten. Diese Appelle an die Vernunft wurden unterbrochen durch eine erneute Folge der gleichen Geräusche. Nun ja, erklärten wir uns selber, wir waren wohl schon so an die Stille gewohnt, dass etwas so natürliches wie Schritte uns als unnatürlich erschienen. Gut, aber was war mit den Ketten? So sehr wir auch versuchten uns zusammen zu nehmen, das Geräusch setzte sich fort, zeigte keine Reaktion auf die plötzliche Stille unsererseits. Wir sprachen leise. Es schlurfte und tapste weiter, in einer bestimmten Folge, einer Art Rhythmus. Wir versuchten dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Endlich hinter einer umgefallenen Mauer auf der Rückseite war uns ein Einblick in das Gebäude gewährt. Es war leer und nur mit einem Berg von Steinen in der Mitte angefüllt. Nach oben schaute man in den offenen Himmel. Die Ansätze ringsherum an den Innenmauern zeigten, wo Dach und Stockwerke durchgebrochen waren. Auf diesem Geröll stapften einige Ziegen herum und mümmelten an den unmöglichsten Materialien, immer drei, vier Schritte vorantapsend und eine Kette hinter sich herschleifend. Aber wie kamen diese Ziegen hierher, und wem mochten sie gehören? Unsere Rufe blieben wieder unbeantwortet. Die Ketten waren nicht angepflockt, möglich wäre also auch, dass sich die Tiere irgendwo am Festland losgerissen hatten.

      Also wieder nichts mit Dschinns? Jedem ist dieses ganz bestimmte Gefühl im Nacken bekannt, beobachtet zu werden. Dreht man sich schnell genug um, so ertappt man den fixierenden Blick. Dabei folgt man mehr einer schwer zu beschreibenden plötzlichen Intuition als einer bewussten Wahrnehmung. Gleichwie es funktioniert. Hier blieb noch so rasches Umdrehen ergebnislos. Nur wurden wir dieses mulmige Gefühl im Nacken nicht los. Wir rätselten darüber:

      „Gut möglich, dass hier Menschen Unterschlupf fanden, die Gründe haben, nicht gesehen werden zu wollen.“

      „Wenn dem so ist“,

      überlegte O-Chang,

      „dann wäre gut denkbar, dass sie auch das ihre dazu getan haben, andere an Dschinns glauben zu lassen.“

      „Das hieße für uns auf der Hut zu sein. Wenigstens wissen die Fischer Bescheid und würden die Polizei benachrichtigen.“

      „Hast du schon ’mal überlegt, wo eine ist? Wahrscheinlich wäre die nächste in Port Sudan, und bis die hier ist, das kann dauern.“

      Leere und Stille wollten auch uns glauben lassen, wir wären abgesehen von einigen Ziegen die einzigen Lebewesen in dieser Stadt. Nichts anderes war zu hören, als das gelegentliche Knacken alter Gemäuer und das Stöhnen des Windes, keinerlei Anzeichen, sei es von Mensch oder Dschinn.

      „He, seht mal“,

      rief Bernd aufgeregt. Als wir uns umdrehten, war nichts zu sehen, die Erscheinung offenbar schon verschwunden. Jedenfalls behauptete unser Freund eine nahe vorbeisegelnde Dhau gesehen zu haben, das Deck eng gedrängt voller Menschen. Sie wäre für einen Moment am Ende der Straße aufgetaucht, fast schon die Häuser streifend, hinter denen sie sofort wieder verschwand. Als wir dann endlich, über mehrere Steinhaufen kletternd, am Ende der Straße angelangt waren, sahen wir tatsächlich nur einen Steinwurf entfernt eine Dhau. Ruhig und verlassen dümpelte sie auf dem Wasser, am Kai vertäut, als läge sie hier schon lange. Nur, kein Mensch war zu sehen. Wir traten näher heran, riefen hinüber und in die gegenüberliegender Häuser, die ebenso fest verschlossen waren wie alle anderen. Nichts rührte sich, kein Laut war zu hören. Wir schauten Bernd an.

      „Ich weiß doch, was ich gesehen habe! Sie war zumindest auf dem Deck brechend voll mit Menschen.“

      Er ereiferte sich:

      „Außerdem könnte die doch nie allein hier anlegen und festmachen. Da muss wenigstens einer am Ruder sein, einer mit dem Tampen an Land springen.“

      „Ist gut, Bernd, wissen wir und glauben wir dir. - Nur wo sind die alle so plötzlich geblieben?“

      Auch weiteres Suchen und Rufen brachte keine Lösung dieses Rätsels. An Bord unter Deck waren diese Menschen jedenfalls nicht mehr, soweit konnte man durch die Luken sehen. Die Dhau lag direkt am Ufer und man hatte an mehreren Stellen guten Einblick in den Innenraum. Es war keine Planke zum Kai gelegt. Die einzige Verbindung war das Seil, mit dem sie angetäut war. Wir hätten daran hinüber hanteln können, verzichteten aber auf diesen etwas akrobatischen Akt, denn wir waren uns

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